Ein starker Typ: Borbecker Kraftsport-Oldie stemmt mit 72 Jahren locker 120 Kilo
Zweimal in der Woche ist Hartmut Rath abends für nichts zu haben. Da hat das Fernsehprogramm keine Chance. Wenn trainiert wird, dann wird trainiert. Da kennt der Borbecker Kraftsportler nichts. Trainer Hermann Wibbe sammelt seinen Schützling in Borbeck-Mitte ein, gemeinsam geht es dann zur Haus-Berge-Straße. In der mehr als 100 Jahre alten Sporthalle auf dem Gelände des TuS 84/10 werden dann die Kilos gestemmt. Zwischen sechs und acht Tonnen sind es, die Rath in Summe dann Mal für Mal hebt.
Der erfolgreiche Sportler des KSV Borbeck kam erst im Alter zum Bankdrücken. "In meiner Jugend habe ich relativ gut Fußball gespielt, später dann auch Kampfsport betrieben", verrät er. Mit dem Enkel lernte er den KSV Borbeck kennen. Begann in der Gruppe zu trainieren. Irgendwann wollte er es aber wissen, sich in Wettkämpfen mit Sportlern anderer Vereine messen. Direkt seinen ersten Wettkampf konnte Rath gewinnen. Inzwischen hat er daheim einen ganzen Schrank voller Pokale und Medaillen. 2016 gelang ihm mit 132,5 Kilo sogar der Weltrekord in seiner Altersklasse. Auch deutsche Meistertitel hat der Borbecker gewonnen.
Konkurrenz beim Dortmund Cup hatte keine Chance
Dann setzte ihn eine Verletzung für Monate außer Gefecht. Beim diesjährigen Dortmund Cup trat er nach längerer Pause - die Schulter spielte nicht mit - mal wieder bei einem Wettkampf an. 120 Kilo schaffte Rath, war damit in der Gewichtsklasse bis 83 Kilo wieder einmal nicht von der Konkurrenz zu schlagen.
Doch von nichts kommt nichts. Hartmut Rath ist diszipliniert, beim Training und auch in Sachen Ernährung. Kein Süßes, wenig Fett - so sieht der Speiseplan des 72-Jährigen aus. Zum Abendbrot gibt's neben Brot einen Eiweiß-Shake mit Quark und Haferflocken. "Mein Arzt ist sprachlos, wenn er meine Blutwerte sieht", freut sich der ehemalige Bergmann. Auch sein Trainer hat nur eine Erklärung: "Hartmut hat einfach vergessen, seinen Knochen zu verraten wie alt er ist."
"Wenn der Kalk sich meldet, muss er bewegt werden"
Der erfolgreiche Bankdrücker hat für seine Fitness eine ganz andere Erklärung: "Wenn der Kalk sich meldet, ist es höchste Zeit, dass er bewegt wird." Wie wichtig regelmäßiges Training ist, hat Hartmut Rath nach seiner Verletzung gemerkt. "Ich musste längere Zeit aussetzen, hatte dadurch nicht nur Probleme mit der Schulter. Auch der Rücken hat sich gemeldet." Schmerztherapie, regelmäßige Spritzen - gewirkt hat das alles nicht. "Erst als ich wieder regelmäßig zu trainieren begonnen habe, waren die Schmerzen weg. Auch die im Rücken."
Die Wettkampfergebnisse des bärenstarken Seniors sorgen bereits nach dem ersten Wettkampfauftritt wieder für Schlagzeilen. Derzeit bereitet sich Rath mit seinem Trainer auf die Bezirksmeisterschaften Niederrhein am 9. Juni in Essen vor. Auch die Landesmeisterschaften im Oktober hat er schon im Kalender stehen. Bei den Deutschen Meisterschaften am 17. November im bayrischen Frauenau hat der Borbecker zwar beste Chancen auf den Titelgewinn, der zum Start bei Europa- und Weltmeisterschaft im Bankdrücken berechtigen würde, "doch ob ich die Reise nach Frauenau finanziert bekomme, muss ich erst noch abwarten", so der Rentner.
Trainingsfleiß und enorme Grundkraft
Dass er auch mit Ü70 bei den starken Männern mitmischen kann, ist nicht nur Trainingsfleiß. "Hartmut besitzt eine enorme Grundkraft", weiß sein Trainier. Kombiniert mit großem Ehrgeiz und einem starken Willen wird ein Erfolgsrezept draus.
Das hat sich für den 72-Jährigen nicht nur im Sport bewährt. Seine berufliche Tätigkeit als Bergmann musste Rath nach einem schweren Arbeitsunfall aufgeben. Das linke Handgelenk lädiert, am Zeigefinger fehlt die Kuppe, der kleine lässt sich nicht mehr bewegen. "Ich lag Monate lang im Krankenhaus", erinnert sich Rath an die schwere Zeit. Seiner Mutter hat er es zu verdanken, dass er als junger Mann nicht seine Hand verlor. "Sie hat die Ärzte bekniet, alles zu versuchen."
Nach dem Training wartet ein kühles Bier
Der Essener ließ den Kopf nicht hängen, schulte um, arbeitete als Gas- und Wasser-Installateur, als Dachdecker und ging sogar für einige Jahre in den Schwarzwald. Als Arbeiter in einem Spanplattenwerk.
Seit 30 Jahren lebt Hartmut Rath nun schon in Borbeck. Derzeit sucht er für sich und seine Frau nach einer neuen Wohnung. Im Erdgeschoss. "In Borbeck möchte ich auch gerne bleiben", verrät er. Nicht zuletzt wegen der tollen Trainingsgemeinschaft beim KSV. Nach dem Sport sitzen Hartmut Rath und seine Kollegen gerne noch bei einem Bier zusammen. "Einem alkoholfreien, versteht sich", erklärt der Kraftsportler augenzwinkernd.
Autor:Christa Herlinger aus Essen-Borbeck |
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