"Zugezogen" - In Borbeck bin ich die Neue
Haben Sie schon mal im Bürgeramt eine Nummer gezogen, die bereits VOR ihrer Ankunft auf der Tafel angeschlagen stand? Sowas gibt es wohl nur in Borbeck, wo man noch seine zuständigen Bearbeiter vor Ort antreffen kann. Aber was soll ich sagen: Entweder man ist eben Borbecker, oder man hat Pech und ist halt keiner. Ich jedenfalls bin auf dem besten Wege dahin: Der offizielle Ummeldeaufkleber ziert nun bereits meinen Personalausweis.
Die Anerkennung meiner Familie habe ich mir mit meiner neuen Adresse direkt eingeheimst. „Da wo die Essener Äbtissinen residierten - die feine Dame“, stichelten Mutter und Vater, nachdem ich meiner ursprünglichen Heimat Dortmund eine sträfliche Absage erteilte. Und nach erster Begutachtung des Stadtteilkerns urteilten sie abschätzig: „Soso, vom Schuhgeschäft bis zum Friseur liegt also alles direkt vor der Haustüre, hier lebt man wohl in seiner ganz eigenen Welt!“ Gut erkannt, liebe Eltern, wo ich nun wohne ist es vom Bäcker bis zum Apotheker, von der Post bis hin zur Bank und vom eigenen Bahnhof bis zum Einkaufszentrum stets nur ein Katzensprung. Kurze Wege sind aber nur ein Grund, weshalb ich mich für Borbeck als neuen Lebensraum entschlossen habe, frei nach dem Motto: Verlasse nie dein Arbeitsgebiet, wenn du auf Bus und Bahn angewiesen bist. Aber vergessen wir vorerst die Moral von der Geschicht´. Denn zuerst einmal wurde - wie sollte es anders sein - eifrig der Pinsel geschwungen. Wie eben jedes anständige (Wohn-)Märchen zu beginnen pflegt: Es war einmal ein Umzug ...
Ebenso gut könnte ich meine Kolumne starten mit den Worten: Am Anfang war kein Licht. Immerhin hatten meine neuen Vermieter die Einquartierung im zweiten Geschoss eines hübschen Mietshauses anstandslos unterschrieben und mir die Zimmer bereits einige Tage vor offiziellem Mietbeginn zugänglich gemacht. Obgleich dank der fixen Arbeitsweise der Deutschen Post ihnen die Mietkaution bis zum heutigen Tage noch nicht zugekommen ist. Aber das ist ein eigenes Thema.
Mit knapp 15 Helfern also räumten wir knapp 45 Quadratmeter im südlich gelegeneren Holsterhausen, wo es mich zwischenzeitlich hin verschlagen hatte, aus, um zumindest einen Teil der neuen Örtlichkeit damit abzufüllen, denn, jawohl, Ich habe jetzt VIEL MEHR PLATZ. „Deine Möbel wirken hier ein bisschen verloren“, scherzte das Umzugsteam noch, bevor Waschmaschine und Massivholzkommode der scharfzüngigen Bekanntschaft ihr Spott-Süppchen versalzten. Nur gut, dass mein gesamtes Hab und Gut seine neue Bestimmung bereits gefunden hatte, als der Umzugswagen klammheimlich beschloss, alle vier Reifen von sich zu strecken und dem erschöpften Umzugsteam mit einer heiteren Busfahrt den Tag zu beschließen. Tja, besser also nicht mit Hohn um sich werfen, bevor man die Hausherrin in Pappkartons eingeschlossen hat ...
Rund zwei Wochen habe ich seither in Borbeck verbracht. Bin verschlafen dem Bezirksbürgermeister auf dem Wochenmarkt in die Arme gelaufen, habe krankheitsbedingt in den gefühlt dreißig Apotheken der Fußgängerzone ordentlich Geld für Hustensaft und Schnupfenspray gelassen und den für einen Singlehaushalt gigantischen Einkaufswagen im neuen Einkaufscenter die Rollbänder hoch und runter transportieren lassen. Vom Renovieren bin ich noch immer nicht befreit, schließlich muss mit reichlich Tapete und Farbe noch die verlassene Wohnstätte auf Vordermann gebracht werden, bis ich meine alten Schlüssel endlich abgeben kann. Entschädigt für die viele Arbeit, die ein Umzug so mit sich bringt, hat mich bereits der idyllische Blick von meinem Dachfenster herab auf dieses von Unbeugsamen bevölkerte Dorf, dass nicht aufhört, den Zwängen eines Großstadtsystems Widerstand zu leisten und seine eigene Ordnung zu bewahren. Und Unsinnigkeiten eines Winter-Umzugs hin oder her, wer kann denn schon von sich behaupten, mit großem Feuerwerk empfangen worden zu sein?
Borbeck? Ich steh auf dich! Hier lässt es sich gut leben. Und Sie, liebe Leser (und User), lesen natürlich weiter dabei mit!
Autor:Sara Drees aus Dortmund |
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