Ein Tag im Leben eines Diakons
Auf den Spuren eines Diakons. Was macht ein Diakon eigentlich unter der Woche? Diese Frage stellte ich mir und begleitete Michael Nieder einen Donnerstag lang.
Meine Neugier begann mit einem Bummel in der Fußgängerzone.
Ich hörte eine junge Stimme hinter mir: „Echt krass, Pfarrer oder so was müsste man werden. Die arbeiten doch nur am Wochenende.“ „Jau, Alter. Wie Nieder. Der ist cool.“
Kennen Sie Diakon Michael Nieder aus der katholischen Gemeinde in Ennepetal? Wissen Sie, wie sein Alltag aussieht? Ich will es wissen und darf ihn einen Tag lang begleiten. „Wie wär´s mit einem Donnerstag? Ein Sonntag hingegen ist recht beschaulich - Zwei Gottesdienste, Papierkram, vielleicht eine Taufe.“ Um 8.15 Uhr geht es in der Kirche Herz Jesu in Milspe mit einem Mitmach-Schulgottesdienst für zwei Klassen los. Diakon Nieder ist schon früher da und hat bereits die Kirche vorbereitet. Die Grundschüler sind voll bei der Sache. Jeder will die gestellten Fragen beantworten. Nachdem die Kinder gegangen sind, räumt Nieder schnell auf.
Ich bin überrascht, ist das an seiner Hand ein Ehering? Auf dem Schreibtisch ein Familienbild? Wie war das mit dem Zölibat? Er lächelt und klärt mich auf: „Seit 1964 können auch verheiratete Männer Diakon werden, wenn die Ehefrau zustimmt. Dies ist ein Bild von unserer Silberhochzeit. Meine Frau und unsere vier erwachsenen Kinder.“
Auf einmal steht ein stolzer Vater vor mir, der es nur bedauert, dass kein Kind seine Leidenschaft für den 1. FC Köln teilt. „Es ist gut, dass es die Möglichkeit gibt, die Dimension von Familie mit in die Kirche einfließen zu lassen.“ Dieser Aspekt steht bei zölibatär lebenden Priestern nicht unbedingt immer im Fokus.
Aber wie lautet seine Berufsbezeichnung?
„Ich habe zwei Stellen, jeweils mit 50 Prozent. Bereits seit 2004 bin ich Bischöflicher Beauftragter für den Ständigen Diakonat im Bistum Essen. Seit Dezember 2013 bin ich in der katholischen Gemeinde Ennepetal auch Diakon mit Koordinierungsaufgaben. Viele reden umgangssprachlich von „Gemeindeleitung“. Das ist allerdings missverständlich, denn der eigentliche Leiter ist der Probst der Pfarrei St. Marien.“
Michael Nieder liebt an seinem Beruf die Nähe zu den Menschen, die vielen Begegnungen und Kontakte. Gerade auch mit Menschen, die man eher selten oder nie im Gottesdienst oder im Gemeindealltag trifft. Er war 15 Jahre lang Krankenhausseelsorger im Helios Klinikum Schwelm, bevor er die Koordinierung der Gemeinde übernahm. Pastor Herberhold wurde vom Bischof auf eigenen Wunsch als „Gemeindeleiter“ entpflichtet und ist seitdem als Seelsorger für die gesamte Pfarrei St. Marien beauftragt. Die Pfarrei, bestehend aus den deutschsprachigen Gemeinden in Gevelsberg, Schwelm, Ennepetal und den beiden fremdsprachigen Gemeinden - italienisch und kroatisch - wird von Probst Norbert Dudek geleitet.
Die Mischung macht das Leben aus
Diakon Nieder muss zu einem Kondolenzbesuch. Es gibt Ereignisse im Leben, die lassen sich nicht planen und gehören zu seinem Beruf. Ich schaue mir derweil das katholische Altenpflegeheim Haus Elisabeth oberhalb der Kirche an. Als er ca. anderthalb Stunden später wiederkommt, hat er sich verändert, da fehlt das Lächeln in seinen Augen, er wirkt ernster. Es war ein anstrengendes Gespräch, ich frage lieber nicht. Nun beschäftigt er sich zunächst mit der ganz normalen Büroarbeit. Er sieht seine Unterschriftenmappe durch, checkt E-Mails. Einige können sofort beantwortet werden, andere bleiben unbeantwortet. „Na, da habe ich was für heute Abend von zu Hause aus.“ Da ist es fast wieder, das Zwinkern in seinen Augen. „Es gibt auch Tauf- oder Brautleutegespräche. Die Mischung macht das Leben aus.“
Eine kurze telefonische Abstimmung mit einem Kollegen aus dem Schwelmer Pastoralteam, offene Fragen sollen abends nach der Pfarrgemeinderatssitzung geklärt werden. Auf seine Arbeitsbelastung angesprochen, erklärt Nieder: „Ich bin froh, die Gemeinden Schwelm und Ennepetal gestalten dieses Jahr gemeinsam den Firmunterricht. Mein Kollege hat die Gesamtleitung.“ Überhaupt: Ohne die engagierte Hilfe der zahlreichen Ehrenamtlichen wäre er wegen der Vielzahl der anstehenden Aufgaben „aufgeschmissen“. Und ohne die Hintergrundarbeit der Gemeindesekretärin liefe vieles gar nicht.
Das Handy will nicht schweigen: Einmal geht es um Ennepetal, dann um Essen… Es gibt keine zeitlich strikte Trennung zwischen seinen beiden Aufgabenbereichen. In beiden steht der Mensch im Mittelpunkt. Er arbeitet in Essen für Ennepetal und umgekehrt.
