Wie kann das passieren - vom Biertrinker zum Weinliebhaber?

Die Portugieser Traube vor der Weinlese
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Vor drei Jahren fragten mich Freunde ob ich mit ihnen zu einer mehrtägigen Weinprobe und einer Weinlese nach Hessen fahren möchte. Dazu muss ich sagen, meine Freunde sind humorvolle Menschen und somit auch gesellig, folglich habe ich zugesagt. Bestimmt wird es ein schönes Wochenende.

Ein Ablaufplan der Weinlese mit folgendem Inhalt wurde mir einige Tage später zugeschickt:
Freitagnachmittag im Hotel einchecken mit anschließendem Vorstellen der Weinlesehelfer. Danach eine umfangreiche Weinverkostung von Weißweinen.
Am Samstag, um 10 Uhr Aufbruch zur Weinlese. Samstagabend eine weitere Verkostung von einigen roten Weinen. Am Sonntag nach dem gemeinsamen Frühstück sollte die Heimreise angetreten werden.

Mit dem Brief in der Hand bekam ich die ersten Bedenken. Weinlese ist eine körperliche Arbeit, also, ich bin gewohnt anderen Leuten zu sagen was zu tun ist, aber selber körperlich arbeiten und noch dazu wo steht welchen Lohn ich dafür bekommen sollte. Nichts dergleichen, aber dafür konnte ich die Kosten für das Hotel einsehen, was ich natürlich selber bezahlen musste. Soviel Aufwand, Kosten und bestimmt Schwerstarbeit – noch dazu bin ich Biertrinker und nur ein gelegentlicher Weintrinker.

Nach Überwindung des ersten Schocks wollte ich die von mir gemachte Zusage an meinen Freunden nicht wieder rückgängig machen. Also durch!

Der Tag am ersten Wochenende im Oktober kam. Ich setzte mich ins Auto und fuhr 280 km weit in den Winzerort Albig bei Alzey. Empfangen wurde ich von einer sehr gemischten Gesellschaft aller Altersklassen. Außergewöhnlich locker und sogar nett, sofort hatte ich eine sehr positive Grundstimmung die bei dem Rundgang durch den Weinkeller mit der anschließenden abendlichen Weinprobe noch gefördert wurde.

Am nächsten Morgen um 8 Uhr zum Frühstück, seltsam, habe am Abend sooo viel Wein getrunken und keine Kopfschmerzen. Toll, muss wohl an der guten Luft liegen.

Jetzt am Samstag, um 10 Uhr schlug die Stunde der Wahrheit, es ging an die Arbeit. Abgeholt wurden wir von einem Traktor mit Anhänger, wo wir alle beengt auf den Holzsitzen unseren Sitzplatz einnahmen. Nach ca. 20 Minuten, nicht unangenehmer Fahrt, waren wir in dem Weinberg „Albiger Schloß-Hammerstein“, wo nun die Lese beginnen sollte.

Der Winzer fing an die Leute mit Schere und Eimer auszurüsten und teilte sie auch entsprechend ein. Mich hat er wohl als groß und kräftig eingestuft, ich sollte als Kiepenträger fungieren, was mir auch schon ganz gut gefiel, bei allen Leuten die geernteten Trauben einsammeln und in einem bereitgestellten Anhänger schütten. Das ist auch eine gute Möglichkeit mit allen Leuten ins Gespräch zu kommen.

Als erstes wollte ich wissen was ich überhaupt einsammeln sollte. Es waren rote Portugieser Trauben, kleine sehr süße und saftige Früchte. Der Winzer sagte mir,
dass hieraus ein lieblicher Weißherbst, also Rosé-Wein, entstehen sollte.

Nachdem der Weinberg abgeerntet war, war auch mein Traktoranhänger randvoll mit wohl riechenden Früchten, soviel Trauben habe ich vorher auf einem Haufen noch nie gesehen, geschweige getragen.

Am Abend hatten wir die nächste Weinprobe, nur Rotweine. Auch diesmal habe ich den Wein sehr gut ohne Kopfschmerzen vertragen.

Fazit meiner Weinlese:
Die Arbeit in dem Weinberg möchte ich nicht missen, es war ein ganz besonderes Erlebnis, habe neue Bekanntschaften geschlossen und weiß wie die Dinge funktionieren.
Die wichtigsten Erkenntnisse aber sind, dass ich den Wein fortan mit ganz anderen Augen sehe, dass ich das edle Getränk als Gottesgeschenk ansehe und genießen kann.
Ich trinke gelegentlich gerne ein Bier weiterhin, aber auf den Wein möchte ich nicht mehr verzichten.

Übrigens, am kommenden Wochenende ist wieder Weinprobe.

Autor:

Walter Steimel aus Essen-Kettwig

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