Polizei: Überstunden ohne Ende
Essen-Kettwig. Überstunden ohne Ende schieben die Essener Polizisten vor sich her: Rund 150.000 Stunden sind es aktuell. Weitere 70.000 kommen jährlich dazu. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
„Die Belastungen der Kollegen nehmen in den kommenden Jahres sogar noch zu“, prognostiziert Heiko Müller. Der Vorsitzende der GdP Kreisgruppe Essen/Mülheim blickt düster in die Zukunft.
Anzahl der Polizisten sinkt
„Im Vergleich zu 2012 wird die Anzahl der Essener Polizisten in fünf Jahren um 87 Stellen gesunken sein“, sagt Müller. Für ihn ein untragbarer Zustand.
„Und die Beamten werden nicht jünger. Bereits heute liegt das Durchschnittsalter bei über 44 Jahren. Und das trotz des Zuganges von zirka 100 jungen Beamten im vergangenen Jahr.“
Unter diesen Umständen müsse man sich fragen, welche Aufgaben die Polizei künftig nicht mehr wahrnehmen kann. In der Diskussion sei in den vergangenen Jahren beispielsweise die Begleitung von Schwertransporten gewesen. „Aber die Ergebnisse der eingesetzten Arbeitsgruppe landeten unveröffentlicht in der Schublade. Wer weiter durch zu geringe Neueinstellungen den Personalbestand absenkt, muss auch sagen, welche Aufgaben künftig wegfallen“, fordert Müller.
Ein „Weiter so“ dürfe es nicht geben. „Eigentlich benötigen wir bereits heute zehn Prozent mehr Personal, um unsere Arbeit vernünftig zu machen.“
Auch zivile Mitarbeiterstellen laufen aus
Verschärft wird die Situation noch durch den Weggang der Regierungsmitarbeiter (Angestellte): „Von den 200 Stellen fallen bis 2020 ein Viertel weg. Wer deren Arbeit leisten soll, ist bisher noch unklar. Das gilt auch für die Verwaltungsbeamten, wenn diese Stellen nicht nachbesetzt werden.“
Die Erfahrungen mit der Auslagerung von Aufgaben sieht Müller eher negativ: „Das führt zu mehr an Verwaltung, langen Wartezeichen und einem Abbau von Leistungen.“
Die „Gegenseite“ wisse inzwischen sehr genau, dass die Polizei nicht überall ist. Aber nur eine starke Polizei verhindere ein Ansteigen der Kriminalität. „Jeder sollte sich selbst fragen, was ihm die Sicherheit wert ist.“
Amerikanische Verhältnisse
Es bestehe die Befürchtung, das sich amerikanische Verhältnisse entwickeln. „Wir müssen uns überlegen, ob wir abgeschirmte Ghettos, Bürgerwehren und den vermehrten Einsatz von Sicherheitsdiensten wollen?“
Kritisch steht Müller einer weiteren Zsammenlegung von Polizeibehörden gegenüber. „Das führt schnell dazu, dass die Bindung zur Bevölkerung wegfällt. Dabei brauchen wir die Bevölkerung, die uns mit ihren Hinweisen unterstützt. Zu große Einheiten führen dazu, dass Außenbezirke nicht mehr so schnell erreicht werden. Noch sind wir in Notfällen sehr zügig vor Ort. In Essen haben wir noch gute Einsatzreaktionszeiten. Dafür müssen die Bürger bei ‚Bagatellen‘ etwas länger warten, auch wenn das nicht gerade optimal ist.“
Müller bedauert, dass der gegenseitige Respekt in der Gesellschaft zunehmend wegbreche. Das spürten auch die Beamten. „Weil die Angriffe auf Polizisten zunehmen, halte ich die Einführung der Body Cam für sinnvoll.“ Angesichts von Videos von Bürgern über Polizeieinsätze, müsse die Polizei nachziehen. Videos dienten der Beweissicherung und wirkten deeskalierend. „Die Täter schrecken zurück, wenn sie wissen, dass sie gefilmt werden“, sagt Müller.
Die Diskussion um schärfere Gesetze teilt der GdP-Kreisvorsitzende nicht. „Es reicht völlig aus, wenn die bestehenden Gesetze konsequent angewendet würden.“
Gesetze auf Straftäter anwenden
Natürlich sei es ärgerlich, wenn Diebe morgens gefasst würden und nachmittags das nächste Delikt begingen. Täter, vor allem Jugendliche, müssten zeitnäher verurteilt werden.
Vor allem bei Beleidigungen hätten viele Polizisten aus Frust ihre Schwelle hochgeschraubt. „Die Body Cam könnte helfen, hier wieder eine Änderung herbeizuführen.“
Ein Stück weit mehr Verständnis für die Arbeit der Polizei wäre wünschenswert. „Dabei kann ein ruhiger sachlicher Ton viele Situationen ebenso entschärfen wie die Einsicht in das eigene Fehlverhalten.“
Autor:Dirk-R. Heuer aus Hilden |
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