Daniela Westmeyer löst Gudrun Gerschermann ab
Schichtwechsel bei Kinder- und Jugendhilfe St. Peter und Kinderheim St. Josefshaus
Angefangen hatte alles mit einem Anruf. Nichtsahnend nahm 1988 eine damals 32-jährige Klinik-Sozialarbeiterin ab. Am anderen Ende: Schwester Ulrike.
„Du musst sofort kommen und dich bei uns bewerben. Ich brauche eine Nachfolgerin.“ Der damaligen Leiterin aus der Schwesternschaft „Arme Dienstmädge Jesu Christi“ ging es gesundheitlich gar nicht gut. Die Geschichte ist schnell erzählt, urplötzlich war Gudrun Gerschermann neue Leiterin des seit 1857 in Kettwig bestehenden Kinderheims. Die Anfänge waren bescheiden. Es gab 15 Heimplätze, keine zehn Mitarbeiter: „Die kann ich heute noch alle namentlich aufzählen. Wir hatten kein Büro, keinen Schreibtisch, eine erste Schreibmaschine bekam ich von meinem Bruder geschenkt.“ In den 30 Jahren unter ihrer Leitung hat sich so einiges getan. Heute gibt es im Kinderheim 60 Plätze, die Kitas betreuen 140 Kinder, insgesamt sind 90 Mitarbeiter am Ball.
Wieder klingelte das Telefon
Nun klingelte in Kettwig wieder das Telefon. Diesmal nahm Daniela Westmeyer ab. Wieder war Schwester Ulrike am Apparat: „Wenn Sie das werden, ist es der Wille des Herrn. Wenn nicht, hat er anderes mit Ihnen vor. Ich bete für euch.“ Es hat geholfen: Ab 1. September übernimmt die Diplom-Sozialpädagogin und Kooperationsmanagerin M.A. den Posten als Geschäftsführerin der Kinder- und Jugendhilfe St. Peter und des Kinderheims St. Josefshaus. Gudrun Gerschermann darf ihren wohlverdienten Ruhestand antreten. Wobei Ruhe irgendwie das falsche Wort wäre. Denn diese energische Frau kann man sich so was von überhaupt nicht strickend im Schaukelstuhl vorstellen. Sie fährt leidenschaftlich gern Rad, reist viel. Zurzeit ist sie in Südafrika: „Da schaue ich auf den indischen Ozean. Herrlich.“ Bei solchen Vorgängerinnen, wie ist es da mit den großen Fußstapfen? Daniela Westmeyer zeigt da eine wohltuende Mischung aus Bescheidenheit und Selbstbewusstsein: Da sei viel Gutes und Bewährtes. Aber ausgetretene Fußpfade müsse man ja nicht unbedingt gehen, da sei doch noch so viel Platz für neue Wege.
Unzählige Bewerbungen
Pastor Sven Goldhammer berichtet vom Auswahlverfahren: „Wir hatten unzählige Bewerbungen auf dem Tisch. Mit zwölf Kandidaten haben wir uns ausführlich befasst. Und es richtig ist gut geworden.“ Obwohl Fachkraftmangel herrscht, waren alle Bewerber höchst qualifiziert, mit Leitungserfahrung und Wissen um Wirtschaftlichkeit. Denn diese muss auch solch ein Non-Profit-Unternehmen beachten. Michael Scheiermann als Vorsitzender des Gesamtverwaltungsrates kann zufriedener nicht blicken: „Unter aktiver Beteiligung aller Verantwortlichen wurde gefiltert, abgewogen und entschieden.“ Der Findungsausschuss blickte weit über den Kettwiger Tellerrand. Letztlich bekam aber doch eine langjährige Mitarbeiterin den Zuschlag: Daniela Westmeyer ist seit 1999 dabei. Mit Mann und zwei Töchtern lebt sie in Ratingen, möchte neue Ideen einbringen, spürt aber auch die lange Geschichte des Hauses: „Wenn etwa Ehemalige zu uns kommen. Sie suchen nach Spuren und haben Fragen: Gibt es hier noch alte Fotos von mir? Was steht in den Akten? Warum bin ich damals überhaupt in Kettwig gelandet?“
Ein Knoten ist geplatzt
Was war mit den Aufregungen des vergangenen Jahres? Schließung des Ladens Pusteblume, Absage des Zirkusprojektes Josefina? Rücktritt des Förderkreis-Vorstandes? Lag da nicht Unfrieden in der Luft? Daniela Westmeyer blickt ernst: „Diese öffentliche Unruhe im Dorf wurde hier in der Einrichtung gar nicht so gefühlt.“ Hier sei man im Reinen miteinander. Der seit 2016 eingeleitete Umstrukturierungsprozess auf Leitungsebene sollte die immer weiter gewachsene Einrichtung fachlich gut aufstellen. So wurden die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt. Im Kinderheim St. Josefshaus sind das die Schultern der neuen pädagogischen Bereichsleiter Bettina Branges-Wissing, Heike Wagner und Frederik Schmülling. Gudrun Gerschermann wirkt fast erstaunt, wie gut das klappte: „Hier konnte alles von innen heraus wachsen. Da ist regelrecht ein Knoten geplatzt. Wir konnten alles auf breitere Füße stellen und transparenter gestalten. So ist es gut.“
Schicht im Schacht und Glück Auf
So ein Abschied nach 30 Jahren will auch gefeiert werden. Die Vorbereitungen laufen, im Sommer sind gleich zwei Feten geplant. Am 28. August eine Party mit aktuellen und vor allem vielen früheren Weggefährten, Ehemaligen und Mitarbeitern. Gudrun Gerschermann ist selbst gespannt: „Das Programm wird noch geheim gehalten, die verraten mir nix. Aber ich bin ja für alles offen.“ Zwei Tage später der offizielle Abschied. Auch dort soll es bloß nicht zu stocksteif ablaufen, sagt das Kind des Ruhrgebietes. Der Arbeitstitel „Schichtwechsel“ betone dies sehr schön. Irgendwas mit „Schicht im Schacht“ und „Glück Auf“. Bloß keine Geschenke, sagt die Fast-Schon-Rentnerin: „Spenden wären mir lieber, um für unsere Älteren einen Rückzugsraum schaffen zu können.“ Ein noch ungenutzter Dachboden ist bereits ausgeguckt, für Partys und Musikmachen. Er müsste noch ausgebaut und isoliert werden. Gudrun Gerschermann kennt ihre Pappenheimer: „Ganz sicher braucht dieser Raum dann auch Lärmschutz.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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