Aber nach kontroversen Debatten um das Bauprojekt droht ein Rechtstreit
Umstrittenes Grundstück darf verkauft werden

Bisherige Ansicht von der Ecke Hauptstraße und Am Bögelsknappen. 
Foto: Archiv Lokalkompass
2Bilder
  • Bisherige Ansicht von der Ecke Hauptstraße und Am Bögelsknappen.
    Foto: Archiv Lokalkompass
  • hochgeladen von Daniel Henschke

Innerhalb weniger Stunden beschäftigten sich sowohl der Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen als auch die Bezirksvertretung IX mit der Villa am Kettwiger Bögelsknappen und dem Verkauf des dahinterliegenden, umstrittenen Grundstücks.

Im Ausschuss stellte die Verwaltung erstmals Pläne für eine Bebauung des rund 2.500 m² großen Hintergrundstückes vor, zudem beschäftigen sich gleich zwei Anträge mit dem Thema. Letztlich entschied die schwarz-grüne Mehrheit gegen den Antrag von Tierschutzpartei, Linke und Die Partei, der auch von der SPD unterstützt wurde, und stimmte für ihren eigenen.

So wurde die Verwaltung beauftragt, in Verkaufsverhandlungen einzutreten mit der PromA Ateliers GmbH, Eigentümer des rund 3.700 m² großen Vordergrundstückes mit der ehemaligen Villa Ruhnau. Seit dem 3. Februar liege eine Bauvoranfrage vor für eine mögliche Neubebauung des städtischen Grundstücks und die Sanierung der Villa. Eine der mit dem Vertrag verbundenen Auflagen soll es nämlich sein, dass „das stadtbildprägende und für die Historie Kettwigs bedeutsame Bestandsgebäude“ nicht abgerissen, sondern erhalten bleiben und baulich ertüchtigt werden soll. Auch sollen die Neubauten „optisch hinter der Villa zurücktreten“ und fließender wie ruhender Verkehr der angrenzenden Straßen weitestgehend berücksichtigt werden.

Kein Denkmalschutz

Gleich drei Anläufe, die Villa unter Denkmalschutz zu stellen, waren in den letzten Jahren seitens der Fachverwaltung abschlägig beschieden worden. Die daraufhin aufkommenden Überlegungen, mittels eines Bebauungsplanverfahrens verbunden mit einer Veränderungssperre das Bestandsgebäude zu sichern, scheinen der städtischen Verwaltung „rechtlich unsicher und damit nicht zielführend“. In der Sitzung des Ausschusses verteidigte Ronald Graf diese Rechtsauffassung. Der Fachbereichsleiter Bauen trat vehement der Auffassung entgegen, dass hier rechtliche Verfahren die Lösung seien.

Bebauungsplan und Veränderungssperre griffen laut Baugesetzbuch nicht bei bereits eingegangenen Anträgen. Der Investor habe im September 2020 eine Abrissanzeige für die Villa gestellt, die laut Landesbauordnung keiner Genehmigung bedürfe. Auch eine eventuell aufzustellende Erhaltungssatzung greife nicht, da sie nur für Gebiete gelte, und nicht für einzelne Gebäude. In dieser Auffassung sieht sich Graf durch das städtische Rechtsamt bestätigt. Es gibt allerdings gegenteilige Auffassungen, was vermutlich vorm Verwaltungsgericht geklärt werden müsste. Da stünden hohe Kosten für die Stadt im Raum, eventuell Schadenersatzklagen.

Harsche Kritik

Weit über eine Stunde lang diskutierte der Ausschuss, alle Seiten positionierten sich, besonders von Seiten der SPD gab es harsche Kritik an der Rolle des Ausschussvorsitzenden Guntmar Kipphardt. Es handele sich hier um „Hinterzimmer-Alleingänge an den städtischen Gremien vorbei“. Der so gescholtene Kipphardt beteuerte, er habe als Kettwiger Ratsherr gehandelt: „Die Situation stand fünf vor Zwölf. Ich bin auf Eigentümer und Architekt zugegangen und habe nachgefragt, was denn noch geht.“ In etlichen Informationsrunden hätten interessierte Bürger, CDU und Grüne ihre Fragen loswerden können. Nach diesen Gesprächen habe er als Rückmeldung erhalten, dass hier eine tolle Sache entstünde: „Da war der Weg frei und die Verwaltung wurde gebeten, wieder auf den Investor zuzugehen.“

Kipphardt erklärte, er habe sich vom Essener Umweltbüro den Baumbestand zeigen und erklären lassen. Der ursprüngliche Kettwiger Stadtgarten sei nicht mehr erkennbar: „Insgesamt müssen 22 Bäume gefällt werden, von denen 10 unter die Baumschutzsatzung fallen. Für sie wird Ersatz gepflanzt. Da sind stattliche Bäume dabei, allerdings ist keiner Jahrhunderte alt. Die Gehölze zur Jakob-Muth-Schule hin können alle stehen bleiben.“ Auch eine Population geschützter Fledermäuse habe man im Blick, unter der Schiefervertäfelung der Villa sei Fledermauskot entdeckt worden.

