Rückblickend auf die vergangenen sechs Monate erzählt Jahrespraktikantin Nadima Kurbani in ihrer Halbzeit von ihren bisher gesammelten Erfahrungen
Kaum ein Beruf ist so abwechslungsreich wie der eines Journalisten. Vor allem, wenn man bei einer lokalen Zeitung beschäftigt ist. Man erweitert sein Wissen in den unterschiedlichsten Bereichen, bearbeitet vielfältige Themen. Mit dieser Einstellung begann ich mein Praktikum beim Stadtspiegel Essen. Und ich muss nach sechs Monaten sagen: Es ist wirklich so!
Seit dem Sommer 2014 lerne ich in der Essener Geschäftsstelle, Artikel zu schreiben (veröffentlichungstauglich!), Fotos zu schießen (keine Selfies!), Leute zu interviewen (hier ist Neugier Pflicht!), Seiten zu layouten und das Wichtigste (weil es mir persönlich am besten gefällt): Umfragen zu machen!
Ein bisschen schwierig war es anfangs schon, sich einzuleben, denn die Redaktion hat Ansprüche, und mit einem „Schulaufsatz-Schreibstil“ kommt man hier nicht voran. Aber man entwickelt sich weiter.
Dass meine Artikel veröffentlicht werden, betrachte ich immer noch als Ehre. Zumal ich erwartet hatte, zunächst nur die Arbeitskollegen mit Kaffee zu versorgen und Ordnung in die Zeitungsberge zu bringen. Glücklicherweise ist es aber spannender und abwechslungsreicher als gedacht.
Ich erinnere mich noch an den ersten Auftrag, den mir der „Kollege“ vom West Anzeiger (Redakteur Frank Blum) gab: „Dauer, Zweck und Bewegungsmöglichkeiten“ hieß der Artikel. Da ging es hauptsächlich um die Hintergründe der damaligen Baustellen auf der Altendorfer Straße. Ach ja, und eine Umfrage, inwieweit sich die Passanten von den Baustellen mobil beeinträchtigt fühlten, gehörte auch dazu. Das alles am ersten Tag.
Am nächsten Morgen war Frank - ja, wir duzen uns mittlerweile - überrascht über meine große Ausbeute an Befragten. Ich dagegen war irritiert. Sollte es denn anders sein? Schnell habe ich mir einen Ruf in der Redaktion gemacht: Die Umfragen-Spezialistin. Denn, wie ich bald erfuhr, Umfragen gehören nicht unbedingt zu den Lieblingsdisziplinen vieler Journalisten - zumindest ist das bei den Essener Mitarbeitern so -, vor allem, wenn das Wetter schlecht und die Laune bei den Passanten eher dürftig ist ...
In der Borbecker Redaktion fand ich meinen Hauptarbeitsplatz
Dort lernte ich auch die Redakteurin Christa Herlinger und Sara Holz, eine freie Mitarbeiterin, kennen. Bis heute teilen wir uns ein Büro. Für den dritten Arbeitsplatz haben wir sogar einen internen Umzug auf uns genommen.
Auch machte ich Bekanntschaft mit Winfried Winkler, einem unserer Fotografen. Zu fast jedem Termin eilt er mit seiner Kamera und „knipst“ ein Bild, um den Moment festzuhalten - für unsere lieben Leser. Und wenn er mal nicht zur Verfügung stehen kann, ist es auch kein Problem, denn schließlich kann auch ich (mehr oder weniger) Fotos schießen. Mit der Handhabung der Redaktionscam bin ich inzwischen jedenfalls mehr als vertraut. Geübt bin ich aber nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera: Mehrmals musste ich in den vergangenen Wochen für Geschichten und vor allem Reportagen Model stehen. Ein weiterer Berufsaspekt, mit dem ich vor Antritt meines Praktikums nicht gerechnet hatte.
Überhaupt hatte ich damals noch keine Ahnung, wie viel Mühe und Arbeit in einer Zeitungsredaktion investiert wird, um die Leser über die aktuelle Lage ihres Bezirkes, eben alle lokalen Geschehnisse, zu informieren.
Nach sechs Monaten aber kann ich wohl von mir behaupten, die nötigsten Schritte gelernt zu haben, um Teammitglied dieser Zeitung zu sein.
Dazu gehört natürlich auch die Organisation: Wann müssen die Ausgaben fertig sein? Wir veröffentlichen zweimal wöchentlich, immer mittwochs und samstags. An den Tagen davor also müssen alle Inhalte geschrieben und gelayoutet sein, sodass wir unser Werk der Druckerei zur Verfügung stellen können. Am Folgetag haben Sie dann (hoffentlich, wenn unsere Zeitungsverteiler ihren Job gut erledigen) ein frischgedrucktes Exemplar vor der Haustür liegen. Und für die Redakteure, Anzeigenverkäufer und alle übrigen Mitarbeiter geht der Kreislauf wieder von vorn los. So auch für mich. Zumindest noch bis zum Sommer. Denn bevor ich einmal längerfristig in die Branche einsteige, steht für mich erst einmal das Studium an.
