Apokalypse für Anfänger (2)

Bis jetzt war der Alltag der Familie Holz-Meißner recht normal gestrickt, Vater Tobias ging zweimal die Woche nach der Arbeit in seine Stammkneipe Liliput, Mutter Ulla liebte es, auf dem hiesigen Wochenmarkt nach Schnäppchen zu schauen und mit Bekannten einen Kaffee zu trinken, die Tochter Celine-Kassandra spielte gern mit ihren Freundinnen auf dem großen Spielplatz vor dem Philippusstift, und Angelo-Joey lungerte oft mit Freunden im Schlosspark rum.

"Dat kannste knicken" regte Tobias sich auf, dat Liliput hätte geschlossen, "wegen dieser Corinna" wie er es nannte. Da auch die Gesamtschule Borbeck wegen eines Verdachtsfalls den Unterricht bis auf weiteres einstellte, und Celine-Kassandra sowieso erkältet war, verbrachte man die Nachmittage nun gemeinsam zu Hause. Auch für Ulla war das ungewohnt, denn meistens genoss sie die Ruhe zu Hause, um sich um den Haushalt zu kümmern, und ab und zu bei nem Kaffee mit Elke über dies und das zu schnacken. Jetzt hockten sie gemeinsam zu Hause, und wussten irgendwie nichts miteinander anzufangen.
Tobias fing an, endlich mal wieder das Aquarium zu reinigen, Elke saß mit ner Flasche Prosecco vor dem Fernseher, Angelo-Joey spielte Playstation in seinem Zimmer, und Celine-Kassandra war knatschig, weil sie Zahnschmerzen hatte.

Dann wurde plötzlich alles dunkel.

"Wasn dat fürn Scheiß?" schrie Angelo-Joey aus seinem Zimmer. Das blubbern der Wasserpumpe im Aquarium verstummte, und Günther Jauch fragte grad ne 120000 Euro Frage, als der Strom ausfiel. Fast wie eine Sirene hörte sich das heulen von Celine-Kassandra an, die garnicht wusste wie ihr geschah.
"Bleibt alle sitzen, ich hol ne Taschenlampe!" rief Tobias, während er über den Hund stolperte, der sich neben ihn gelegt hatte. "Scheiße, verdammte Scheiße!" schrie er, und hielt sich den Knöchel, mit dem er vor den Wohnzimmertisch gestoßen war, und Ullas Prosecco umgeschmissen hatte. Hektisch und humpelnd suchte er im dunklen der Küche nach der Stabtaschenlampe in der Schublade. "Die war doch hier so eine Kacke" fluchte er. "Angelo-Joey, has Du die Taschenlampe gesehn?" rief er hektisch Richtung Sohnemann. "Die habbich dem Thorsten geliehn, der hatte ne Nachtwanderung mit der Schule!" antwortete der total genervt.
"Mensch Tobias, getz mach doch watt" rief Ulla in die Dunkelheit der Wohnung, während Celine-Kassandra immer lauter weinte und schrie.

Tobias lief immer hektischer durch die dunkle Wohnung, als er eine hellen Lichtstrahl am Küchenfenster sah. Sofort sprang er auf, um in die Küche zu gehen, stolperte nochmals über den Hund, und wie als wäre es ein Touchdown beim Superbowl krachte er gegen das Aquarium, und 120 Liter Wasser inklusive Fischbestand ergoss sich ins Wohnzimmer. Mit lautem Krachen fiel das Aquarium auf den Boden, und die Fische zappelten auf dem Teppich, den man erst vor drei Wochen neu verlegt hatte. Tobias lag mit dem Gesicht auf der Seite am Boden, im Schein des Lichts durch das Küchenfenster sah er, wie der Hund einen Fisch nach dem anderen schnappte und genüsslich darauf rumkaute. Celine-Kassandra hatte aufgehört zu schreien, und für einen kurzen Moment war das Schmatzen des Hundes das einzige Geräusch, welches er vernahm, als es an der Tür hämmerte. "Tobi, mach ma auf Kerl" hörte er eine Stimme von draußen. Langsam tastete er sich vor zur Tür, während er etwas glitschiges unter seinem Fuß spürte, und Celine-Kassandra wieder anfing zu heulen.

"Mach auf Alter, ich bins Lutz" hörte er von draußen. An der Tür stand sein Nachbar, in der einen Hand eine Taschenlampe, in der anderen einen Baseballschläger. "Watt is denn bei Dir los?" fragte er Tobias erschrocken. "Und wieso has Du nen Baseballschläger dabei?" fragte dieser zurück.
"Ey in der ganzen Straße is der Strom wech'" schaute er ihn mit großen, dunklen Augen an. "Da stimmt was nich" fügte er hinzu. "Komm wir gucken was da los is!" forderte er Tobias auf.
Jetzt waren auch Ulla, Angelo-Joey und Celine-Kassandra an der Tür.
"Komm wir müssen hier raus, da is alles kletschnass" rief Ulla, fast schon weinerlich. Also zog man die Schuhe und Jacken im Korridor an, nahm den Hund an die Leine, und zog mit Lutz nebst Taschenlampe und Baseballschläger los Richtung neuer Markt bzw Bahnhofapotheke am Brunnen.

Dort hatten sich schon ein paar Leute versammelt, einige sogar im Bademantel, ein paar Kinder waren auch dort, die meisten hatten Taschenlampen dabei, auch die Straßen waren stockdunkel. Die 103 stand dunkel an der Haltestelle etwas weiter unten, während ein oder zwei Polizeiwagen schnell vorbeifuhren, und in der Ferne Sirenen zu hören waren.
Der Hund von Tobias würgte, und erbrach drei oder vier Fische, darunter auch den schönen Papageienfisch, den Celine-Kassandra damals "Nemo" taufte.
Diese fror in der Kälte, und ihre Zahnschmerzen wurden wieder stärker. Über Facebook las Lutz die Info, dass in ganz Essen der Strom ausgefallen wäre, weil die Mitarbeiter der Stadtwerke streiken würden. Zwei Kollegen wären an Corona erkrankt, und alle hatten Panik und Angst.
"Kein Strom, kein warmes Wasser, keine Hygieneartikel in den Märkten und Drogerien, Leckofanni das is wie im Film" bemerkte Lutz mit diesem starren Blick, während Celine-Kassandra jetzt wieder lauter schrie, weil ihre Zahnschmerzen wieder stärker wurden.

Im Schaufenster der Apotheke sah man die Hinweise zum Verhalten während der Corona-Epidemie.
Tobias wurde nervös und auch ängstlich, was tun? Er sah Lutz an, der sich auf die untere Stufe des Brunnens gesetzt hatte. "Besteht kein Grund zur Sorge" murmelte er, "dieser Spahn kann mich mal" fügte er noch hinzu.

Ulla sagte, Celine-Kassandra bräuchte dringend Zahnschmerztabletten, und Lutz Knöchel schwoll auch immer dicker an. Immer mehr Leute versammelten sich am Brunnen, einer hatte sogar eine Fackel dabei, diese warf ein gespenstisches Licht auf den Brunnen. Tobias Gedanken überschlugen sich, langsam ging er auf Lutz zu, und nahm ihm den Baseballschläger aus der Hand.

Ein kurzer Blick, ein leichtes Zögern, als die Scheibe der Bahnhofsapotheke den Schläger in Tobias Hand widerspiegelte, während er ausholte...
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Fortsetzung folgt

Autor:

Achim Feldhordt aus Essen-Borbeck

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