Kanonen gegen Kettwig
Kettwig. Schwer liegen sie in der Hand: Die Zehn- und Zwölfpfünder Eisenkugeln.Vier von ihnen fand Stadtarchäologe Dr. Detlef Hopp bei Ausgrabungen im neuen Kettwiger Ruhrbogen.
Wo er die Munition aus dem 16. Jahrhundert genau fand, verschweigt der Archäologe aus gutem Grund. Zu viele „Sondengänger“ mit Metalldetektoren seien auch in Kettwig unterwegs.
Fremde Truppen vor Kettwig
Über die Geschichte der Kugeln kann Dr. Hopp nichts Genaues sagen. „Ohne exakte Grabungen, die aber nicht möglich waren, bleiben halt Fragen offen.“ Die Kugel blieben möglicherweise liegen, als fremde Truppen Kettwig während des 80-jährigen Krieges (Spanisch-Niederländischer Krieg 1568 bis 1648; von 1618 bis 1648 auch 30-jähriger Krieg) belagerten. Oder sie stammen sogar aus einem Feldlager, das Truppen schnell verließen.
„Während des 16./17. Jahrhunderts plünderten fremde Mächte Kettwig und Werden sehr oft. Beide Orte liegen am Hellweg. Und außerdem stoßen hier die Grenzen zahlreicher verfeindeter Adelsgeschlechter aneinander.“
Eine schwere Ära für die Menschen am Fluss. Und auch der macht ihnen zu schaffen.„Zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert richteten die drei bekannten Ruhrfluten riesige Schäden an. Damit änderte sich Mal auch das Flussbett.“
Wo noch gestern eine Mühle Wasser führte, stand sie am nächsten Tag im Trockenen. Und auch Verteidigungsanlgen, die auf Wasser setzten, nutzten plötzlich nichts mehr. Dennoch blieb die Ruhr wie zuvor ein beliebter Siedlungsplatz. Bereits die Römer schätzten ihn, wie frühere Funde zeigen.
"Müllhalde" ausgebuddelt
Bei den jüngsten Grabungen stieß der städtische Archäologe in einer „Müllhalde“ auf einen kleinen „Schatz“. In Kettwig grub er viele Einzelstücke aus der Zeit zwischen 1870 bis 1925 aus. „Sie geben ein Stück weit Einblicke in das Leben der Menschen dieser Zeit. Da ist die über handgroße Schnecke aus Madagaskar. Wurde sie im Kolonialladen gekauft oder direkt von der Insel mitgebracht? Das gilt auch für den Kakaotopf aus Haiti. Umgekehrt wissen wir, dass der Tuchhandel Werdener und Kettwiger Produkte in viele Teile der Welt brachte“, erläuterte Dr. Hopp. „Und wir fanden Dinge, die es heute nicht mehr gibt: Kleine Fläschchen zum Nachwürzen für Kautabak. Sie waren früher gefüllt mit verschiedenen Saucen wie beispielsweise mit Lakritzegeschmack.“
Kautabak
Kautabak spielte offenbar eine wichtige Rolle, meinte der Archäologe. Denn weder im Bergwerk noch bei der Tuchherstellung oder auf Segelschiffen durfte man rauchen. Also griffen die Männer auf Kautabak zurück.
Auch das Weihnachtsgeschenk, eine Pfeife für den Dreher Conrad Göbels sei ein Stück Zeitgeschichte. Das gelte auch für die Pfeifen mit Franzosen-Köpfen: Sie zeugten von der französischen Besatzung, die 1925 in Essen endete.
Die Tasse aus Rußland und eine Blechtasse aus dem Kettwiger Mädchenheim erinnere an die ukrainischen Frauen. Sie kamen vermutlich im Winter 1943/44 und waren zur Munitionsherstellung zwangsverpflichtet. Viele ihrer Kinder starben in den Folgejahren.
Die gefundenen Exponate zeigt der Stadtärchologe ab 1. Oktober im Kettwiger Rathaus. Auf den extra erstellten Tafeln werden sie entsprechend zeitlich eingeordnet. Der Eintritt zu der Ausstellung ist frei.
Autor:Dirk-R. Heuer aus Hilden |
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