Kreis und LANUV bewerten BIW-Maßnahmen in der nächsten Woche
PCB: Emotionale Bürgerversammlung

Zweite Bürgerversammlung im Haus Ennepetal. 800 Besucher kamen in den Saal. Die Veranstaltung wurde ins Foyer übertragen. Foto: Pielorz
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  • Zweite Bürgerversammlung im Haus Ennepetal. 800 Besucher kamen in den Saal. Die Veranstaltung wurde ins Foyer übertragen. Foto: Pielorz
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Auf der zweiten Bürgerversammlung zur PCB-Belastung in Ennepetal durch die silikonverarbeitende Firma BIW prallten die Meinungen aufeinander. Unternehmen und Belegschaft, Bürgerinitiative, besorgte Anwohner, Unternehmer aus anderen Städten, Bezirksregierung, Kreis, Rechtsanwälte von Kreis und Betrieb, Landrat Olaf Schade, Bürgermeisterin Imke Heymann, Vertreter vom LANUV – der Moderator hatte alle Hände voll zu tun, die Veranstaltung in geordneten Bahnen zu halten. Das ist ihm aber gelungen.
Vorab zog die Bürgerinitiative mit deutlich unter 100 Personen in einem Demonstrationszug zum Haus Ennepetal. Hier fand die Bürgerversammlung statt, zu der sich frühzeitig zahlreiche Interessierte eingefunden hatten. Sicherheitskräfte und Polizei steuerten die 800 Personen, die – ausgestattet mit verschiedenfarbigen Bändchen – im Saal oder im Foyer Einlass fanden. Zu Beginn gab es noch einmal ein Resümee der bisherigen Entwicklung, seitdem im Herbst 2018 die Problematik in Form einer weißen Flocke gefunden wurde. Noch einmal stellte auch der Rechtsanwalt der BIW, Michael Hoppenberg, heraus, dass zwischen den festen Abplatzungen am Kamin und den wasserlöslichen stecknadelkopfgroßen Flocken ein Unterschied bestehe – auch im Hinblick der gemessenen PCB-Belastung. Der Weltmarktführer BIW, unter anderem Zulieferer für die Automobilbranche, die Luft- und Raumfahrt sowie die Pharmaindustrie und Medizintechnik, versucht seit Bekanntwerden der Problematik mit Filteranlagen und seit Mitte 2019 mit einem neuen chlorfreien Vernetzer im Produktionsprozess die Emittierung von PCB zu verringern und im mittelfristigen Ziel sie ganz auszuschalten. Das machte das Unternehmen gemeinsam mit seinem Juristen noch einmal deutlich, erklärte aber auch, dieser Prozess sei bei der Vielzahl der Kunden und der unterschiedlichen Produkte eben nicht innerhalb von Tagen oder Wochen zu erledigen. Auf der Bürgerversammlung wurde die klare Zusage gegeben, bis Ende 2020 die Produktion komplett auf den PCB freien Vernetzer umgestellt zu haben.

Produktion läuft erstmal weiter

Der Rechtsanwalt des Kreises, Dr. Andre Umland, machte deutlich, die weitere Emittierung von PCB 47 sei für den Kreis die rote Linie, die nicht überschritten werden dürfe. Die Messungen – sowohl in der Luft als auch in Beprobungen von Pflanzen – laufen weiter. Ebenso wird es ab Mai Blutuntersuchungen von Bewohnern im betroffenen Gebiet geben. Knut Rauchfuss, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), zuständig für den Bereich Umweltmedizin, erklärte, dass man davon ausgehe, PCB im Blut zu finden. Man hoffe allerdings, in einer weit unter den Grenzwerten liegenden Konzentration. Erste Untersuchungen im sogenannten Biomonitoring, die von der RHTW Aachen begleitet wurden, gibt es bereits bei Beschäftigten im direkten und weiteren Umfeld der Produktion. „Bei keinem der 44 Mitarbeiter sind erhöhte PCB 47-Werte im Blut festgestellt worden“, erklärt Firmenchef Ralf Stoffels.

Reichen die Maßnahmen von BIW aus?

Der Rechtsanwalt des Kreises, Dr. Andre Umland, erklärt nach den Ausführungen der BIW-Geschäftsführung, die Drohung zur sofortigen Untersagung des chorhaltigen Vernetzers bliebe bestehen. In der kommenden Woche wollen sich Kreis und LANUV erneut zusammensetzen und die von dem Unternehmen eingereichten Unterlagen zur Problemlösung bewerten. Sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass die getroffenen und in Aussicht gestellten Maßnahmen ausreichen, läuft die Produktion weiter. Ergeben laufende Messungen in den nächsten Wochen und Monaten allerdings eine weitere Belastung oder wird gar eine weitere Flocke gefunden, dürfte es für BIW eng werden. Deutlich wurde an diesem Abend die Position des Kreises: Gesundheitsschutz steht vor dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Da sei man dann auch nicht mehr in der vom Unternehmen angekündigten Zeitschiene der PCB freien Produktion bis Jahresende unterwegs.
Während die Belegschaft von BIW geschlossen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze Stellung bezog, übergab die Bürgerinitiative an Landrat Olaf Schade eine Petition von über 4000 Unterschriften, die in wenigen Wochen gesammelt wurden. Gefordert wird darin vom Gesetzgeber, den chlorhaltigen Vernetzer sofort zu verbieten und die PCB-Emissionen durch BIW sofort zu stoppen. Keinesfalls, so die Initiative, fordere man die Schließung des Werkes. Das aber ist die Folge, sollte eine sofortige PCB-Emission die Konsequenz werden. Das Unternehmen macht noch einmal deutlich, man stelle kein PCB her, sondern PCB 47 emittiere durch den Produktionsprozess. Die bei der Bezirksregierung Arnsberg angesiedelte und dem Arbeitsministerium unterstellte Arbeitsschutzbehörde ist nach Unternehmensangaben mit den ergriffenen Maßnahmen zufrieden und sieht das Unternehmen auf dem richtigen Weg. Auch hier ist ein Vertreter an diesem Abend anwesend. Deutlich macht BIW-Geschäftsführer Ralf Stoffels auf der Bürgerversammlung: Man nehme die Sorgen der Menschen ernst und wolle selbst eine Lösung.
Der chlorfreie Vernetzer – der übrigens teurer ist – wurde schon in den neunziger Jahren entwickelt, kam aber nicht zum Einsatz. Stattdessen wurde die Produktion von Firmen in Länder verlegt, wo mit dem chlorhaltigen Vernetzer gearbeitet werden durfte.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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