Von einen Tag auf den anderen waren die Bäume weg

Carola und Mara Müller "genießen" freie Sicht auf den Zugverkehr. | Foto: Carsten Walden
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Frank Müller ist am Kreftenscheerweg groß geworden. Deshalb hat er auch nicht lange gezögert, als in unmittelbarer Nähe zu seinem Elternhaus eine Immobilie zum Verkauf stand. Seit 2003 sind die Müllers stolze Hausbesitzer, genießen Haus und Garten in vollen Zügen. Doch die Idylle fand ein jähes Ende.

„Im Sommer haben wir im Garten immer einen großen Pool aufgebaut. Doch in diesem Jahr werde ich dort ganz bestimmt nicht baden“, ist sich Carola Müller sicher. Grund dafür sind die Vegetationsarbeiten, die die Deutsche Bahn AG entlang der Bahntrasse vorgenommen hat. Die verläuft unmittelbar hinter dem Grundstück der Müllers. „Doch in der Vergangenheit hat man davon nicht viel mitbekommen“, erzählt die Familie. Meterhoch waren die Robinien, die einen natürlichen Sicht- und Lärmschutz bildeten.
Auch Alexandra Schmitjes wohnt mit ihrer Familie im Kreftenscheerweg. Seit 2002. „Sicherlich wussten wir, dass die Bahntrasse entlang unserer Grundstücksgrenze verläuft“, erzählt sie. „Sicherlich hat man im Sommer die fahrenden Züge auch gehört. Doch wir konnten damit leben, gut leben.“

Radikaler Rückschnitt

Der radikale Rückschnitt der Bäume und Hölzer hat auch sie geschockt. Das idyllische Fleckchen Erde, als das sie ihren Garten empfunden hat, gibt es nicht mehr. „Man kann von der Bahn aus direkt in unser Wohnzimmer schauen, die Privatsphäre ist für mich dadurch massiv beeinträchtigt“, berichtet sie. Daran kann auch der große Bambus-Topf, den der Ehemann als notdürftigen Sichtschutz in die Mitte der Holzterrasse geschoben hat, wenig ändern.
Mit Vertretern der Landschaftsbehörde und der Bahn haben sich zwölf Nachbarn in der vergangenen Woche vor Ort zusammengesetzt, um die getroffenen Maßnahmen und ihre Konsequenzen zu diskutieren. Bahnsprecher Franz Heumüller hatte bereits im Vorfeld auf Anfrage des Borbeck Kurier erklärt: „Wir sind unserer Verkehrssicherungspflicht nach dem BGB nachgekommen. Es wurden nur umsturzgefährderte und nach forstwirtschaftlicher Beurteilung erforderliche Gefahrenbäume gefällt.“ Rein rechtlich gesehen kann die Bahn so verfahren. „Fällungen dieses Ausmaßes sind nicht erfreulich, aber nicht unbedingt angreifbar“, bringt es Perdita Mergel auf den Punkt. Auch sie lebt am Kreftenscheerweg, ist dort ebenso wie Frank Müller aufgewachsen.

Anwohner wollen sich nicht mit Ist-Zustand abfinden

Dennoch wollen sich die Anwohner nicht mit dem derzeitigen Ist-Zustand zufrieden geben. „Tatsache ist, dass durch die Fällungen der direkte und natürliche Lärm- und Sichtschutz genommen wurde. Privatsphäre und Sicherheit der Grundstücke sind massiv beeinträchtigt“, so Mergel. Die Lebensqualität hat gelitten, da sind sich alle einig. „Und auch der Wert unserer Häuser.“ Klar ist, dass sich die geschaffenen Tatsachen kurzfristig nicht beheben lassen. „Doch es muss doch möglich sein, eine für alle Seiten tragbare Lösung zu finden“, so Perdita Mergel. Die Borbeckerin hat sich bereit erklärt, als Ansprechpartnerin die Informationen zwischen Bahn und Nachbarschaft zu koordinieren. Die Anwohner können sich vorstellen, in Absprache mit der Bahn eine gemeinsame Bepflanzung direkt hinter den jeweiligen Grundstücken vorzunehmen. „Man kann klären, welche Pflanzen zum einen den Sicherheitsaspekt für die Bahn, zum anderen den nachvollziehbaren Bedarf der Bewohner nach Sicht- und Lärmschutz möglich machen.“
Das wäre ein erster Schritt. Damit sind die Bedenken der Anwohner aber nicht komplett ausgeräumt. „Denn schon jetzt lässt sich feststellen, dass deutlich mehr Müll in unseren Gärten landet als das vor der Rodungsaktion der Fall gewesen ist“, erklären Carola Müller und Alexandra Schmitjes.

Bahn will Müll bis an die Gärten hin entsorgen

Die Vertreter der Bahn sicherten den Anwohnern zu, dass bei der kommenden Gleisreinigung der Müll bis an die Gärten hin entsorgt wird.
Weiteres Ärgernis für die Schönebecker ist die Schneise im kleinen Wäldchen am Dreigarbenfeld. „Nicht nur, weill zu befürchten ist, dass das Gelände zu einer wilden Müllkippe wird“, weiß Perdita Mergel, „es gibt auch sicherheitstechnische Bedenken.“ Bislang sollen zwei umgestürzte Bäume mit Flatterband Unbefugte vom Betreten der Gleisanlagen abhalten. „Eine Aufschüttung mit Altholz würde zwar der Bahn bei ihrer Aufgabe nach Sicherheit helfen, genügt aber nicht den Wohnbelangen der Nachbarschaft.“
Die Stadt will nun prüfen, ob durch die geschlagene Zufahrtsschneise städtisches Gelände betroffen ist. Sollte das der Fall sein, will man gemeinsam mit der Bahn eine Lösung herbeiführen. Die Anwohner werden die Bemühungen ganz sicher im Auge behalten. Denn mit dem Ist-Zustand wollen und können sie sich nicht abfinden.

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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