Kolumne „Blick ins Leben“ von Heidi Prochaska
Planen macht frei
Mein Terminkalender ist eine feine Sache. Er sagt mir genau, was ich zu tun habe. Ab sofort habe ich rund fünf Stunden Zeit ein Konzept zu schreiben. Auf los geht’s los. Meine Finger berühren die schwarzen Tasten, die kaum Druck brauchen, um in Arbeitslaune zu gelangen. Mein Blick rutscht vom Bildschirm zum Schreibtisch. Wie sieht es denn hier aus, denke ich und bin froh, dass ich mein Büro kategorisch für Besucher verschließe. So kann niemand arbeiten. Ein Schreibtisch muss frei sein, höre ich mich selber predigen, wenn es die anderen betrifft. Zügig räume ich den Locher, Tacker, Taschenrechner in die Schubladen und bleibe beim Stapel Ablage hängen. Ich hefte in rasantem Tempo Liegengebliebenes in Ordner und erledige gleich noch ein paar Überweisungen. Zufrieden sitze ich vor meiner blütenweißen Konzeptdatei und formuliere die Überschrift. Was ist denn das für ein Geräusch? Es knurrt bereits zum zweiten Mal. Ich lege die Hand auf meinen Magen und fühle die Ursache. So eine kleine Zwischenmahlzeit ist nie verkehrt. Mein voller Kühlschrank lässt mich kreativ werden. Essen im Stehen geht gar nicht. Also setze ich mich auf meinen Barhocker und lese noch eben den Artikel, der seit zwei Wochen aufgeschlagen neben dem Frühstücksbrettchen liegt.
Was wollte ich noch tun? Ach ja, das Konzept wartet. Aber die Spüle muss auch mal wieder gereinigt werden. Das ist echt kein Aufwand. Geschickt hantiere ich mit Schwamm und Putzmittel. Toll, wie das glänzt. Ich bin beeindruckt vom Ergebnis und laufe durch meinen Flur ins Arbeitszimmer, nicht ohne noch zwei Paar Schuhe in den Schuhschrank zu stellen. Den bereits formulierten Titel mache ich fett und schaue auf meine E-Mails. Oh je, zwei Mails muss ich dringend beantworten. Während ich schreibe klingelt das Telefon. Ob ich Lust auf einen Kaffee hätte fragt mich meine Nachbarin und steht eine Minute später mit zwei dampfenden Tassen vor meiner Wohnungstür. Manche Situationen sind alternativlos. Ich krame ein paar Plätzchen hervor und schnipple frisches Obst. Vitamine sind schließlich gut für Kopfarbeiter. Genauso wie Sudokus. So ein halbfertiges liegt an dem Ort, wo sich Frauen gern schon mal länger aufhalten.
Ein Blick auf die Uhr lässt mich erstarren. Was ist aus meinen fünf Stunden geworden? Gerade war es noch 12, jetzt ist es halb vier. Lohnt es sich überhaupt noch anzufangen? Für mich gibt es nur eine Antwort. Fokussiert und konzentriert sitze ich vor meinem Laptop und tippe wie ein Weltmeister. Die erste Version steht nach fünfundachtzig Minuten. Meine Anspannung löst sich und ich muss lachen – lachen über mich selber. Jetzt habe ich nicht nur ein Konzept, sondern auch ein saubere, aufgeräumte Wohnung und eine glückliche Nachbarin.
Autor:Heidi Prochaska aus Essen-Borbeck |
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