"So einen Anruf erhält man nicht zweimal"

Borbeckkurier-Redakteurin Christa Herlinger (l) und Patricia König (r) im Gespräch mit Justizminister Thomas Kutschaty. Der Borbecker ist der dritte Essener, der den Sprung ins Justizministerium geschafft hat. | Foto: Ulrich Hermanski
  • Borbeckkurier-Redakteurin Christa Herlinger (l) und Patricia König (r) im Gespräch mit Justizminister Thomas Kutschaty. Der Borbecker ist der dritte Essener, der den Sprung ins Justizministerium geschafft hat.
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Der Jüngste im Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist er nicht. Dennoch trägt Justizminister Thomas Kutschaty (42) einiges dazu bei, den Altersdurchschnitt zu senken. Knapp 100 Tage ist der Borbecker nun im Amt. „Und es macht mir richtig Spaß“, so der studierte Jurist beim Gespräch mit dem Borbeck Kurier in Düsseldorf. Seit seiner Ernennung zum Justizminister hat sich im Leben des Borbeckers einiges verändert. „Das hat natürlich mit der Aufgabe zu tun, die eine sehr reizvolle ist und mir ungeheuren Spaß macht.“
Die ersten Monate seiner Amtszeit hat Kutschaty genutzt, um sich ein möglichst genaues Bild der Situation vor Ort zu machen. Er hat sich viele Justizvollzugsanstalten angeschaut. „Und dabei eine Menge guter Ansätze gefunden“, so der Minister. Einen davon in Castrop-Rauxel. Dort sitzen viele Häftlinge sogenannte „Ersatzfreiheitsstrafen“ ab, Strafen die verhängt werden, weil die Verurteilten Geldstrafen nicht zahlen können oder wollen. „Dort geht man einen neuen Weg. Anstelle die Leute einfach ihre Strafe absitzen zu lassen, hängt man sich im Vorfeld ans Telefon und sucht Verwandte und Angehörige, die die Strafe zahlen können und den Betrag zunächst einmal auslegen.“
Für die Landeskasse bedeutet dies zusätzliche Einnahmen und eine deutliche Entlastung. „Ein Hafttag kostet den Steuerzahler im Schnitt 100 Euro. In unserem Land verbüßen etwa 1.000 Inhaftierte eine Ersatzhaftstrafe, insgesamt haben wir knapp 18.000 Gefangene in NRW. Man kann sich leicht ausrechnen, was das kostet. Wir können es uns nicht leisten, Sparpotenziale ungenutzt zu lassen.“ Allerdings soll nicht nur gespart werden. Das geplante Jugendarrestvollzugsgesetz beispielsweise setzt deutliche Akzente im Bereich der pädagogischen Begleitung. „
Wir müssen diskutieren, welche Wirkung wir auf die jugendlichen Täter erzielen, den erzieherischen Gedanken stärken.“ Das hört sich nach Aufstockung der Fachdienste an. „Ob die dazu notwendigen Mittel im Haushalt bewilligt werden können, liegt nicht in meinen Händen“, gibt Kutschaty zu bedenken.
Eines steht für ihn jedoch fest: Die Zeit des Freiheitsentzuges muss besser genutzt werden und das nicht nur bei jugendlichen Straftätern. „Wir müssen die Menschen fit machen für die Zeit nach dem Vollzug.“
Das wirke sich positiv auf die Rückfallquote aus, dies wiederum erhöhe den Opferschutz. Und mit einer zusätzlichen Qualifikation, einem Schulabschluss, lässt sich das Leben nach dem Knast erfolgreicher gestalten.
Kutschaty setzt noch früher an. „Ich möchte erst gar nicht, dass die Täter zu Tätern werden.“ Deshalb wird in einem Ministerien-übergreifenden Arbeitskreis an neuen Ideen gearbeitet. Sport kann eine sein. Eine andere sind die Angebote von Rechtskunde-Unterricht und AGs an Schulen. „Wir wollen Jugendliche sinnvoll an das Rechtssystem heranführen, über Themen, die ihr Leben bestimmen.“ Rechtsanwälte und Richter fungieren als Multiplikatoren, gehen in die Schulen, informieren, diskutieren und schaffen ein Bewusstsein.
Ohne Strafen, da sieht Kutschaty keinen Diskussionsbedarf, geht es nicht. „Doch es ist nicht mit dem bloßen Wegsperren der Täter getan. Ich habe nicht den Anspruch, die Welt zu verändern. Aber in kleinen Schritten etwas positiv zu beeinflussen, das ist mein Ziel.“
Von diesen „kleinen Schritten“ möchte der Essener in Zukunft möglichst viele tun und das die gesamte Legislaturperiode lang. Auch wenn sich vieles im Lebensalltag des Justizministers und Abgeordneten verändert hat, „ich bleibe bodenständig“, verspricht Kutschaty. Dazu gehört für ihn die Arbeit in Ortsverein und Wahlkreis ebenso wie das morgendliche Frühstück mit der Familie. „Ich stehe weiterhin um 6.15 Uhr auf und fahre eine Stunde später nach Düsseldorf.“ Allerdings tut Kutschaty als Justizminister das nicht mehr selbst. Ein Fahrer wartet vor dem Haus. Die 45 Minuten bis zum Ministerium in der Landeshauptstadt sind für den Minister wichtige Arbeitszeit. „Da habe ich die Ruhe zum Aktenstudium.“ Eine Vielzahl von Besprechungen, die Arbeit im Landtag und natürlich die wöchentlichen Treffen im Kreise der Kabinettsmitglieder bestimmen den Arbeitsalltag des Borbeckers. „Zeit habe ich jetzt eindeutig weniger. Aber so einen Anruf von Hannelore Kraft erhält man schließlich nicht zweimal im Leben.“

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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