Keine Küsschen mehr...
Der Kettwiger Rolf Jansen steht für eine 72jährige Familien-Tradition
Nein, gekränkte Eitelkeit sei nun wirklich nicht sein Motiv, versichert Rolf Jansen. Doch die jüngst aufgekommene Diskussion, warum es denn keine „Werdener Küsschen“ gäbe, analog zu den beliebten „Kettwiger Küsschen“, lässt ihm keine Ruhe. Denn Jansen muss die vielen Fans des mit einer Sauerkirsche veredelten Kirschwassertrüffels enttäuschen: „Die originalen Küsschen gibt es nicht mehr!“
Dreißig Jahre lang waren die süßen Verführungen einer der vielen Verkaufsschlager des Altstadt-Cafés an der Hauptstraße. Doch nach insgesamt 72jähriger Familientradition machte Jansen im letzten Jahr schweren Herzens zu.
Die unermüdliche Maloche hatte ein Ende: „Immer nur schuften, keinen Samstag, keinen Sonntag frei, das ging an die Substanz. Da haben wir gesagt, Schluss und Aus, wir genießen jetzt unseren Ruhestand!“ Hart ist er geblieben,
der rührige Konditor- und Pralinenmeister, da konnten die ehemaligen Stammkunden noch so betteln: „Immer wieder kamen die Leute an, hatten sogar umfangreiche Sammelbestellungen dabei, damit wir die Maschinen anwerfen. Doch vorbei ist vorbei!“
„Macht man einfach nicht!“
Und sollte jetzt Jemand auf eigene Rechnung die Küsschen verkaufen, könne dies nur ein Plagiat sein: „Unsere Pralinenüberzugsmaschine ist schon verkauft.“ Überhaupt sei das „Guttenbergen“ auch in der Konditorenbranche ein heißes Thema: „Da bleibt nicht jeder so standhaft wie ich. Wie oft wurde ich gebeten, doch die beliebten Abraham-Figuren meines Werdener Kollegen Heinz Werntges zu kopieren.“ Doch Jansen hatte und hat Berufsehre im Leib, sagte allem „Abkupfern“ den Kampf an: „Die führen etwas vollkommen anderes, geben ihm aber den bekannten Namen. Das macht man einfach nicht. Punkt.“ Auch sein delikater Stollen „Kettwiger Butter-Fladen“ wurde ihm förmlich aus der Hand gerissen, da lag es nahe, dass nach Schließung des Altstadtcafés im letzten Jahr die Konkurrenz auf den lukrativen Zug aufspringen würde.
Könner haben Ideen!
Doch Rolf Jansen hing ein mahnendes Schild ins Schaufenster: „Könner haben eigene Ideen!“ Und ein Könner war der sympathische Jansen allemal, rund 60 Jahre fand sein Leben fast ausschließlich in der Backstube statt. Immer neue Kreationen warf er auf den Markt, um die Kundschaft zu überraschen und zu verzücken. Im eigenen Betrieb wurden 42 Pralinensorten hergestellt, 16 verschiedene Trüffel ließen die große Feinschmeckergemeinde schwärmen.
Maschinenpark
Leider wird die Familientradition nicht fortgeführt, obwohl die beiden Söhne Talent zeigten: „Die Zwei haben sich im Bankenwesen angesiedelt und sind dort glücklich.“ Also wird der Dornröschenschlaf des Altstadtcafés wohl einer endgültiger sein, zum Bedauern der treuen Kunden, die sich das umfangreiche und hochqualitative Sortiment zurück sehnen. Immer noch steht bei Jansens ein beeindruckender Maschinenpark: Rührschüsseln, eine Brötchenpresse, ein gigantischer Knethaken. Alle diese lieb gewordenen Helferlein möchte Jansen nun verkaufen, den Schnitt endgültig machen. In ein Loch ist er nicht gefallen, als passionierter Video- und Schmalfilmer mit fast kindlicher Technikbegeisterung, der er nun freien Lauf lassen kann. So erwartet er ungeduldig das bestellte Zubehör für sein i-phone. Fast schon leid tut es ihm für die Kundschaft, aber Rolf Jansen hat nun mal Prinzipien: „Die Kettwiger Küsschen sind Geschichte!“
72 Jahre vor Ort
1939 machte sich Franz Jansen selbstständig, mitten im Krieg, ohne Mittel, aber mit Unternehmergeist. Sohn Rolf bewundert ihn dafür: „Ich habe großen Respekt vor meinem Vater, der aus dem Nichts mit viel harter Arbeit eine Existenz gründete!“ Seit 1948 residierten die Jansens in Kettwig, haben seitdem hohe Standards geschaffen. Die Aufgabe vom Vater zu übernehmen, war für Rolf Jansen eine Frage der Ehre.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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