Philippusstift startet Modellprojekt für pflegende Angehörige
Für Angehörige ist die Pflege eines Familienmitgliedes häufig eine nervenaufreibende Angelegenheit; sie sind schnell überfordert. Dem will das Modellprojekt „Familiale Pflege“ entgegen wirken, an dem sich nun auch das Philippusstift in Essen-Borbeck beteiligt.
In Deutschland befinden sich 68 Prozent der Pflegebedürftigen in der häuslichen Pflege. 46 Prozent davon werden alleine von der Familie betreut, es gibt also keine Kurzzeitpflege durch externe Dienstleister. Doch die Belastung durch Beruf, Kinder und Pflege ist häufig zu groß für diese Familien. Sie sind in der Pflege zu wenig geschult, es existieren Unsicherkeiten und Abstimmungsprobleme.
Das von der Universität Bielefeld konzipierte und von der AOK finanziell unterstützte Projekt „Familiale Pflege“ setzt hier an und richtet sich an alle Angehörigen mit einem Pflegefall in der Familie. Bisher war es oft so, dass die Betreuung durch das Krankenhaus für den Patienten mit der Entlassung abgeschlossen war. Danach waren die Familien auf sich alleine gestellt. Dadurch sind zurzeit viele Verwandte in der häuslichen Pflege den Anforderungen an eine Pflegekraft nicht gewachsen und werden durch die enorme körperliche und psychische Belastung selbst zum Pflegefall. Es entsteht ein Teufelskreis, der nur mühsam durchbrochen werden kann.Das Modellprojekt will nun mithelfen, diesen Kreis zu verlassen und den Betroffenen selbst auch mal eine Auszeit von ihrem Engagement zu verschaffen.
Yvette Lietzau von der Universität Bielefeld zum Konzept: „Wir möchten mit dieser Idee von Heimpflege den Familien unter die Arme greifen und sie nicht gleich sich selber überlassen. Zum Programm gehören der Besuch von klinischem Fachpersonal bis sechs Wochen nach der Entlassung sowie spezielle, kostenlose Pflegetrainings für Angehörige und alle anderen Heimpfleger. Darüber hinaus werden Beratungsgespräche für pflegende Familienmitglieder angeboten. Dieses Konzept soll als eine Art Brücke zwischen der Entlassung aus dem Krankenhaus und heimischer Pflege verstanden werden. Es soll die Heimpfleger im Umgang mit den Betreuten schulen und ihnen Netzwerke zu anderen Pflegeorganisationen vermitteln.“
Nicht nur der Umgang mit den Kranken soll unterstützt werden, sondern auch die Angehörigen sollen lernen, auf sich selbst Acht zu geben und sich Auszeiten zu nehmen. Man möchte einer Isolation der Hauptpflegeperson entgegenwirken und eine Arbeitsteilung erreichen.
Der stellvertretende Regionaldirektor der AOK Rheinland, Ralf Toepelt, betont: „Noch ist der Übergang vom Krankenbett zur Heimpflege schlecht geregelt. Die Familien werden vor vollendete Tatsachen gestellt und kommen mit der neuen Situation nicht klar. Mit diesem Projekt möchten wir das verbessern und die Angehörigen in ihrer Arbeit mehr unterstützen als bisher.“
Im Essener Stadtgebiet nehmen fünf Krankenhäuser an diesem Projekt teil, insgesamt umfasst das Pflegemodell in NRW, Hamburg und Teilen Schleswig-Holsteins 250 Kooperationen mit Krankenhäusern. Im nächsten Jahr soll es auf ganz Schleswig-Holstein ausgeweitet werden. Im Philippusstift kümmern sich die Fachkrankenschwestern Regina Mutzenbach und Anke Most um die familiale Pflege und führen die Pflegebesuche bei den Patienten durch. Das kassenunabhängige Modell besteht seit 2004 und wird laufend weiterentwickelt.
Erste Kurse finden im November im Philippusstift statt. Informationen und Anmeldungen im Sekretariat unter Tel. 64 00 - 50 01 immer montags bis freitags von 8.30 bis 13 Uhr.
Von Sven Böttger
Autor:Lokalkompass Borbeck aus Essen-Borbeck |
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