AWO-Fanprojekt hat sich in der „Melches Hütte“ eingelebt

Im Mai feierten die Fanprojekt-Betreuer mit Oberbürgermeister Reinhard Paß sowie Vertretern von AWO, RWE und den Fans die  „Melches Hütte“-Eröffnung. Foto: Gohl
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  • Im Mai feierten die Fanprojekt-Betreuer mit Oberbürgermeister Reinhard Paß sowie Vertretern von AWO, RWE und den Fans die „Melches Hütte“-Eröffnung. Foto: Gohl
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In einem Container hausen möchte ja eigentlich niemand so gern. Doch der Ausblick entschädigt Claudia Wilhelm und Roland Sauskat: Nur wenige Schritte entfernt liegt das Stadion Essen, in dem „ihr“ RWE beheimatet ist.

„Ich war und bin selbst Fan“, ist Sauskat, der Sport und Sozialwissenschaft studiert hat, mit vollem Herzen dabei. Doch seine Beziehung zum Verein Rot-Weiss Essen beginnt und endet nicht mit den Wochenenden, sondern gehört längst zu seinem Alltag. Beruflich kümmert er sich seit den ersten zarten Anfängen 1995, zunächst als ABM-Kraft, von 1997 bis 1999 dann ehrenamtlich, mit der Kollegin Woche für Woche darum, dass in Essen „Fan-Sein“ aktiv gelebt werden kann, jedoch möglichst ohne dabei völlig aus dem Ruder zu laufen.
„Aber ich bin nicht bei der Polizei“, betont der Fanprojekt-Betreuer. Sein Job ist es nicht, mit allen Mitteln für Ordnung zu sorgen und Sanktionen auszusprechen. Im Gegenteil: Fast wie ein stiller Beobachter nimmt er Teil an den Projekten, die Essens „Ultras“ auf die Beine stellen. Wilhelm und Sauskat sind oft dabei, wenn sich die Hardcore-Fans zu Auswärtsspielen etwa zusammentun, lange Fanmärsche veranstalten. Und vor allem bei den Vorbereitungen, denn unter anderem hierfür stellt ihr Projekt ja schließlich die Räumlichkeiten.
Seit Mai ist das die „Melches Hütte“ an der Hafenstraße 99a, am Fuße des Stadions. Der rund 250 Quadratmeter große Containerkomplex ist zum Treffpunkt für RWE-Fans geworden, nachdem im neuen Stadion keine entsprechenden Räumlichkeiten mehr geschaffen wurden. „Hier, an den Tischen, entstehen zum Beispiel die Slogans, die Plakate und Fahnen“, wissen die Mitarbeiter genau, was ihre Heranwachsenden so treiben. „Hier wird besprochen, was man zu den kommenden Spielen so plant.“ Auch verbotene Aktionen, Pyro-Einsätze, kommen dabei natürlich manchmal zur Sprache. „Aber da können wir nichts machen“, betont Wilhelm ihre bewusst defensive Haltung.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen erziehen, beurteilen, was richtig und falsch sei und im Zweifelsfall Maßnahmen einleiten, dafür seien andere Instanzen verantwortlich, teils auch grundlegende Veränderungen in der Fußball- und Fan-Welt vonnöten. Sonst käme auch gar kein Vertrauensverhältnis innerhalb des Fanprojektes zustande.

„Stimmung statt Randale“

„Aber wir kennen uns ja schon lang und die wissen auch, welche Haltung wir zu manchen Aktionen und Äußerungen haben“, ist sich Sauskat sicher. Gemeinsame Aktionen tragen ihr Übriges zu einem Umdenken bei vielen bei. „Stimmung statt Randale“ etwa heißt eine CD-Reihe, die man mit Bands aus dem RWE-Umfeld aufgenommen hat. Die Songs stärken gleichzeitig die Gemeinschaft, nehmen inhaltlich aber auch ernste Themen wie Gewalt und Rassismus auf. Besuche in der JVA, KZ-Führungen oder Anti-Gewalt-Trainings stehen außerdem auf dem Unternehmungsplan des Projektes, welches seit Mai 2001 unter Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt Essen steht.
„Nicht zur harten Abschreckung, aber doch, um ein Bewusstsein für Recht und Unrecht, auch für Konsequenzen zu schaffen“, so Sauskat, der genau weiß, dass viele junge Männer, und auch zunehmend Frauen, schlicht eine Zugehörigkeit in der Fanszene suchen. „Es gibt doch kaum noch Gemeinschaften, denen man sich anschließen kann, wie früher zum Beispiel in der Musiklandschaft.“
Sich von der Erwachsenenwelt abgrenzen, unter sich sein, Protest kundtun, für all dies fehle es seit langem an geeigneten Foren. Dass sich in der Gruppe dann auch mal Aggressionen aufstauten, sei dabei ja vollkommen normal. „Aber da geht es keinesfalls darum, dass es an Intelligenz fehlt oder das Umfeld schlechten Einfluss ausübt“, wissen die Betreuer, „die meisten Fans, die zu uns kommen, besuchen gute Schulen, haben entsprechende Abschlüsse und Zukunftsaussichten.“
So werden die Beiden auch weiterhin die an manchen Tagen bis zu 300 Fans herzlich im Container begrüßen. Mindestens zwei Jahre steht das neue Zuhause dank der Kooperation von Grundstücksverwaltung Stadt Essen GmbH (GVE) mit dem Jugendamt der Stadt Essen zur Verfügung. „Es könnte größer sein“, sehnt sich die Mannschaft noch manchmal zurück zu den Optimal-Bedingungen, die sie im alten Stadion noch hatten, wo unter anderem auch Außenplätze für die Fan-Mannschaft, in der Sauskat selbst und Wilhelms Mann aktiv mitspielten, vorhanden waren. Ein festes Haus, eine Gaststätte, das wären feine Sachen.
„Aber immerhin sind wir hier nah am Stadion, können laut sein, weil wir keine Nachbarn haben“, so das Zweier-Gespann, „wir sind hier jetzt also auch super zufrieden“. Auch wenn gegen zusätzliche Sponsoren zur Erhaltung und Vergrößerung des Projektes sicher niemand einen Einwand hätte.

Im Mai feierten die Fanprojekt-Betreuer mit Oberbürgermeister Reinhard Paß sowie Vertretern von AWO, RWE und den Fans die  „Melches Hütte“-Eröffnung. Foto: Gohl
Ein „Ehrengast“ in der Melches Hütte: Als sich Melches‘  Geburtstag zum 120. Mal jährte, zeigte Olaf Oldokat aus Kleve sein maßstabgetreues Modell des Georg Melches-Stadions in dem Fan-Container. Da stecken eineinhalb Jahre Arbeit drin. Foto: privat
Autor:

Sara Drees aus Dortmund

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