The Silki-Way Of Life...
“Super, das lass’ ich gleich an“, sagte sie zu der netten Verkäuferin und musterte sich noch einmal kritisch im Spiegel. Als sie mit Karte gezahlt hatte und auf dem Gehweg stand, musste sie automatisch an LKL denken. Was der wohl sagen würde, wenn er sie jetzt in ihrem Frottee-Kleid sehen könnte? Wer hätte aber auch vor knapp zwölf Monaten gedacht, dass ausgerechnet dieser Stoff von den internationalen Catwalks den Weg in die Kleiderschränke finden würde. Lange hatte sie sich zu sträuben versucht, doch dieser Stoff umspielte ihre Figur so angenehm, da konnte sogar der graue Rollkragenpulli für die Abendwanderungen am Ruhrufer nicht mehr mithalten.
Und da waren ja auch noch die Freundinnen gewesen, die ihr gut zugeredet hatten. „Silke“, hatten sie Renate, Angelika, Dagmar und Marie beschworen, „Du bleibst doch Du selbst, auch wenn Du einmal einen Modetrend mitmachst, der Dir einfach gut steht.“
Immerhin kam es für Silke an diesem Abend auf alles an. Das konnte so ein Moment im Leben werden, von dem „frau“ vielleicht träumt, wenn sie ein Bild in blutroter Farbe malt, sich am Meer in den Horizont hineinträumt, oder bei Rotwein und Kerzenlicht in die Stille der Nacht lauscht.
Gleich würde von Schreckenstein, der gefürchtete Literatur-Kritiker, der Henker der Nachwuchsautoren, der Erfinder von „Lemmi & die Schmöker“ über ihre erste Kurzgeschichten-Sammlung urteilen.
Ralf, Peter und der nachdenkliche Frieder hatten sie gewarnt: „Pass’ auf Silke, auf wen Du Dich da einlässt. Das ist Business-Parkett pur und Du schreibst doch nicht für irgendeine Szene, sondern für uns, Deine wahren Fans.“ Doch LKL hatte wie immer nur gelacht. Ob sie, ausgerechnet sie Angst vor dem Bücher-Papst hätte, hatte er gestichelt und sie so immer angriffslustiger gemacht. Und jetzt, nachdem sie noch einmal im Buchgeschäft genau ihr Buch, mit ihrem Namen drauf, verstohlen zur Hand genommen und am Papier geschnüffelt hatte, stand sie vor dem Kulturszenetreff „Fuente“, wo ihr großer Abend stattfinden sollte. Die Geburt der Autorin Silke C.
„Wow, Du hast Dich wirklich getraut!“ riefen ihr Gitte und Karin zu, die noch kurz vorher Autogrammkarten und Signier-Exemplare zurecht gelegt hatten. „Du kommst in Frottee von Cacharell, einfach ein Traum!“
Wie benebelt nahm Silke die Glückwünsche entgegen, wie in Trance sah sie die Mengen an Fans, die gekommen waren, die Journalisten von Stadtspiegel und Mülheimer Woche, die Kollegen von Radio und Fernsehen. „Erst zu Jauch, dann kommen Kerner und Lanz!“ raunte ihr der Verlagsagent noch schnell zu, doch nach den ersten Worten des von Schreckensteins wurde sie schlagartig hellwach.
Dieser Typ zog über sie her, über ihren sich dem Massengeschmack anbiedernde Kleiderwahl, die irgendwie stimmig zu ihren Storys sein sollte und faselte von Textpassagen und Inhalten, die eher zu einer Mallorca-Party passen würden, denn zu einem großen, literarischen Wurf.
„Das musst Du Dir von dem alten Knacker nicht bieten lassen“, zischte Nicole im Stile von Kaa, der Dschungelbuch-Schlange. Frieder wollte noch beruhigen und auf einen Bildband ablenken, doch dann trat Silke auf von Schreckenstein zu. Sie nahm ein Champusglas (Wo kam das nur so schnell her?), zoschte es auf einen Zug aus und schnappte sich ein weiteres, um es über den Gott der Bestsellerlisten zu gießen.
„Und jetzt...“, sagte sie mit einem Timbre in der Stimme, das keinen Wiederstand zuließ, „und jetzt gehen wir wirklich in die Grugahalle und feiern dort meine Buchvorstellung richtig. Vielleicht treffen wir auch noch LKL?“
Autor:Detlef Leweux aus Essen-Steele |
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