Mobilität trotz Rollstuhl

Bislang ist Barrierefreiheit nur ein Traum, der in der Realität oftmals schon am nächsten Bürgersteig scheitert. | Foto: Fotos: Winfried Winkler
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  • Bislang ist Barrierefreiheit nur ein Traum, der in der Realität oftmals schon am nächsten Bürgersteig scheitert.
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Aufgeben ist nicht sein Ding. Und doch ist leicht nachzuvollziehen, dass Udo Vogel manchmal die Wut packt. Wut über achtlos abgestellte Autos, über Mülltonnen, die den Gehweg versperren oder modernste Niederflurbahnen. „Denn da komm ich gar nicht erst rein“, erzählt Udo Vogel. Seit April dieses Jahres sitzt der 57-Jährige im Rollstuhl.

„Mein Leben hat sich seitdem drastisch verändert“, räumt der Borbecker ein. „Als Fußgänger hatte ich auf vieles einen anderen Blick, habe mir auch gar nicht vorstellen können, auf welche Schwierigkeiten man stößt, ist man plötzlich auf einen Rollstuhl angewiesen.“
Nach fünfmonatigem Krankenhausaufenthalt und vier Operationen ist das für den gelernten Bankkaufmann jedoch Realität. Aus der Reha heraus musste der Umzug in eine barrierefreie Wohnung organisiert, das alltägliche Leben quasi neu erlernt werden.
„Denn vieles, was selbstverständlich ist, geht plötzlich nicht mehr. Zumal meine Muskeln durch den langen Klinikaufenthalt und das viele Liegen völlig erschlafft waren.“
Inzwischen ist der Alltag im Rollstuhl für Udo Vogel zur Gewohnheit geworden. „Trotzdem hoffe ich natürlich darauf, dass sich mein Gesundheitszustand weiter verbessert, ich vielleicht irgendwann sogar noch einmal ganz auf den Rollstuhl verzichten kann.“
Auf den eigenen Beinen stehen, das ist bereits möglich. Und auch einige Schritte kann der 57-Jährige mit Hilfestellung bereits zurücklegen. „Eine winzige Strecke für einen gesunden Menschen“, so der Essener, „Doch für mich ist das vergleichbar mit einem Marathon.“
Den Kopf in den Sand zu stecken, mit dem eigenen Schicksal zu hadern, das ist nicht Udo Vogels Ding. „Doch es gibt unzählige Schwierigkeiten, vor die ich immer wieder gestellt werde, bin ich mit dem Rollstuhl unterwegs.“ Dazu gehören u.a. achtlos abgestellte Fahrzeuge.

„Für Fußgänger alles kein Problem. Doch für mich ist das Überqueren einer Straße kaum mehr möglich oder aber ich muss größere Umwege in Kauf nehmen, sind die abgesenkten Bürgersteigbereiche zugeparkt.“
Auch Mülltonnen auf dem Gehweg werden häufig zum unüberwindbaren Hindernis. „Ist der Bürgersteig eh schon schmal, dann komm ich da mit dem Rollstuhl einfach nicht durch. Auf dem Weg zum Physiotherapeuten passiert mir das immer wieder, dass die Tonnen zum Problem werden. Alleine bin ich jedoch nicht in der Lage, die Container einfach zur Seite zu schieben“, berichtet der 57-Jährige.
Die S-Bahn ist aktuell das beliebteste Fortbewegungsmittel des Borbeckers. „Einfach weil der Einstieg für mich gut möglich ist. Die Bahnen verfügen über eine Rampe, die Lokführer sind beim Einstieg behilflich.“

Die Nutzung von Bussen und Straßenbahnen hingegen ist nicht ganz so einfach. „Die modernen Niederflur-Straßenbahnen sind für mich nur nutzbar, wenn ich in Begleitung bin“, erzählt Udo Vogel, „Ohne Hilfe komm ich mit dem Rollstuhl nicht hinein.“
Das gilt auch für Busse. Auch die seien zwar wie die S-Bahnen mit einer Rampe ausgestattet, „doch die Fahrer sind nicht ausdrücklich dazu verpflichtet, beim Ausklappen der Rampe zu helfen - zumindest hier in Essen.“ Inverschiedenen umliegenden Städten hat Udo Vogel da andere Erfahrung gemacht. „Dass es für die Fahrer auch hier ein Muss wird zu helfen, das wär ein großer Wunsch von mir.“ Seine Erfahrungen mit dem neuen Leben im Rollstuhl möchte der Essener anderen Betroffenen weiter geben.
„Ich spiele mit dem Gedanken, eine Website zu gestalten, auf der alle wichtigen Tipps zusammengestellt sind. Denn gerade die Mobilität ist ein wichtiger Faktor, will man trotz Handicap weiter am Leben teilnehmen.“
Udo Vogel wurschelt sich durch. Vor seinen Ausflügen per S-Bahn in die Umgebung macht er sich im Netz schlau. „Ganz wichtig zu wissen ist, dass es am Zielbahnhof einen Aufzug gibt“, so der Borbecker. „Ob der dann allerdings auch funktioniert, dass zeigt sich immer erst vor Ort.“
Aber auch mit derartigen Erfahrungen musste der 57-Jährige bereits klar kommen. „Dann muss man um Hilfe bitten. Es ist allerdings nicht leicht, immer wieder auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Und ganz ehrlich, fremde Menschen danach zu fragen, das musste ich erst lernen.“
Wer Udo Vogel bei seiner Website unterstützen möchte, kann per Mail Kontakt mit dem Borbecker aufnehmen: udo.vogel@alice.de

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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