Für Herbert Kintscher bedeutet Heimat mehr als Borbeck

Die meisten Menschen haben eine Heimat. Andere sind heimatlos. Herbert Kintscher gehört nicht zu ihnen. Für den Borbecker ist der Begriff Heimat gleich dreifach definiert. Seinen Weg von der ersten bis zur dritten Heimat, von der Diktatur zur Demokratie, hat der 80-Jährige in einem Buch niedergeschrieben: Lebenserinnerungen - so sein Titel.

Es sind sehr persönliche Erinnerungen, die Kintscher darin festgeschrieben hat und doch erzählen sie von einem Schicksal, das eine ganze Generation geteilt hat: Vom Krieg, von Flucht und Vertreibung, von schwierigen Neuanfängen und dem Gefühl, nach langer Reise wieder zu Hause angekommen zu sein.
Dass dieses zu Hause nicht mehr das seiner Kindheit ist, schmerzt den ehemaligen Bautechniker noch immer. In Freiburg, heute Swiebodczice, im Regierungsbezirk Breslau wurde Kintscher als viertes Kind seiner Eltern geboren. Viele Male hat er inzwischen die alte, seine erste, Heimat besucht, aus dem die Familie 1946 ausgewiesen wurde.
Nach der Ausweisung wurde die Familie in Blumenau im Erzgebirge ansässig. „Dort besuchte ich nach zwei Jahren dann auch erstmals wieder eine Schule“, erinnert sich Kintscher. 13 Jahre war er damals alt. „Ich kam in die letzte Klasse der Volksschule, an den Besuch einer weiterführenden Schule war durch die lange Unterbrechung aber nicht mehr zu denken.“
Die Erinnerung an Zeiten der Entbehrung, die Schwierigkeiten der Familie, sich nach der Ausweisung eine neue Existenz aufzubauen, eine Heimat zu finden und Wurzeln zu schlagen, all das möchte Kintscher in seinem Buch wachhalten.

Erinnerung wach halten für Kinder und Enkel

„Denn die verheerenden Auswirkungen des Krieges und der Diktatur verblassen immer mehr. Wenn es keine Augenzeugen oder direkt Betroffenen mehr gibt, dann wird diese Zeit nur noch in den Geschichtsbüchern erscheinen“, ist sich der Borbecker sicher.
Angefangen, seine Lebenserinnerungen niederzuschreiben, hat er bereits 1997.
„Ich war aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und hatte mir einen Computer zugelegt.“ Am PC entstanden erste Texte. „Nicht vollständig, aber dank der Technik konnte ich ja immer wieder Neues einfügen, Strukturen verändern.“ 1994 war er mit dem Ergebnis zufrieden, hat seine Memoiren in einfacher Fassung aufgelegt, selbst eingebunden. „Ganz privat, für meine Kinder, Enkel und Freunde.“
Aus dem Bekanntenkreis kam dann auch der Tip, das Manuskript doch einmal einem Verlag vorzulegen. „Ich habe es noch einmal komplett überarbeitet und mit der Deutschen Literaturgesellschaft dann auch schnell einen interessierten Verlag gefunden“, erinnert sich Kintscher.
In diesem Jahr sind die Lebenserinnerungen des Borbeckers, der 1954 seine dritte Heimat in Essen gefunden hat, in gebundener Form erschienen, wurden im September auf der Buchmesse in Frankfurt vorgestellt. Vom 13. bis 16. März nächsten Jahres findet die internationale Buchmesse in Leipzig statt. Auch da werden die Lebenserinnerungen des Borbeckers präsentiert.

Lebenserinnerungen - Der Weg von der Diktatur zur Demokratie. Die verlorene Heimat. ISBN 978-3-86215-347-3.

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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