Ein Moment Unbeschwertheit

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Hannes genießt seine Hippotherapie auf dem Carolinenhof

Die Zicklein meckern im Hintergrund, Pferdehufe klingen auf dem Asphalt. Hannes (14) wird von seiner Mutter auf den Hof gebracht und strahlt. Die bevorstehende Reitstunde ist eines seiner Wochen-Highlights. Stolz zeigt er in seinem Buch der Erinnerungen, Fotos von einer gemeinsamen Reitstunde im vergangenen Jahr mit seiner Schwester. Das breite Grinsen auf den Fotos, auf denen er auf dem Pferderücken seinem Vierbeiner einen Kuss gibt, gelangt wieder in sein Gesicht- allein schon der Gedanke ans Reiten macht ihn glücklich.
Dass er die Pferdeluft schnuppern kann, ist nur dank des Carolinenhofes, dem unermüdlichen Einsatz der 20 ehrenamtlichen Helfer und natürlich des festen Mitarbeiterteams möglich. Seit fünf Jahren können auf dem integrativen Reiterhof Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam die Faszination Pferd entdecken.
Hannes ist Tetraspastiker, das bedeutet, dass seine Arme und Beine gelähmt sind, er kann seine Bewegungen nicht kontrollieren. Heute ist Hannes entspannt, wie so oft, wenn es auf den Carolinenhof geht. „Hannes freut sich immer sehr auf diesen Tag und erzählt jedem, dass er reiten geht“, freut sich seine Mutter. Und sie erinnert sich: „Vor fünf Jahren waren sie bei einer Klassenfahrt hier. Als Hannes nach Hause kam, hat er immer wieder vom Reiten erzählt und seinen Wunsch zu reiten so lange wiederholt, bis wir endlich seinem Wunsch nachgekommen sind.“ Seit einem Jahr ist der Junge jeden Montag auf dem Hof und hat eine feste Verabredung mit Ronja, seinem therapeutischen Reitpferd. Sich auf dem Rücken des Pferdes fortzubewegen, bedeutet für Hannes Freiheit und vor allem eine sportliche Aktivität neben all den therapeutischen Maßnahmen in seinem Alltag. Dass auch hier eine Physiotherapeutin die Stunde leitet, ist nebensächlich.
Die gesamte Anlage des Carolinenhofes ist behindertengerecht umgebaut worden, breite Wege an den Putzplätzen der Pferde sorgen dafür, dass auch ein Rollstuhl neben das Pferd passt. Über eine Rampe gelangen die Menschen mit Beeinträchtigung direkt an den Pferderücken, bei Bedarf gibt es auch eine Mechanik, die beim Aufsitzen hilft. „Größtmögliche Sicherheit ist unsere Devise“, erklärt Geschäftsführerin Sybille Braun, die darauf aufmerksam macht, dass auch die Bande der Halle besonders gestaltet ist, damit bei einem Sturz der Fallende vom Pferd weggelenkt wird. „Auch wenn unsere Therapiepferde vieles gewohnt sind, bleibt es ein Tier und da kann immer was passieren.“
25 Pferde sind in den Betrieb des Carolinenhofes eingebunden und führen hier in einem Offenstall ein artgerechtes Pferdeleben in einer großen Gemeinschaft. Ein weiterer überdachter Platz wird gerade errichtet, die Neuanschaffung von weiteren Pferden steht ebenfalls bevor.
Im ländlichen Idyll ist nicht nur das Wohl des Menschen sondern auch das des Tieres wichtig. Dass es hier um mehr als nur Reiten geht, wird schnell deutlich. Ein Spielplatz mit Grillstätte lädt nach der Einheit noch zum Verweilen ein, auch der Strohspielplatz im alten Pferdestall dürfte für unbeschwerte Spiel-Stunden sorgen. Und damit es auch den Eltern der Kinder mit Beeinträchtigung gut geht, steht ein besonders komfortables Reiterstübchen, insbesondere für die kalten Wintermonate für eine kleine Auszeit zur Verfügung.
Heute scheint die Sonne und Hannes' Mutter genießt es, ihrem Jungen dabei zuzusehen, wie er seine Freiheit auf dem Pferderücken genießt. Therapiepferd Ronja hat heute Pause, daher freut sich der Schecke Hotte auf die Reitstunde. Zunächst ist Hannes skeptisch, kalt findet er es auf dem unbekannten Pferderücken, doch dann spürt er das warme Fell und die Mähne und lächelt.
Hinter ihm nimmt seine Physotherapeutin Inga Send mit Zusatzausbildung in der Hippotherapie Platz, denn alleine kann sich der Junge nicht auf dem Pferd halten. Die verkrampften Muskeln des Jungen entspannen sichtlich. Ein Effekt, den die junge Therapeutin auf einer Liege nie so erzielen könnte. „Hier wird eine dreidimensionale Bewegung gefördert“, erklärt sie und auch der Gleichgewichtssinn wird trainiert. Aber das ist nicht alles, der Kontakt mit dem großen, starken Tier ist auch eine Wohltat für die Psyche. Der GedankeFakt, Sport zu machen und nicht zur Therapie zu gehen, eine Wohltat. „Und eine Mähne und das Fell des Pferdes fühlen sich auch anders an als eine Liege“, sagt sie. Und in der Tat, die Beine des Jugendlichen, die anfangs kaum über den Pferderücken gespreizt werden konnten, hängen locker am Rumpf von Hotte. Und auch der ängstliche Gesichtsausdruck ist einem glücklichen Lachen gewichen. „Das sind die Momente, für die uns hier am glücklichsten machen“, freut sich Sybille Braun.

Info

Auf dem Carolinenhof finden Menschen mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen mit gesunden Menschen zusammen. Ob Kinder oder Erwachsene, in kleinen Gruppeneinheiten nähert sich hier jeder in seinem Tempo und nach seinen Fähigkeiten dem Pferd. Egal ob heilpädagogische Förderung mit dem Pferd, Hippotherapie, integrativer Reitunterricht Voltigieren oder Ferienfreizeiten für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, oder auch einer Kindergruppe mit einem Programm für die kleinsten, gibt es für jeden ein passendes Angebot. Allerdings sind die Wartezeiten für gesunde Menschen teilweise lang. Ehrenamtliche Helfer werden auf dem Hof immer gesucht und auch Besucher sind gern gesehen. Wer das Angebot unterstützen möchte, kann dem Förderverein des Carolinenhofes beitreten. Alle Infos zu dem Idyll in Kettwigs Natur finden sich unter www.carolinenhof.org

Autor:

Isabel Nosbers aus Essen-Werden

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