Gold in Berlin: Essener macht Arthur Abele zum Europameister!
Als erster Deutscher bei der diesjährigen Europameisterschaft in Berlin stieg Arthur Abele mit 8.431 Punkten auf den höchsten Podiumsplatz. Sein unglaubliches Comeback nach zahlreichen Rückschlägen und Verletzungen verdankt Abele auch Christopher Hallmann, der den ältesten Goldmedaillengewinner der Zehnkampf-Geschichte seit 2013 trainiert. Der gebürtige Essener startete seine steile Karriere in der Jugend von Grün-Weiß Schönebeck und übernimmt nächstes Jahr den Bundestrainerposten.
„Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.“ So das Motto von Hannibal Smith aus der 80er-Jahre TV-Serie „Das A-Team“, wenn aus akribischen Vorbereitungen ein stimmiges Gesamtbild, ein Erfolg wird. Zur Belohnung zündet sich der Vietnam-Veteran mit breitem Grinsen eine Zigarre an. Die hätte vergangenen Mittwochabend Christopher Hallmann gut gestanden, als Zehnkämpfer Arthur Abele nach der letzten Disziplin, den 1.500-Metern, die Ziellinie überquerte und als erster Deutscher bei der Leichtathletik-EM Gold holte. Seit 2013 trainiert der gebürtige Essener Hallmann den neuen Europameister und führte Abele in dieser Zeit zum bisherigen Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn.
Trainer und Schützling haben ein besonderes persönliches Verhältnis, denn Hallmann war ebenfalls aktiver Zehnkämpfer. Nur drei Jahre trennen den ehemaligen (35) und den aktiven Leistungssportler (32): „Ich war damals noch zusammen mit Arthur im Trainingslager, auf dem gleichen Zimmer“, erinnert sich Hallmann, „früher sind wir in Wettkämpfen gegeneinander angetreten.“
Viel mehr geht nicht
Auf die Tartanbahn ging‘s für Hallmann selbst seit der Grundschule. Eine Lehrerin hatte sein Talent bei Lauf- und Sprintspielen entdeckt, in der Jugend stand der 35-Jährige für Grün-Weiß Schönebeck im Startblock. Bis 2007 lebte Hallmann in Essen, trat für den TV Gladbeck 1912 an und begann sein Studium der Sportwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Eine Verletzung bedeutete einen Bruch in der Karriere: „Ich hatte ein wenig den Faden verloren und wollte einen anderen sportlichen Akzent setzen“, erinnert sich der ehemalige Leistungssportler. Hallmann wechselte Trainer und Studienort, zog nach Hamburg und machte dort seinen Abschluss. Kurz schaffte er den Weg zurück in den Zehnkampf und wurde 2010 für den Ahrensburger TSV in der Halle Deutscher Meister.
Nach erneutem Verletzungspech entschloss sich Hallmann, seine aktive Laufbahn zu beenden und arbeitete zunächst als Athletiktrainer im Hockey. Weihnachten 2012 kam ein Anruf von Cheick-Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport des Deutschen Leichtathletikverbands, und Hallmann wurde im Bundesstützpunkt in Ulm Landestrainer Baden-Württemberg. Nach den Olympischen Spielen in Rio 2016 wurde dann eingestielt, dass er den Bundestrainerposten von Rainer Pottel übernehmen wird. Im Frühjahr 2019 ist es soweit, das Fundament steht: „Ich habe mir in Ulm eine tolle Trainingsgruppe aufgebaut“, ist Hallman überzeugt. Zweimal am Tag wird die Mannschaft um Arthur Abele, Matthias Brugger, Tim Nowak und Manuel Eitel zum Training gebeten.
Papp-Krone, echte Tränen
Zehnkampf gilt dabei als Königsdisziplin der Leichtathletik. Die Athleten müssen vielseitig sein und enorme Anforderungen an Körperbau und Muskulatur erfüllen. Außerdem brauchen sie einen langen Atem. Wenn der erste Sprung, der erste Wurf sitzt, verzichtet man auf die weiteren zwei Versuche: Die Kräfte müssen geschont werden. Das gelang Europameister Abele in der Vergangenheit selten. Verletzungen stoppten den seit mehr als zehn Jahren erwarteten Aufstieg eines neuen Sterns am Zehnkampf-Himmel: „In seiner Sturm-und-Drang-Phase wollte Arthur immer mit dem Kopf durch die Wand und hat eher zu viel gemacht“, weiß Hallmann. Der Bundesstützpunkttrainer fuhr eine andere Strategie und setzte die Gesunderhaltung an allererste Stelle: „Wenn er verletzt ist, bringt das auch nichts. Besser zwei, drei Prozent vom Maximum wegnehmen, als alles rauszuquetschen und einen Schritt zu weit zu gehen. Das ist eine der Erfolgsformeln.“
Diese Erfolgsformel ist aufgegangen. Als Abele am Ende von Tag eins auf dem zweiten Platz steht, wissen sowohl er wie auch Hallmann: Die stärksten Disziplinen kommen erst. Kein Zehnkämpfer kann in allen richtig gut sein, Abeles Steckenpferd sind Speerwurf und Hürdenlauf. In diesen Momenten funktioniert der Plan, nimmt die gemeinsame Vorbereitung Gestalt an: „Wir haben eine Idee, wie der Zehnkampf laufen soll. Ich weiß, Arthur schmeißt 68 Meter Speer. Wir kommen dahin und er schmeißt 68 Meter Speer. Das ist der Ritterschlag.“ Sieben persönliche Saisonbestleistungen legt Abele vor den über 38.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion und dem Millionenpublikum an den Fernsehgeräten hin und kürt sich zum König der Zehnkämpfer, zum verdienten Europameister 2018. Die Krone ist aus Pappe, aber die Tränen sind echt: „Das war ganz wertvoll, ganz emotional für uns“, gerät auch Hallmann Tage später noch ins Schwärmen, „wir haben uns lange damit identifiziert und Arthur hat lange an sich geglaubt.“ Während Abele den Gefühlen freien Lauf lassen kann, muss Hallmann stets einen gewissen Abstand wahren, die Geschehnisse auf der Meta-Ebene beleuchten und den Blick in die Zukunft werfen: „Aber jetzt genieße ich einfach.“
Sonntag ging‘s für Abele zurück nach Ulm, Hallmann trat die Heimreise einen Tag später an. Der Sieg in Berlin könnte ein Anfang sein: „Wenn der Körper hält, mache ich bis 2020 weiter“, versprach Abele schon vor dem sensationellen Gewinn der Europameisterschaft. Mit Hallmann an seiner Seite könnte das klappen. Und vielleicht steht in drei Jahren der älteste Olympische Goldmedaillen-Gewinner in Tokyo auf dem obersten Treppchen.
Autor:Alexander Müller aus Essen-Borbeck |
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