Bahnhof Borbeck: ein pompöser Empfang!
Die Empfangshalle des Bahnhofs bereitet Besuchern in Borbeck eine besondere Begrüßung. Das verdankt der Stadtteil Jürgen Becker, der das Gebäude zur Jahrtausendwende gekauft und saniert hat, und bis heute auf den Zustand des Schmuckstücks achtet.
„Der Bahnhof Borbeck ist wunderschön!“ Da sind sich Besitzer Jürgen Becker und Andreas Koerner vom Kultur-Historischen Verein Borbeck einig. Ein Gebäude wie der Bahnhof hat heutzutage Seltenheitswert, denn inzwischen betreibt die Deutsche Bahn nur noch sogenannte Haltepunkte, an denen Passagiere in der Regel bloß bezahlen und einsteigen können: „Die alten Bahnhöfe hatten immer einen Empfangscharakter“, erklärt Geschichtsexperte Andreas Koerner. So auch der Bahnhof Borbeck.
Vom Fahrkartenschalter bis zur Polizeistation
Am 1. Dezember 1872 richtete die Rheinische Eisenbahngesellschaft die Strecke von Mülheim-Heißen über Abzweig Schönebeck und Borbeck nach Frintrop ein; zunächst aber nur für den Güterverkehr, erst ab 1879 auch für Personen. Die Gleise befanden sich damals dort, wo heute die Heinrich-Brauns-Straße ist.
Das änderte sich im Jahr 1908, als die Bahn anfing, die Strecke oben auf den Damm zu legen: „Im Anschluss wurde das neue Gebäude errichtet. Der Bahnhof, wie er heute steht, war im Jahr 1911 fertig“, erklärt Koerner. Im Gegensatz zu heutigen Haltepunkten war der Bahnhof ein mit Leben pulsierender Ort: So gab es neben der Empfangshalle einen Fahrkartenschalter, eine Polizeistation, Wartehallen für die 1. und 2. sowie 3. und 4. Klasse, einen Nichtraucher-Bereich und eine Gepäckabfertigung. Zu dieser Zeit war eine bestimmte Mischung verschiedener Stilrichtungen modern: „Große Dächer, dicke Säulen – man hatte einen Sinn für Gewaltiges. Eine Art Pompös-Stil“, schmunzelt Koerner.
Mit Verlegung der Gleise und Bau des neuen Bahnhofsgebäudes wurden auch die Strecken erweitert und ergänzt: Zusätzlich zur Rheinischen führte auf den sieben Doppelgleisen für Güter- und Personenverkehr eine neue Route von Oberhausen über Borbeck nach Essen. Im Jahr 1922 wurde die Strecke von Essen über Borbeck und Dellwig-Ost nach Bottrop geschaffen. Seit Errichtung des Bahnhofgebäudes 1911 ein Thema: die Fußgängerunterführung. Der Durchbruch vom Bahnhofsvorplatz zur Fürstäbtissinenstraße wurde erst im Jahr 1992 im Zuge einer umfangreichen Sanierung gemacht. Gleichzeitig wurde der gesamte Bahndamm schlanker gestaltet und der Busbahnhof gebaut.
Gemälde mit Borbecker Motiven
Dass die Bahnhofsvorhalle für die Deutsche Bahn mit der Zeit einen enormen Bedeutungsverlust erfuhr, war zur Jahrtausendwende unübersehbar: Das Gebäude war leer und verkommen, in der Luft stand Uringeruch, auf dem Boden klebte Taubendreck und die kahlen Wände zierten nur Graffitis. Das brachte Jürgen Becker auf den Plan: „Ich habe den Bahnhof damals gekauft, weil er unmöglich aussah. Und der Bahnhof wirft immer ein Bild auf den Stadtteil.“ Becker wollte etwas für Borbeck tun und erstand das Gebäude für 690.000 DM. Sofort machte er sich an die Sanierung des Bahnhofs: „Zum einen habe ich das ganze Gebäude renoviert, zum anderen habe ich das Bild in Auftrag gegeben, das dort jetzt hängt. Die hochwertige Restaurierung wurde bewusst gewählt, um zu zeigen, dass es nicht nur bergab gehen darf, sondern dass es auch in der anderen Richtung gehen muss. Die Ausmalung der Empfangshalle wurde von der Borbecker Firma Berchem Restaurierungen aus dem Weidkamp geplant und ausgeführt“, berichtet Becker.
Der in diesem Jahr verstorbene Adolf Lohmann übernahm die Gestaltung des Gemäldes. Auf dem Kunstwerk fügte Lohmann alte Borbecker Motive zusammen: Zu sehen sind unter anderem Schloß Borbeck, St. Dionysius, der Steenkamp Hof, Schacht Kronprinz und Vossgätters Mühle. Das Gemälde entstand über acht Monate in der Alten Cuesterey: „Das war eine sehr schöne Zeit“, erinnert sich Becker, „die Leute kamen, haben Lohmann über die Schulter geschaut und sind mit ihm ins Gespräch gekommen.“ Am 12. April 2001 wurde der sanierte Bahnhof unter Anwesenheit des damaligen Oberbürgermeisters Wolfgang Reiniger eingeweiht.
Bahnhof wirft Bild auf den Stadtteil
Wo früher die Wartehallen für Fahrgäste 1. und 2. Klasse waren, ist heute Zug um Zug. Wo früher der Nichtraucher-Bereich war, ist heute die Taxi-Zentrale. Ab und an gibt es in der Bahnhofshalle Konzerte, Veranstaltungen oder Ausstellungen: „Wer die Halle dafür nutzen möchte, soll sich gerne melden. Es kostet kein Geld“, lädt Becker ein. Dabei führt der Bahnhofs-Besitzer einen täglichen Kampf gegen Vandalismus: „Es ist traurig. Wir machen den Bahnhof jede Woche einige Male sauber, sonst sähe es dort schlimmer aus. Wir haben da vier Abfallkörbe drin und die Leute schmeißen es trotzdem daneben.“ Becker ist von seiner Investition aber bis heute überzeugt: „Der Bahnhof ist positiv für den Stadtteil. Und wenn Leute kommen, sind sie vom Bahnhof immer beeindruckt.“ Kein Wunder, schließlich bietet er einen wirklich pompösen Empfang in Borbeck.
Autor:Alexander Müller aus Essen-Borbeck |
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