Links liegen gelassen: Gleichgültigkeit mehrerer Bankkunden ist erschreckend
Ein Fall fehlender Zivilcourage in Borbeck sorgt bundesweit für Aufsehen: Unfassbare 20 Minuten lag ein sterbender 82-Jähriger im Vorraum einer Bankfiliale, wurde nicht nur von vier Kunden ignoriert, einige stiegen sogar über den Verletzten hinweg. Sowohl die Polizei Essen als auch die katholische Kirche rufen nach dem Vorfall auf, nicht einfach wegzuschauen.
"Ein Mann bricht in einer Essener Bankfiliale zusammen und niemand hilft", zeigt Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, sich berührt von den tragischen Ereignissen des 3. Oktobers. "Mich macht das betroffen und zugleich nachdenklich." Die Geschehnisse stimmen nicht nur das Stadtoberhaupt nachdenklich und geben Grund zur Diskussion. Ein 82 Jahre alter Mann besuchte die Borbecker Filiale der Deutschen Bank an der Marktstraße 37, wollte lediglich einige Überweisungen tätigen. Doch dort geriet er in eine medizinische Notsituation, die ihn bewusstlos zu Boden sinken ließ.
Die eigentliche Tragödie: Vier Bankkunden ignorierten den im Sterben liegenden, stiegen teilweise über ihn hinweg. Der wichtige Notruf ging erst später ein, 20 Minuten nach dem Vorfall. Für den 82-Jährigen zu spät: Er verstarb einige Tage später im Krankenhaus ohne vorher noch einmal das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Über Transaktion identifiziert
Den vier Bankkunden droht jetzt eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung: "Dieser Tatbestand besagt, dass auch Nichtstun bestraft wird", weiß Christoph Wickhorst, Pressesprecher der Polizei Essen. Eine Geldstrafe sowie bis zu einem Jahr Bewährung drohen den mutmaßlichen Tätern. Die entsprechenden Personen herauszufinden, war dabei ein geringes Problem. Mithilfe der Überwachungskameras der Bank ließ sich feststellen, dass die vier Kunden Transaktionen tätigten. Die EC-Karte erlaubt also die Identifikation: "Die Leute werden jetzt angeschrieben", erklärt Polizeisprecher Wickenhorst.
Hinschauen, ansprechen, nachfragen
"Mich erschreckt die Gleichgültigkeit", erklärt Dr. Jürgen Cleve, Pfarrer der Pfarrei St. Dionysius. "Es kann einfach nicht sein, dass man jemanden dort einfach liegen lässt." Die Bankkunden hätten lediglich etwas Zeit verloren, wenn sie sich erkundigt und einen Notruf abgesetzt hätten. Das müsse man eben in Kauf nehmen. "Der Appell ist, hinzuschauen, anzusprechen, nachzufragen", betont Pfarrer Cleve. Und im Zweifel die 110 oder 112 wählen.
Gleichzeitig erinnert Cleve die Situation an das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Ein Mann wird von Räubern schwer verletzt zurückgelassen. Auch hier gehen ein Priester und ein Levite zunächst an ihm vorbei. Erst ein Samariter erbarmt sich, bringt ihn in eine Herberge und zahlt die Kosten. Der Samariter tut zwar nur das Notwendige – aber er hilft.
Autor:Alexander Müller aus Essen-Borbeck |
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