Cola zum Frühstück

Gesunde Lebensmittel sollen verstärkt auf den Tisch, das demonstriert Moby Dick den Kindern. Foto: privat
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Ein Spaziergang durch den Wald? Zum Austoben ein Klettergerüst? Und als Nachspeise ein Stück Obst? Da greifen viele Kinder doch lieber zu Sofa, Spielkonsole und Schokolade. Aber das macht nicht nur dick, sondern meist auch unglücklich, wissen die Fachleute von Moby Dick.

Deshalb setzt das Essener Programm auch ganzheitlich an, fängt übergewichtige Kinder auf, arbeitet mit ihnen an Ernährung, Bewegung, aber eben auch grundsätzlichen Verhaltensmustern und Psyche. „Denn aus übergewichtigen Kindern werden oft übergewichtige Erwachsene“, weiß Helen Reckhenrich-Reschke, Projektleitung und Team-Management Moby Dick Essen. Und haben es als Erwachsene dann naturgemäß wesentlich schwerer, wieder zu einem Normalgewicht zurückzufinden. Kilos wachsen sich eben nicht immer mit dem Alter aus. Und oft stecken hinter dem Übergewicht seelische Probleme und Konflikte, die es möglichst früh zu lösen gilt.
Ein sieben- bis zehnköpfiges Team aus qualifizierten Ernährungswissenschaftlern, Sozialpädagogen und Sportwissenschaftlern betreut deshalb die Kinder und Jugendlichen zwischen 9 und 15 Jahren während ihrer Zeit im Gesundheitsprogramm Moby Dick Essen. Über sechs Monate läuft eine Gruppe, die sich einmal wöchentlich für drei Zeitstunden trifft. Der Kurs umfasst eine ausgewogene Mischung aus Theorie und Praxis und auch die Eltern werden in das Programm eingebunden.
„Eine Einheit beschäftigt sich zum Beispiel mit Süßigkeiten“, berichtet Dipl. Oecotrophologin Birgit Benner. „Dann reflektieren die Kinder erst einmal, welche Süßigkeiten sie essen, in welchen Mengen und vor allem in welchen Situationen.“ Oft seien es Frust, Enttäuschung oder schlicht Langeweile, die den Griff zu den Bonbons ausmachten. Wichtig sei es, da Alternativen zu schaffen, und zwischen Hunger und Appetit unterscheiden zu lernen. Zum Lernprozess gehört hier ein Essensprotokoll, die eigene Herstellung eines Cola-Getränkes - die bei vielen Kindern rund um die Uhr als Hauptgetränk dient - sowie eine Rallye durch den Supermarkt mit Etiketten-Kunde.
Andere Themen der Treffen sind zum Beispiel Fette und Fast Food, Kochen, nonverbale Kommunikation und Gefühle und natürlich auch viele Bewegungseinheiten, nicht nur Sport in der Halle sondern auch mal Walken oder Schlittschuhfahren. Da entdeckt das ein oder andere Kind im Gegensatz zu Schulsportstunden erstmalig echten Spaß an Körperbewegung. „Und viele Teilnehmer machen nach den sechs Monaten in einem Sportverein weiter“, fühlt sich die Leiterin im Erfolg der Arbeit bestätigt.
Moby Dick Essen arbeitet in enger Kooperation mit niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten, Schulen, zahlreichen Sportvereinen und anderen Einrichtungen. Nur so können Kontakte zu betroffenen Familien aufgebaut werden. Und auch die Räumlichkeiten werden zumeist von Schulen gestellt - schließlich müssen Sporthalle und auch Küche zur Verfügung stehen. Aktuell wird da etwa mit der Gesamtschule Bockmühle kooperiert, aber auch die Kita Dachsfeld in Dellwig und andere Schulen sind Partner.
Der Erstkontakt zwischen Moby Dick Essen und interessierten Familien erfolgt meist telefonisch. „Dann gibt es oft direkt eine sehr umfassende Beratung“, so Reckhenrich-Reschke. Besprochen werden Kursinhalte, -termine (die von einer gewissen Personenanzahl abhängig sind und oft erst kurzfristig festgelegt werden können), natürlich angestrebte Ziele - nämlich eine langfristige Stabilisierung des Körpergewichts - sowie Formalia, so etwa die Notwendigkeit einer ärztlichen Verordnung, der Antrag auf Bezuschussung etc. . Auch wird abgeklopft, ob bei den Kindern eigener Wille und bei den Eltern die nötige Unterstützung vorhanden ist, denn auch diese müssen Interesse und Zeit investieren. Denn nur so kann sich ein Erfolg einstellen und am Ende ein selbstbewusstes, im besten Falle leichteres Kind aus dem Programm hervorgehen.

Drei Fragen an ... Helen Reckhenrich-Reschke

1. Der Trend zu Übergewicht bei Kindern steigt. Welche Faktoren führen dazu?
Eine entscheidende Rolle, warum Kinder an Übergewicht leiden, spielen die Faktoren ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und seelische Probleme.

2. Welche Ziele verfolgt Moby Dick Essen?
Das Ernährungsverhalten soll verbessert werden, den Kindern wird Freude an Bewegung vermittelt, wir versuchen den Zusammenhang von Stimmungen und Essverhalten zu verdeutlichen und möchten das Selbstwertgefühl der Kinder stärken, indem Potentiale gefördert werden.

3. Welche Rolle spielen dabei die Eltern?
Sie müssen die diversen Einflussfaktoren auf das Gewicht begreifen, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst werden und ihre Kinder langfristig unterstützen.

Hintergrund
Moby Dick entstand erstmalig vor rund 15 Jahren in Hamburg als Pilotprojekt und wird noch immer als Reha-Programm angeboten. Auch in Berlin, im Saarland und anderen Orten wurde Moby Dick gestartet, musste aber mittlerweile wieder aufgegeben werden.
Helen Reckhenrich-Reschke führt als leitende Kraft das Gesundheitsprogramm in Essen mittlerweile im siebten Jahr. Anfangs als Schnupperkurs angelegt und mit großen Weiterfinanzierungsschwierigkeiten, konnte sie mittlerweile Krankenkassen ins Boot holen, welche die für die Teilnehmer anfallenden Kosten für das ambulante Langzeitprogramm zu großen Teilen mittragen.

Autor:

Sara Drees aus Dortmund

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