Auf nach Essen
Jetzt geht es für uns nach Essen ins Bischöfliche Generalvikariat. Wir bekommen in der Kantine gerade noch etwas zu essen, bevor die Sitzung der Diakonenkonferenz beginnt. Nieder hat den Vorsitz. Dann geht es nach Gladbeck zu einem Interessenten für die Diakonenlaufbahn. In der freien Wirtschaft würde man Diakon Nieder als einen Personalreferenten bezeichnen. Er betreut alle Diakone im Bistum Essen, angefangen vom Bewerbungsverfahren über die Ausbildung in Köln, Aachen und Essen bis hin zur Begleitung im Ruhestand.
Auf der Fahrt erzählt er: „Ich bin Dipl.-Theologe und Sozialarbeiter. Nach vielen Berufsjahren bei der Caritas und Kirche war mir klar, dass das Diakonat für mich die richtige Berufung ist.“ Er genießt die ökumenischen Kontakte mit den evangelischen Pfarrer(inne)n und ist im „Arbeitskreis Christlicher Kirchen“ aktiv. Ökumene – unverzichtbar! „Ich arbeite eng mit mehreren Schulen und selbstverständlich mit den katholischen Einrichtungen in der Stadt zusammen. Wir planen gemeinsame Aktivitäten und spezielle Gottesdienste. Ich bin Mitglied in etlichen kirchlichen und in städtischen Gremien.“ Und dann wären da noch die verschiedensten Gruppen und Verbände: DPSG, Kolpingjugend, kfd, Kolping …
Diakon oder Priester?
Aber wodurch unterscheidet sich denn nun ein Diakon von einem Priester?
Eine entscheidende Akzentsetzung des Diakons liegt darin, dass er in all seinen Handlungsfeldern in besonderer Weise die dienende Haltung verkörpern soll, in der Jesus auf Menschen zugegangen ist. Konkret bedeutet dies z.B. Begegnungen mit allen Gesprächspartnern „auf Augenhöhe“ und Orientierung an den Bedürfnissen des Gegenübers. Im Mittelpunkt stehen vor allem notleidende Menschen und Menschen, die eher am Rand der Gemeinde und/oder der Gesellschaft leben.
Das Besondere des Priesters: Nur er darf die heilige Messe als Vorsteher feiern, mit Wandlung und Kommunion. In der Messe ist der Diakon als Assistent und Prediger tätig. Die Beichte dürfen ausschließlich Priester abnehmen und die Lossprechung erteilen, ihnen allein obliegt auch die Spendung der Krankensalbung. In allen anderen pastoralen Feldern ist ein Diakon dem Priester gleichgestellt.
Auf die Ennepetaler Gemeinde bezogen heißt das laut Nieder: „Aufgrund der guten Zusammenarbeit innerhalb der Pfarrei ist die Übernahme priesterlicher Dienste kein Problem. Diese Aufgaben werden überwiegend von Pastor Herberhold aber auch von anderen Priestern der Pfarrei übernommen. Wir haben jetzt sogar jeden Monat in beiden Kirchen eine Familienmesse, inhaltlich und musikalisch wesentlich mitgestaltet von Ehrenamtlichen und Instrumentalkreisen. Achten Sie mal auf die Bekanntmachungen.“
Gerade rechtzeitig kommen wir am Abend zur Pfarrgemeinderatssitzung in Schwelm. Dort lerne ich auch die anderen Gemeinden der Pfarrei kennen. Die Sitzung endet gegen 21.30 Uhr. Aber da war doch noch was? Richtig, die offenen Fragen von heute Vormittag. Bevor die beiden Kollegen tief in die Details von Firmungen und Jugendmessen einsteigen, verabschiede ich mich, ein aufschlussreicher und aufregender Tag neigt sich dem Ende zu.
Jungs, das mit der Arbeitszeit solltet ihr euch vielleicht noch mal überlegen – aber cool ist Diakon Nieder auf jeden Fall. Mit dem Mann kann man wirklich über Gott und die Welt reden.
Wer die katholische Gemeinde in Ennepetal selber kennenlernen möchte, hat dazu nach der Messe am 15. März um 9.30 Uhr in Herz Jesu (Milspe) die Gelegenheit. Dort findet ein Fastenessen statt, das die ideale Möglichkeit für eine zwanglose Begegnung und Gespräche bietet.
Wer sich intensiver mit dem Berufsbild eines Diakons beschäftigen will, dem seien die Internet-Seiten des Bistums-Essens www.bistum-essen.de (Seelsorge & Glauben) empfohlen.
Hintergrundwissen:
Das Amt des Diakons ist in der Kirche sehr, sehr alt. Diakon heißt wörtlich übersetzt „Diener“. Im Auftrag des Bischofs leisten Diakone Dienst am Nächsten und helfen Menschen in Notsituationen. Über viele Jahrhunderte hatte der Ständige Diakon an Bedeutung verloren, da dieses Weiheamt nur als ein Zwischenschritt zum Priester gesehen wurde. Dies hat sich aber seit dem II. Vatikanischem Konzil wieder geändert.
Der Ständige Diakon ist in den drei kirchlichen Grunddiensten (am Nächsten, am Wort, in der Liturgie) tätig.
Diakone taufen, trauen, beerdigen, assistieren in der heiligen Messe, halten die Predigt oder Katechese und nehmen vielfältige seelsorgliche Aufgaben wahr. Diakone mit Koordinierungsaufgaben werden im Bistum Essen in Gemeinden eingesetzt, die von keinem Priester geleitet werden. In solchen Gemeinden sichern sie die pastorale Arbeit, koordinieren die Dienste und Aufgaben in der Gemeinde, sind Verbindungsglied zur Pfarrei und übernehmen – mit Ausnahme der dem Priester vorbehaltenen Dienste – alle Aufgaben eines Pastors.
Autor:Heike Büchsenschütz aus Schwelm |
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