Wald soll stehenbleiben

Wegen der Nähe zum angrenzenden Wald gebe es Gespräche von Investor und Eigentümer, um sich zu einigen. Sprich, es fließt eine Summe, die zukünftigen Schadensersatzklagen etwa wegen umgestürzter Bäume vorbeugt. Ob in dem Wald auch Bäume fallen müssten, wurde in der BV-Sitzung diskutiert. Dieter Schmitz, Leiter der Bauaufsicht, betonte, dass man das noch mit dem Forstamt besprechen werde: „Der angrenzende Wald soll stehenbleiben, man muss es nur zivilrechtlich klären.“ Die Bauarbeiten sollten so naturschonend wie möglich ablaufen. Diese Aussagen wird man sich merken.

Die Bezirksvertretung hatte sich von Schmitz das Projekt vorstellen lassen. In der Villa selbst wird es acht Wohnungen geben in unterschiedlichen Größen. Die zwei viergeschossigen, ellipsenförmigen Baukörper dahinter sollen 28 Wohneinheiten beherbergen und mit einer Tiefgarage für 90 Stellplätze unterkellert sein. Die hohe Zahl sei der neuen Stellplatzordnung der Stadt Essen geschuldet. Keine der Wohnungen soll öffentlich gefördert werden.

Stadt zu zaghaft

Nicht nur deswegen gab es Gegenstimmen in der BV. So betonte Ludger Hicking-Göbels (Grüne), es handele sich nur um eine Absichtserklärung. Nur ein Bebauungsplanverfahren würde den Erhalt der Villa sattelfest machen: „Ich finde, dass die Stadt da zu zaghaft war.“ SPD-Fraktionsvorsitzende und Anwohnerin Susanne Gilbert freute sich, erstmals die wahren Pläne zu Gesicht zu bekommen. Den Erhalt der Villa müsse man im Grundbuch sichern. Der optische Eindruck der Neubauten von der unterhalb gelegenen Hauptstraße sei doch ein sechsgeschossiger und bei der Tiefgarage müsse man erst die geologische Situation prüfen.

Andreas Meitzke von der AfD erklärte das Thema zu einer Herzensangelegenheit: „Handelt es sich nicht nur um einen Teilerhalt? Wie sieht es aus mit dem Baumbestand? Doppelte Zahl an Haushalten bedeutet doppelt so viel Traffic.“ Mit demselben Gedanken hatte die SPD den Antrag gestellt, erst einmal ein Verkehrsgutachten zu erstellen. Schon jetzt sei der Verkehr in der gewachsenen Siedlung am Limit. Der Antrag wurde von AfD, CDU und FDP abgelehnt, er sei zu unkonkret formuliert. Das werde sie gerne nachholen, ätzte Susanne Gilbert. Der frühere Bezirksbürgermeister Benjamin Brenk (SPD) gab sich zwar freudig überrascht, dass hier mal keine Schuhkartons gebaut würden, sondern halbierte Eier. Doch durch Besucher werde es trotz Tiefgarage zu Parkdruck kommen in den engen Straßen der Nachbarschaft.

Verlust an Natur

Der Grünen Hilde Hess-Steinhauer tat es leid um die über hundert Jahre alten Linden und andere Bäume, die fallen müssten: „Es wird ein Verlust an Natur, der nicht akzeptabel ist. Wir brauchen die Bäume.“ Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt antwortete, dass mehr Bäume nachgepflanzt als gefällt würden. Sie freue sich über die große Zahl an Stellplätzen und dass die Villa erhalten bleibe: „Man muss für manche Dinge einen Preis zahlen.“ Gerd Kolbecher (FDP) ergänzte: „Wir sprechen hier von einigen wenigen Bäumen. Im Großen und Ganzen ist hinter der Villa Gestrüpp.“

Dass ließ Susanne Gilbert nicht ruhen: „Es wird definitiv kein Baum stehen bleiben. Ein neugepflanzter macht keinen alten Baum wett.“ Nun wurde die Sozialdemokratin kämpferisch: „Hätte man nicht riskieren sollen, dass der Investor klagt? Müssen das jetzt die Bürger machen, die im Umfeld wohnen?“ Man darf also gespannt sein auf eine juristische Auseinandersetzung.

Bisherige Ansicht von der Ecke Hauptstraße und Am Bögelsknappen. 
Foto: Archiv Lokalkompass
So soll die ehemalige Villa Ruhnau nach dem Umbau aussehen. 
Grafik: Holle Architekten
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.