Wie mich Naturkünstler, Schiffsbauer und eine Eisshow bestärkt haben, Journalistin werden zu wollen
Die schönsten Momente beim Stadtspiegel Essen sind die, wenn ich nicht im Büro sitze, sondern raus gehe, Termine wahrnehme und Menschen treffe.
Da habe ich zum Beispiel Verabredungen mit Buchautoren, Künstlern oder anderen kreativen Köpfen. Auf die freue ich mich besonders, denn von deren ganz speziellen Standpunkten kann ist meist auch etwas für mich selbst mitnehmen.
Eine von ihnen war die Künstlerin Else Kleinschmidt-Orths. „Wenn ich den Pinsel in die Hand nehme und mich mit der Farbe beschäftige, dann kann ich alles von mir lassen und mich voll und ganz meiner Leidenschaft widmen“, sagt sie. Sie ist fasziniert von Farben, die die Natur hergibt, und das macht ihre Werke so lebendig. Im Juni stellte sie eine Auswahl ihrer Bilder im Raum für Kunst am Kraienbruch aus. Warum ich unbedingt sie als Highlight sehe? Sie gibt ihren Werken keine Titel, weil sie meint, es könne die Kreativität des Betrachters einschränken. Sie gönnt es ihren Bildbetrachtern, in ihren Werken „spazieren zu gehen“, wie sie es nennt. Einen „Like“ (Grüße von der Facebook-Generation) hat sie sich von mir auf jeden Fall verdient. Ein weiterer Kandidat ist Michael Grüter. Sein Hobby, funktionsfähige Schiffsmodelle zu bauen, hat er seinem Großvater zu verdanken, der gelernter Schiffbauer im Zweiten Weltkrieg gewesen ist. Grüter selbst war Zeitsoldat. Fünf Jahre hat er für den Bau des Deutschen Schlachtschiffmodells Scharnhorst, woran er seit September 2013 arbeitet, einkalkuliert.
Dass er in seinem stressigen Alltag noch Zeit für seine Leidenschaft findet, beeindruckt mich. „Meistens verbringe ich zwei oder drei Stündchen von meiner freien Zeit in meinem Keller. Meist nach Feierabend oder am Wochenende widme ich mich voll und ganz dem Schiffsbau“, so der Modellbauer im Gespräch mir mir.
Der Gipfel war die Eisprinzessin
Immer wieder trifft man also auf Menschen, die einen daran erinnern, dass man seinen Leidenschaften folgen und sie ausleben soll. Damit inspiriert man nämlich nicht nur sich selbst, man strahlt dies auch aus und steckt andere damit an.
„Mich macht Eiskunstlaufen lebendig! Ich liebe es und es ist mein Traum!“, erklärte die fünffache deutsche Meisterin des Eiskunstlaufens Annette Dytrt im Interview - dem absoluten Gipfel, im positivsten Sinne, meines Jahrespraktikums. Bereits mit zwei Jahren stand sie auf dem Eis, und folgt damit ihrer „Passion“. Das ist übrigens zugleich der Titel der neuen Show von „Holiday on Ice“, in der sie einen Part übernommen hat (ich berichtete).
Dytrt ist der Meinung, Leidenschaft sei im Beruf unbedingt erforderlich, denn jeder stehe im Job in einem Spagat zwischen Leidenschaft und Druck. Erstere helfe dabei, die Belastungen - und die gibt es wohl in jedem Metier - zu meistern. Vielleicht auch ein guter Ratschlag für meine zukünftige Karriere.
Für das Interview mit der Eisprinzessin wurde ich extra ins holländische Utrecht eingeladen. Ich begleitete zwei Stadtspiegel-Gewinnerinnen auf ihrer exklusiven Reise zu den Proben der Show. Und nicht nur die amüsierten sich prächtig, als sie mit den Profis über das Eis liefen - auch ich kam in den Genuss dieser bleibenden Eindrücke. Ich bin kein Sportfan, aber eine tolle Erfahrung war es allemal.
Täglich etwas Neues zu erleben und dazu zu lernen, das ist es, was ich liebe. Von Natur aus bin ich ein neugieriger Mensch. Und seitdem ich Praktikantin beim Stadtspiegel Essen bin, bin ich sicher: das passt zu mir! Ich will Journalistin werden - ob mit Fokus auf einen Themenbereich, im Lokaljournalismus, ob bei der Zeitung, im Radio oder im Fernsehen, das wird sich noch zeigen.
Bis dahin erweitere ich meine journalistischen Fähigkeiten, auch wenn ich sicher noch den ein oder anderen Rüffel von den erfahreneren Kollegen einstecken muss. Aber aus Fehlern lernt man bekanntlich.
Autor:Nadima Kurbani aus Essen-Borbeck |
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