Nach über 70 Jahren kam das bei Krupp gefertigte Gefäß jetzt zu einem Einsatz in der Liturgie
Dieses Ding ist mehr als eine Schüssel
"Als mein Großvater Karl Schwochert die Schüssel anfertigte, konnte er nicht ahnen, dass sie einmal zu einem gottesdienstlichen Gefäß werden würde", berichtet Berthold Prochaska. Der Borbecker hat ein ganz besonders Gefäß in seinem Besitz. Und er kann eine spannende Geschichte erzählen, über eine Schüssel, die seine Großmutter zunächst viele Jahre als Spülgefäß nutzte, die anschließend in den Besitz seiner Eltern überging und zuletzt in seinem Garten einen Ehrenplatz gefunden hat.
Die Anfänge der Geschichte reichen in das vergangene Jahrtausend zurück. "Mein Großvater wurde 1884 in Aspenau, Kreis Flatow in Ostpreußen, heute Polen, geboren", erzählt Prochaska.
Für die Liebe ins Ruhrgebiet
1899 begann er in dem nahegelegenen Ort Jastrow eine Lehre zum Schuhmacher. Mit 22 Jahren trat er gemäß Soldbuch in das stehende Heer im Bekleidungsamt II als Ökonomie-Handwerker ein. "1911 heiratete er Maria Fuchs in Mülheim an der Ruhr", hat der Enkel herausgefunden. Nach Beendigung des I. Weltkriegs arbeitete der gebürtige Ostpreuße bis 1938 zunächst als selbstständiger Schuhmacher und danach bis 1950 als Beizer bei Krupp. "Das konnte ich aus seinem Abgangszeugnis ersehen."
Was ein Beizer ist, darunter kann sich heute sicherlich kaum mehr jemand etwas vorstellen. "Mein Großvater war für das Beizen und Nachbehandeln von Edelstahl zuständig", erklärt Prochaska. Durch die chemische Oberflächenbehandlung wurden Verunreinigungen beseitigt.
Qualitäten sprechen sich bei Krupp rum
Schnell fanden Schwocherts Chefs bei Krupp heraus, dass der geschickte Handwerker nicht nur ein guter Beizer, sondern auch ein exzellenter Schuhmacher war. "Von da an besohlte mein Großvater so manches Paar Schuhe für sie." Auch einen Schultornister hat er auf Anfrage angefertigt. "Aber mein Großvater hatte auch Gelegenheit, für sich etwas zu erarbeiten", so Prochaska: nämlich die vorerwähnte Edelstahlschüssel. Sie wurde ein stabiles und wegen ihres edlen Materials ansehnliches Gefäß mit einem Durchmesser von 36 Zentimetern.
Geschenk für die Ehefrau
"Mein Großvater schenkte sie seiner Frau", weiß der Borbecker. Bis heute befindet sich das schmucke Gefäß in Familienbesitz. Doch die Zeiten, in denen das Edelstahl-Objekt einzig zur Verschönerung des Gartens der Familie am Wiedbach diente, sind vorbei. Im hohen Alter von über 70 Jahren erlebte die Edelstahlschüssel aus den Kruppschen Werkshallen nämlich noch einen Einsatz als liturgisches Gefäß.
Ideal für die Fußwaschung
Elke Muhlack, eine Mitarbeiterin in der Paulusgemeinde, brachte den Stein dazu ins Rollen. "Sie fragte mich eine Woche vor Ostern, ob ich leihweise am Gründonnerstag für die Abendmahlsfeier mit Fußwaschung eine Schüssel zur Verfügung stellen könnte", erinnert sich Prochaska, dem natürlich sofort die Edelstahlschüssel seines Großvaters einfiel.
"Elke fand sie spontan als sehr passend für ihr Vorhaben. Und nachdem ich sie gereinigt hatte, erstrahlte sie wie neu. Großvater hätte sich riesig gefreut, wenn er das noch erlebt hätte."
Autor:Christa Herlinger aus Essen-Borbeck |
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