U 3-Betreuung in Kettwig - Fazit nach einem Jahr in der Kita St. Joseph
Gesetzlich haben Eltern ab dem 1. August ab dem ersten Lebensjahr ihres Kindes einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Das liest sich erst einmal gut und klingt noch besser. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus. Mit der nötigen beruflichen Skepsis im Gepäck besuche ich die Kindertagesstätte St. Joseph. Seit ziemlich genau einem Jahr haben dort auch zweijährige Kettwiger ein Zuhause auf Zeit. Das sind doch gleich zwei gute Gründe, um einmal bei Chefin Heike Kappert vorbeizuschauen, sich umzuschauen und nachzufragen.
Bereits von außen wirkt die grund-sanierte und vor gut einem Jahr für die Bedürfnisse der U 3-Betreuung ausgebaute Heimat der Kita St. Joseph hell und freundlich, ein großes Plakat lockt zum Flohmarkt am kommenden Wochenende und in den Fenstern sorgen die Gemälde einiger junger Künstler für die entsprechenden Farbklekse. Das fängt doch schon einmal gut an. Mal schauen, ob es genauso freundlich und vielversprechend weitergeht.
Nur wenige Meter später stehe ich erst einmal vor einer verschlossenen Eingangstür, doch wieder nur Sekunden vergehen, dann öffnet die Chefin persönlich und Kita-Leiterin Heike Kappert begrüßt mich mit einem strahlenden Lächeln. Das alleine sorgt schon für ein angenehmes Gefühl, doch viel mehr noch vermitteln dies die hellen Farben des Flures, der vielversprechende Duft, der aus der Küche hinaus in den Flur dringt und mir unbewusst das Wasser in die Mundwinkel laufen lässt. Die Eindrücke, die ich hier in den ersten Sekunden sammeln kann lassen eine gute Grundstimmung aufkommen. Völlig konträr zu den Bildern, die in meinem Gedächtnis auftauchen, wenn ich an meinen Kindergarten zurückdenke.
Obwohl ich als Erzieherin angefangen habe, bin ich inzwischen mehr Verwaltungsfachfrau und Kita-Managerin.
Jetzt aber heißt es zurück ins hier und jetzt. Ab sofort ist nicht mehr der Sozialromantiker gefragt, sondern der neugierige Journalist, der Antworten auf die Frage haben will, wie es in Kettwig um die Betreuung der Jüngsten bestellt ist. Wie das Fazit von Kappert nach einem Jahr U 3-Betreuung aussieht. Wie die Fachfrau die Zukunft der Kinderbetreuung sieht und vor allem, was sie vom Rechtsanspruch, der am 1. August in Kraft treten wird, hält. Erst wenn ich auf alle diese Fragen erschöpfende Antworten bekommen habe, dann und erst dann,kann der Journalist wieder in die zweite Reihe und der Sozialromantiker bei der Besichtigung der restlichen Kita-Räume in den Vordergrund treten.
Das neu eingerichtete Büro von Heike Kappert und ihren Mitarbeitern ist der richtige Ort, um Fakten sprechen zu lassen. Ein Ort, den sich die Mitarbeiter und Erzieher auch erst nach dem Umbau einrichten konnten und den die Chefin zu schätzen weiß. „Ohne die Ruhe, die ich hier haben kann, wäre vieles deutlich schwieriger. Nicht nur die Betreuung der Kinder hat sich gewandelt auch die Ansprüche an eine Erzieherin sind enorm gewachsen. Meine Aufgaben haben sich völlig verändert. Obwohl ich als Erzieherin angefangen habe, bin ich mehr Verwaltungsfachfrau und Kita-Managerin. Das schlaucht ganz schön.“
Flexibilität ist das Zauberwort, das Heike Kappert in den kommenden Minuten fast schon inflationär gebrauchen wird. Flexibel mussten die Erzieherinnen auf die Bedürfnisse der ersten vier Zweijährigen reagieren. „Da waren manche dabei, die regelmäßig ihren Mittagsschlaf brauchen und erst danach etwas Warmes essen wollen. Manche älteren Kinder haben angesichts der Ruheräume auch wieder die Lust am Mittagsschlaf entdeckt. Alleine durch diese Entwicklung mussten wir Strukturen aufbrechen.“
Manche älteren Kinder haben angesichts der Ruheräume auch wieder die Lust am Mittagsschlaf entdeckt.
