FairPlayLiga-Erfinder Klohr: Kinderfußball ist keine heile Welt
Im Amateurfußball sinkt die Hemmschwelle und es kommt vermehrt zu verbaler und körperlicher Gewalt. Mit dem 1. Fachtag FairPlayLiga wollen Stadt Essen, Fußballverband Niederrhein, Universität-Duisburg Essen und Essener Chancen am 28. Januar im Stadion Essen durch Aufklärungsarbeit ein Zeichen gegen Gewalt auf dem Platz setzen. Erfinder der FairPlayLiga, die in Essen seit vier Jahren von Bambini bis E-Jugend gespielt wird, ist Ralf Klohr. Der für sein Wirken vom DFB ausgezeichnete Fußballenthusiast besucht am 28. Januar ebenfalls die Hafenstraße und erklärt im Interview, warum der 1. Fachtag Version 2.0 seiner Idee ist.
Sie haben – sozusagen auf dem Reißbrett – das komplizierte System entwickelt, das mittlerweile in vielen Kreisen Erfolge feiert: die FairPlayLiga im Kinderfußball.
Ralf Klohr: (lacht) Kompliziert? Einfacher als die FairPlayLiga geht es gar nicht! Mein Ziel war nur, im Spielbetrieb etwas zu verändern. Der Fußball als Ganzes hat sich in den letzten 20 Jahren rasend schnell entwickelt, der Kinderfußball aber nicht. Damals hat man den Kindern ein System aus Jugend- und Erwachsenenfußball übergestülpt, sie im Wettkampf spielen lassen. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten bei Eltern und Trainern. Dabei wollen Kinder spielen. Wir Eltern haben noch über die Partie geredet, als die Kinder schon längst etwas ganz anderes gemacht haben.
Also sind Eltern und Trainer das eigentliche Problem?
Klohr: Grundsätzlich wollen alle das Beste für die Kinder. Aber Fußball ist etwas Besonderes: Wenn der Ball rollt, setzt der Verstand aus. Eltern und Trainer verlieren die Balance, sehen Kinder nicht mehr als Kinder. Die kriegen das mit. Gleichzeitig ist die Hemmschwelle immer weiter gesunken. Es gibt zwar nicht viel körperliche, aber jede Menge verbale Gewalt. Auch der Kinderfußball ist keine heile Welt.
Trotzdem war gerade eine physische Eskalation aus dem Jahr 2005 für Sie wegweisend. Was ist damals geschehen?
Klohr: Im Fußballkreis Aachen gab es eine Schlägerei bei einem F-Jugendspiel: Eine Schlägerei von Eltern, vor den Augen ihrer acht- bis neunjährigen Kinder, wegen einer Schiedsrichterentscheidung. Ich war so schockiert, dass ich zunächst meine eigene Jugendarbeit in Frage gestellt habe. Für mich gab es zwei Möglichkeiten: Entweder ich höre auf oder ich verändere etwas!
Sie haben sich für die zweite Variante entschieden. Wie hat sich die Idee der FairPlayLiga entwickelt?
Klohr: Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, wie man den Kinderfußball besser machen kann. Warum ist dort so eine Unruhe? Wir haben drei Störfaktoren gefunden. Die Eltern bringen viel Druck ins Spiel, die Trainer bringen viel Druck ins Spiel und der Schiedsrichter wird oft angefeindet. Aus den drei Störfaktoren wurden drei Regeln. Früher standen die Eltern immer um das Feld herum und haben reingeschrien. Jetzt müssen sie Abstand halten. Es ist viel, viel ruhiger. Ebenfalls entscheidend ist, die Trainer zusammenzustellen. Nur so können die überhaupt einmal miteinander kommunizieren und blöken sich nicht nur an. Schließlich gibt es keine Schiedsrichter. Die Kinder tragen selbst die Verantwortung für das Gelingen des Spiels.
Ihr Ziel war, diese Regeln der FairPlayLiga in den regulären Spielbetrieb zu implementieren. Sicher keine leichte Aufgabe. Gab es viele Widerstände?
Klohr: Zuerst haben wir das mit unserem Verein ausprobiert, danach mit einem befreundeten Klub. Das hat super funktioniert! Dann haben wir die Idee im Kreisjugendausschuss des Fußballkreis Aachen vorgestellt. Im Jahr 2007 ist im regulären Spielbetrieb ein Pilotprojekt mit zwölf freiwilligen Vereinen gestartet. Auch das hat wunderbar funktioniert. Erst als wir in der gesamten F-Jugend des Fußballkreis angefangen haben, gab es Schwierigkeiten. Viele wollen Fußball- und nicht Kindertrainer sein. Dann möchte man das Spiel gewinnen. Man handelt nicht mehr kindorientiert, sondern siegorientiert.
Dann passiert es halt, dass man nur die Stärksten spielen und Unfairness laufen lässt.
Nicht nur Essen kämpft mit der von Ihnen angesprochenen sinkenden Hemmschwelle. Kann die FairPlayLiga auch im Jugend- und Erwachsenenfußball helfen?
Klohr: Unser Wunsch ist, dass die Kinder mit der FairPlayLiga anfangen zu spielen. Aber nicht nur die Kinder: Auch die Trainer fangen da an und die Eltern fangen da an. Gemeinsam wachsen sie hoch und gehen in den Jugendfußball. An genau dieser Schwelle stehen wir. Weil aber nicht alles funktioniert, gibt es den 1. Fachtag.
Die FairPlayLiga ist an vielen Orten etabliert, wurde mit zahlreichen Preisen geehrt und wird selbst in Essen schon seit vier Jahren gespielt. Welche Bedeutung hat da der 1. Fachtag?
Klohr: Manche wollen die FairPlayLiga absolut nicht, akzeptieren es nicht. Jetzt packen Stadt Essen, Fußballverband Niederrhein, Universität Duisburg-Essen und Essener Chancen das Thema an – das wird zu mehr Akzeptanz führen! Die so gewonnene Qualität gibt der Aktion ein ganz anderes Standing. Was da am 28. Januar in Essen passiert, ist für mich die FairPlayLiga 2.0.
Autor:Alexander Müller aus Essen-Borbeck |
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