Heute in Ennepetal-Hasperbach.

In diesen Häusern wurden die Roma-Familien untergebracht - Häuser, die schon lange leer standen.
  • In diesen Häusern wurden die Roma-Familien untergebracht - Häuser, die schon lange leer standen.
  • hochgeladen von Monika Schwarz

Ennepetal. Heute Abend war ich in unserem Ortsteil Hasperbach, um Bilder für meinen wap-Artikel zu schießen. Dieser Ausdruck „Bilder schießen“ ist schon bezeichnend, oder? … - Nun, ich bin noch nicht so bewandert in der tagesaktuellen Reporterarbeit, sondern komme aus einem „Paralleluniversum“ der Journalistik. Zeitungsarbeit ist für mich neu …

Genau so neu war es für mich, in einer aktuell sehr hoch kochenden „Geschichte“ zum Brennpunkt zu fahren und alleine dort zu stehen um Fotos zu machen – und somit in die Privatsphäre der neuen Ennepetaler Bürger einzudringen. Was würde ich dort vorfinden? – Würde ich die Menschen dort antreffen – und wie werden sie auf mich reagieren, vor allem auf meinen Fotoapparat? – Ich muss gestehen, dass ich etwas nervös war. Nein, nicht aus Angst, sondern weil ich mein schlechtes Gewissen merkte. Fotos machen. Als ob ich Tiere im Terrarium fotografieren wollte … - ja, ich hatte ein schlechtes Gewissen, wusste aber, dass ich diese Fotos brauchte, um meinen Artikel veröffentlichen zu können.

Ich ging über den Wanderweg – hinter den Häusern her … - und war erstaunt. Auf dem gesamten Gelände war nicht ein Stückchen Abfall zu finden. Alles war sauber, keinerlei dreckigen Ecken, wo sich menschlicher oder künstlicher Unrat türmte – wo war dieser Dreck, den so viele Leute bei Facebook & Co. so propagierten? – Ich fand nicht ein Schnipselchen.

Die Fotos von den Häusern waren recht schnell gemacht – aber ich fühlte mich beobachtet. Mein Gefühl betrog mich nicht: Ein aufgeregtes Klopfen an der Fensterscheibe eines Hauses ließ mich inne halten. Ich sah mehrere Personen hinter einer Gardine und machte spontan ein Handzeichen, dass sie doch bitte heraus kommen möchten. Die Balkontür öffnete sich – und ein Junge von etwa fünfzehn, sechszehn Jahren kam auf den Balkon im ersten Stock, mitsamt seiner zwei kleinen Geschwisterchen – süße Kinder mit offenen und klaren Augen, ca. sechs, sieben Jahre alt.

„Nix Foto – bitte – nix Foto. Foto delete, Foto nix“ … der junge Mann war aufgeregt und ich fühlte mich schlecht. Diese Augen erzählten mir so viel von seiner Furcht. Furcht vor Verfolgung durch die Presse, durch Rechtsradikale, durch „normale“ Bürger. „Bitte nix Foto“ … - Ich sagte immer wieder, dass ich diese Fotos für die Zeitung machen müsste, wenn ich sie nicht machte, dann käme Jemand anderes. Immer wiederholte ich die Worte „ich schreibe nichts Schlechtes über Euch“ – und fühlte mich schon wieder schlecht, … „über Euch“. Wie sich DAS anhörte. Ausgrenzung mit Worten – so einfach funktionierte sie.

Ich änderte meine Wortwahl und wiederholte nun die Begriffe „gute Fotos, keine Angst“ … - der Jugendliche war so tapfer und gleichzeitig war diese Furcht in den Augen … - ich hätte heulen können und kämpfe schon beim Schreiben wieder mit den Gefühlen. Wie fühlen sich eigentlich die sogenannten Sensationsreporter, wenn sie direkt vor ihren „Opfern“ stehen? – Stumpft man mit der Zeit ab und denkt nicht mehr darüber nach, wie sich die Leute vor der Linse fühlen?

Der kleine Junge mit den wachen Augen flüsterte seinem großen Bruder etwas ins Ohr – und dieser wandte sich an mich: „Will Fotos sehen, zeige Fotos“ – Ich hatte kein Problem damit, schließlich hatte ich bewusst vermieden die Menschen dort zu fotografieren. Ich holte den Fotoapparat heraus und zeigte dem Jungen alle „geschossenen“ Fotos. Sein Blick hellte sich auf und er schaute mir in die Augen. „Ist gut. Alles okay. Entschuldigen Sie.“ … - ER entschuldigte sich bei MIR ?! – Der Junge entschuldigte sich bei mir, weil er mir Unannehmlichkeiten gemacht hatte ?? – ICH hätte es machen müssen, hätte mich vielmals entschuldigen müssen für diesen Teil meiner Arbeit als Journalistin und war beschämt. Der große und der kleine Junge … - beide lächelten mir zu und verabschiedeten sich, gingen wieder in die Wohnung hinein, in der garantiert die Eltern hinter der Gardine standen und sich nicht trauten nach draußen zu gehen. Wegen mir.

Ich packte den Fotoapparat weg und ging langsam zum Auto zurück – ja, ich muss gestehen, ich hatte Tränen in den Augen, schämte mich. Auf dem Nachhauseweg schwor ich mir, dass ich am Samstag dieser Familie die wap vorbei bringen werde. Ich werde den beiden Jungen und ihren Eltern beweisen, dass ich zu meinem Wort stehe und keine Dinge schreibe, die sie denunzieren und der Verfolgung aussetzen würden. Wisst Ihr … - diese beiden Jungs waren nämlich MENSCHEN, ganz normale Kinder ….

Autor:

Monika Schwarz aus Ennepetal

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