Dieses aufbrechen galt und gilt auch für die Erzieherinnen. Und dabei ganz besonders für viele Hilfskräfte, die angesichts der Umstellung auf U 3-Betreuung nur vor der Wahl standen aufzuhören oder sich nach Feierabend und am Wochenende fortzubilden. Doch auch die ausgebildeten Erzieherinnen kamen um die Fortbildung nicht herum. Heike Kappert erinnert sich: „Da war und ist ganz viel Engagement und Flexibilität seitens der Mitarbeiter gefragt gewesen. Vielfach ging das nur abends nach der Arbeit und am Wochenende. Das war auch für die Kolleginnen innerhalb der Kita eine ganz besondere Belastung, wenn eine Erzieherin deswegen ihre Stunden reduzieren musste, um das alles in einem bestimmten Zeitrahmen zu schaffen.“
Respekt wallt in mir auf. Und vor allem Neugier, wie denn nun der Alltag mit den „Kleinen“ wirklich funktioniert. „Am Anfang war es für uns alle ein kleines Abenteuer. Und grundsätzlich kann man sagen, dass die Zweijährigen rund die doppelte Eingewöhnungszeit, also etwa vier bis sechs Wochen, der älteren Kinder benötigen. Außerdem brauchte ja der ein oder andere zunächst noch eine Windel oder eine ganz andere Ansprache und mehr Zuwendung als andere Kinder.“ Ein ganz wichtiger Punkt in dieser Entwicklung war und ist die Zusammenarbeit mit den Eltern. Da mussten die Erzieherinnen oft auch Ängste nehmen oder grundsätzliche Fragen wie die Ernährung oder das Ruhebedürfnis abfragen oder aber auch den ein oder anderen Ersatzschnuller beschaffen.
Andersherum waren die Eltern meistens froh einen Platz bekommen zu haben. Denn die Problematik, rechtzeitig einen Kita-Platz zu bekommen, die ist auch in Kettwig groß. „Man mag es kaum glauben, aber wir sind ein sehr kinderreicher Stadtteil und viele Mütter gehen früh wieder arbeiten. Und da ist eine Vollzeitbetreuung in der Kita bis 16 Uhr natürlich unerlässlich.“
Neubauten von Kindertagesstätten am Mintarder Weg und im "Ruhrbogen" entzerren ein wenig die Situation
Und auch wenn in den kommenden Monaten mit dem Kita-Neubau am Mintarder Weg und im Rahmen des Neubauprogramms im „Ruhrbogen“ auch noch zwei neue Kindertagesstätten entstehen sollen – ausreichen werden die Plätze nach Ansicht von Heike Kappert auch dann noch nicht. „Aber ich denke, dass wir dann zumindest eine gute Abdeckung gewährleisten können. Wie das aber werden soll, wenn viele ihren Rechtsanspruch auch für Einjährige einklagen werden – das weiß ich nicht. In der Regel geht die Betreuung in dieser Altersklasse nur über Tagesmütter. Die meisten Kindertagesstätten können das alleine schon wegen der fehlenden Infrastruktur gar nicht leisten.“
Nach diesen offenen Worten und der vorsichtig optimistischen Zukunftsprognose von Fachfrau Heike Kappert freut sich der Sozialromantiker in mir auf den Rundgang und vor allem mein Magen will nun endlich ganz genau wissen, wo die immer verlockender werdenden Essengerüche herkommen. Doch noch muss er sich gedulden, erst einmal geht es in Richtung Bewegungsraum. Angesichts des riesig wirkenden, in freundlichem blau gehaltenen Sportraums drängt sich wieder die Erinnerung mit meiner Kindergartenzeit auf.
Sportraum verführt einfach zur Bewegung
Den Vergleich mit meiner Vergangenheit, dem Schlauch mit den Sprossenwänden an der Längsseite gewinnt St. Joseph locker. Die vielen Kletterbausteine, der Außenbereich mit unterschiedlichsten Schaukeln, einem riesig anmutenden Sandkasten und abwechslungsreichen Klettergerüsten versprechen Abwechslung für die bewegungshungrigen Kinder.
Apropos Hunger. Jetzt hat Heike Kappert mit mir ein Einsehen und wir betreten die neugeschaffene Küche in der Kita. „Die Küche ist zu einem wichtigen Faktor geworden. Dank unserer beiden Köchinnen, gibt es jeden Tag frische und gesunde Kost für die Kinder. Und die können auch helfen und entwickeln so früh einen ganz natürlichen Umgang mit Lebensmittel.“
Während in diesem Moment der terminbewusste Journalist dem Sozialromantiker in mir ziemlich deutlich klar macht, dass der nächste Termin vor der Tür wartet, will dieser aber noch wissen, wie es mit den Anmeldezahlen für das kommende Kindergartenjahr aussieht. „Wir besetzen zwölf Plätze neu. Davon acht im U 3-Bereich. Mehr geht nicht.“ Und die Warteliste? „Die ist länger. Aber wir können nicht zaubern.“
Das wäre ein bisschen viel verlangt von Heike Kappert und ihrem Team. Schließlich haben sie in einem Jahr U 3-Betreuung in der Kita St. Joseph viele Schritte in die richtige Richtung gemacht. Für den Rest sind die Politiker und Träger der Kindertagesstätten zuständig. In diesem Punkt sind sich am Ende meines Besuches auch mal Journalist und Sozialromantiker einig. Geht doch.
Autor:Sven Krause aus Mülheim an der Ruhr |
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