Borbecker Künstler Manfred Boiting blickt auf spannende 80 Lebensjahre zurück
Mutter erkannte vertauschten Säugling

Durch meine Bilder drücke ich aus, was mich bewegt, sagt Manfred Boting über seine Kunst.  | Foto: Brändlein
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  • Durch meine Bilder drücke ich aus, was mich bewegt, sagt Manfred Boting über seine Kunst.
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Seinen 80. Geburtstag zu erleben, ist etwas ganz Besonderes und lädt dazu ein, mit Familie, Freunden und Weggefährten das Leben zu feiern, sich verwöhnen zu lassen und Glückwünsche entgegen zu nehmen. Doch der 80. Geburtstag ist auch ein guter Anlass, um innezuhalten und auf das Erlebte zurückzuschauen.

„Wenn ich meinen vergangenen 80 Jahren Lebenszeit eine Überschrift geben sollte, würde diese 'Fülle des Lebens' lauten“. Manfred Boiting, der am 15. Juni 1939 im Philippusstift geboren wurde, kann auf ein wahrhaft erfülltes und intensives Leben zurückblicken.
Sein Start ins Leben war ungewöhnlich, aber das Glück, das ihn auch später nicht verließ, war schon damals auf seiner Seite. „Mein Cousin kam zur gleichen Zeit auf die Welt und wir wurden im Krankenhaus vertauscht“, erzählt Boiting. „Gottseidank bemerkten unsere Mütter das und so wuchsen wir beide in der 'richtigen' Familie auf“.

Familie wurde im Krieg auseinandergerissen

Mit einem Jahr kam Boiting nach Königgrätz in die damalige Tschechei, weil sein Vater dort als Soldat stationiert war. „Wir Kinder konnten unbeschwert spielen, waren überall gern gesehen. Bis zu der einen Nacht, in der wir von den Russen aus unserer Wohnung vertrieben wurden“, erinnert sich Boiting. Die Familie wurde auseinandergerissen und auf zwei LKWs verfrachtet. Ein halbes Jahr hatten sie keinen Kontakt mehr. Dass sie sich wiederfanden, war eine glückliche Fügung. „Ich war mit meiner Schwester auf einem Bauernhof untergekommen. Als wir auf der Straße spielten, kam eine Gruppe Menschen mit einem Bollerwagen auf uns zu – und es waren tatsächlich meine Mutter, meine Tante und mein Bruder“.

Spielen in den Trümmern der Flurstraße

Unter unvorstellbaren Bedingungen gelang der Familie die Flucht nach Deutschland. „Wir waren teilweise eng zusammengepresst in Viehwaggons unter schrecklichen hygienischen Verhältnissen. Wir haben die Vergewaltigung von Mutter und Tante miterlebt („wir Kinder erfuhren erst später, was wir da gesehen hatten“) und wir haben Gras und Baumrinde gegessen, um zu überleben“.
Zurück in Borbeck, wurden der Sechsjährige und die Familie vom Großvater aufgenommen. „Unser Spielzimmer waren die Trümmer in der Flurstraße. Da haben wir auch Steine geklopft und für Pfennige verkauft. Wir hatten nichts zum Anziehen und wenig zu essen, waren aber glücklich. Wir Kinder haben auch beim Aufbau der Dubois-Arena mitgeholfen und haben dafür Freikarten zu den Boxveranstaltungen bekommen“, blickt Boiting zurück.

"Der Colani von Krupp"

Der Wunsch, Grafiker zu werden, war Boitings erstaunlichem Zeichentalent geschuldet, das er schon als Vierjähriger entwickelte. Nach der Lehre in der Lithografischen Anstalt bei Krupp und dreijährigem Abendunterricht in der Folkwangschule leitete Boiting 29 Jahre die Werbeabteilung und Messegestaltung bei Krupp. „Wegen meiner Eigenwilligkeit nannten mich die Kollegen den 'Colani von Krupp'“, schmunzelt er. Seit 1982 ist Boiting selbstständig als Künstler und Werbemann tätig.

Ein Packer voller Liebesbriefe

„Durch meine Bilder drücke ich aus, was mich bewegt. Ich mache es nicht zur Kunst, es ist in mir und ich äußere mich und meine Gefühle über die bildende Kunst“. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit, in der Boiting alle Liebesbriefe, die er mit seiner Frau, die 2001 verstorben ist, ausgetauscht hatte, verpackt und für die Ewigkeit festgehalten hat:  "Für mich ist die Kunst ein Ausdrucksmittel, das auch in der Architektur, der Sprache, der Musik oder dem Ballett deutlich macht, was im Menschen steckt und was er daraus machen kann“.
Für die Zeit nach dem 80. Geburtstag hat Boiting noch jede Menge Wünsche. „Ich hoffe, klar im Kopf zu bleiben, meine Phantasie weiter ausdrücken zu können und meinen Optimismus nicht zu verlieren“.

Text: Doris Brändlein

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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