Eine Rezension von Alexander Weilkes
„Glaubst du, ich werde vielleicht abgeschaltet?" Ex Machina: Ein futuristisches Kammerspiel im Theater Essen-Süd

Foto: Boris Goroncy
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„Glaubst du, ich werde vielleicht abgeschaltet?" Ex Machina: Ein futuristisches Kammerspiel im Theater Essen-Süd

Von künstlicher Intelligenz (KI) sprechen heute Milliardäre wie Elon Musk, die vor der größten Gefahr für die Menschheit warnen oder der Vorstandsvorsitzende von Facebook, Mark Zuckerberg, der die Chancen der Technologie hervorhebt. Im Theaterstück Ex Machina, das seit dem 24. Mai im Programm des Theaters Essen-Süd zu sehen ist, ist man schon einen Schritt weiter: Hier geht es um Ava, ein künstliches Bewusstsein, die Grenzen des technischen Machbaren und des moralisch Erlaubten.

Die Vorlage zu Ex Machina lieferte der britische Drehbuchautor Alex Garland mit seinem gleichnamigen Film im Jahr 2015. Die Bühnenadaption im Theater Essen-Süd im Stadtteil Borbeck fand unter der Regie von Raphael Batzik statt, der sich zugleich auch für das Bühnenbild, das ausgefeilte Lichtprogramm sowie die Rolle des Nathan verantwortlich zeigt. Nathan, das ist der exzentrische Firmengründer der konkurrenzlosen Internetsuchmaschine Bluebook, der den Programmierer Caleb (Dominik Poch) durch ein firmeninternes Losspiel zu seinem abgeschiedenen Anwesen einfliegen lässt. Calebs Aufgabe ist es, die Androidin Ava (Aless Wiesemann) einem einwöchigen Test zu unterziehen. Dabei handelt es sich um einen erweiterten Turing-Test: Ein regulärer Test setzt voraus, dass der Prüfende nicht weiß, ob sein Gegenüber ein Mensch oder eine Maschine ist. Die Prüfung gilt als bestanden, wenn der Prüfer der Maschine attestiert, dass er es mit einem Menschen zu tun hat. Nathan ist mit seiner Schöpfung über diesen Zustand jedoch weit hinaus: „Der wahre Test ist, ob du in dem Wissen, dass sie ein Roboter ist, trotzdem empfindest, dass sie ein Bewusstsein hat.“
Im Film sowie auf der Bühne des Theaters befindet man sich in einem vom Tageslicht abgeschnittenen, bunkerähnlichen Bereich, in dem einzelne Räume durch Glaswände getrennt sind, was eine futuristische und laborähnliche Atmosphäre erzeugt. Das Bühnenbild ist, wie für das Theater Essen-Süd typisch, minimalistisch, aber schafft es durch den Einsatz von Plexiglas und Lichttechnik, dem Zuschauer verschiedene Räume und Szenen mit einem Tiefeneindruck zu vermitteln.

Der schüchterne Caleb ist fasziniert von Ava und auch als Zuschauer kann man sich dem Bann von Aless Wiesemann nicht entziehen. In der ersten Begegnung mit ihr erfährt man, dass sie sich selbst als vom Menschen verschieden erkennt und weiß, dass sie eine Maschine ist. Ihre Bewegungen und ihre Mimik, die menschenähnlich aber eben nicht gleich sind, verhindern nicht, dass man den Eindruck bekommt, es mit einer sich selbst bewussten Entität zu tun zu haben. Das ist positiv unheimlich, ganz im Gegensatz zu den scheinbar sporadisch auftretenden Stromausfällen, die Ava dafür nutzt, Caleb vor Nathan zu warnen: "Du darfst ihm nicht vertrauen, du darfst auf nichts vertrauen, was er sagt." Zu Calebs Verwirrung kommt hinzu, dass Ava offensichtlich mit ihm flirtet. Warum sollte ein künstliches Bewusstsein überhaupt ein Geschlecht haben? „Was für ein Motiv gäbe es für eine graue Box zur Interaktion mit einer anderen grauen Box?“ entgegnet dem Nathan rhetorisch. Ein Lacher fürs Publikum, von denen der Figur mehrere zur Verfügung stehen. Das exzentrische und nihilistische Genie mit Alkoholproblem nimmt man Raphael Batzik genauso ab wie die von Dominik Pochs gespielte Naivheit in Person von Caleb.

Doch Letzterer ist außerdem sehr intelligent und kommt langsam dahinter, dass seine Rolle nicht so ist, wie er zu Anfang vermutete. Wer ist hier das Testobjekt, wer ist der Tester, der Täter und das Opfer? Wie menschlich ist ein Mensch und was ist es, was den Menschen von der Maschine unterscheidet? In Ex Machina werden philosophische Fragen gestellt und wie Ava es mit Caleb anschickt, fühlt man sich auch als Zuschauer in ihr gespiegelt. In dem wir etwas über sie, dieses faszinierende künstliche Bewusstsein erfahren wollen, wird man mit sich selbst, der Maschine Mensch, konfrontiert.
Ava nimmt mit dem Fortschreiten des Stückes auch visuell immer mehr menschliche Züge an. Sie träumt von einem Date mit Caleb, außerhalb der Mauern, die sie noch nie verlassen hat. Das Update, das Nathan für sie vorsieht, würde die Auslöschung ihrer Erinnerungen bedeuten, ihren Tod, wie sie selbst feststellt. Das Fortbestehen des eigenen Ichs, dessen Beendigung den Menschen fürchten kann, trifft auch bei Ava auf Angst. Aus diesem Grund schmiedet sie mit Caleb einen Plan. Wie dieser ausgeht soll an dieser Stelle nicht verraten werden, damit die Zuschauer, die den Film nicht gesehen haben, nicht dieses Spannungsmoment beraubt werden.

Im aktuellen Spielplan ist das Stück nach der Sommerpause wieder zu sehen am Freitag dem 14.06. und Samstag dem 15.06.

10€/14€
karten@theater-essen-sued.de
01774548457

Ticketshop:
https://www.eventim-light.com/de/a/57a8adaae4b0e3f13f65b53d/s/5c56bbe9e71bc8000124bde0

Eine Rezension von Alexander Weilkes

Weitere Termine:

15.11.2019
17.11.2019
20.12.2019

Jeweils 19:30 Uhr.

Foto: Boris Goroncy
Foto: Boris Goroncy
Autor:

Theater Essen-Süd aus Essen-Borbeck

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