Wir fragen die Stadtspitzen: Heute antwortet Bürgermeisterin Imke Heymann
"Mir fehlt der Kontakt zu den Bürgern"

Bürgermeisterin Imke Heymann, Ennepetal. Foto: Stadt Ennepetal
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  • hochgeladen von Dr. Anja Pielorz

Wie geht ein Stadtoberhaupt in der aktuellen Situation und vor dem Hintergrund der Kommunalwahl im September im Alltag mit den Herausforderungen um? Wir haben nachgefragt. Den Anfang macht Bürgermeisterin Imke Heymann aus Ennepetal.

Was sind die Veränderungen im beruflichen Alltag des Bürgermeisters in der Corona-Krise?
HEYMANN:
Alles, was aktuell von Land und Bund beschlossen wird, muss am Ende in den Kommunen umgesetzt werden - meist mit sehr wenig Vorlauf. Das erfordert viele schnelle Entscheidungen, ständige Umpriorisierung und auch Improvisation. Die ganze Verwaltung befindet sich im Krisenmodus und wir müssen die Arbeit unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen aufrechterhalten. Viele Unternehmer und Privatpersonen wenden sich mit der Bitte um Hilfe an die Stadt und mich persönlich aus ganz verschiedenen Gründen. Es stehen Existenzen auf dem Spiel, viele Menschen haben Angst oder brauchen einfach nur Hilfe bei der Einhaltung oder einfach nur dem Verstehen der Auflagen. Ich versuche hier so viel und umfassend auf sämtlichen Kanälen zu informieren - es reicht nicht, wenn es einen Erlass vom Land gibt - der muss vor Ort umgesetzt und den Menschen erklärt werden, um nicht noch mehr Ängste zu schüren.
Aktuell stehe ich den Menschen hierfür rund um die Uhr und am Wochenende zur Verfügung und wir versuchen von Seiten der Verwaltung alles, was möglich ist, um unsere Bürgerinnen und Bürger heil durch diese Krise zu bringen. Die politische Arbeit hat sich auch verändert - es finden kaum noch Sitzungen statt - die Abstimmung mit den Fraktionen erfolgt übers Telefon. Da ziehen alle lokalpolitischen Kräfte an einem Strang und schenken uns das Vertrauen, was wir brauchen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dafür bin ich sehr dankbar. Die Bewältigung der Krise ist aber nur eine Sache - die Frage ist, wie es danach weiter geht. Alle Planungen für die nächsten Jahre stehen auf dem Prüfstand - die Krise wird massive Auswirkungen auf diesen und kommende Haushalte haben. Die Wochenenden und Abende haben sich auch verändert - Veranstaltungen finden natürlich praktisch nicht mehr statt. Echte freie Tage hatten aber die Wenigsten bei uns in den letzten Wochen. Ich finde es großartig, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen da mitziehen und helfen die Krise zu meistern und weit über ihre Grenzen gehen. Ich bin sehr stolz auf unsere Stadtverwaltung. Dafür möchte ich mich auch einfach mal Bedanken.

Glauben Sie an den Termin der Kommunalwahlen am 13. September 2020?
HEYMANN:
Das wird von der Entwicklung der nächsten zwei oder drei Wochen abhängen. Wenn die Lockerungen nicht zu einer zweiten Welle führen und wir die Lage unter Kontrolle halten, wird die Wahl wahrscheinlich stattfinden. Gibt es jetzt Rückschläge, kann ich mir eine Wahl nur schwer im September vorstellen. Die Entscheidung trifft aber das Land.

Wie kann in Zeiten von Sicherheitsabständen und Veranstaltungsabsagen überhaupt ein persönlicher Wahlkampf möglich sein?
HEYMANN:
Die Frage beschäftigt die Parteien zurzeit, die ja auch ihren Kommunalwahlkampf planen müssen. Bei der Kommunalwahl, genauso wie bei der Bürgermeisterwahl, geht es um den Menschen vor Ort - der persönliche Kontakt ist hier viel höher als bei Landtags- oder Bundestagswahlen, wo die Kandidaten eben nicht für ein persönliches Gespräch praktisch zum Anfassen zur Verfügung stehen. Ein Wahlkampf unter den Einschränkungen von Corona wird sehr schwer werden - Wahlstände auf dem Marktplatz, wo sich die Menschen zum persönlichen Gespräch treffen und eine Grillwurst essen, kann ich mir aktuell nicht vorstellen. Auch Podiumsdiskussionen mit hundert oder mehr Zuschauern im Saal wird es wahrscheinlich nicht geben können. Der Wahlkampf wird mehr ins Internet und die Zeitung verlagert werden - das ersetzt aber nicht den persönlichen Kontakt und einen Menschen zu erleben.

Was tun Sie als Bürgermeister konkret, um der Wirtschaft vor Ort Mut zu machen?
HEYMANN:
Ich stehe immer für die Wirtschaft als Ansprechpartner zu Verfügung. Gewerbesteuerzahlungen sind natürlich aktuell ein großes Thema - darum kümmern sich die Kollegen in der Kämmerei - hier vor Ort kennen sich die Ansprechpartner alle seit vielen Jahren - das ist sehr hilfreich. Wir versuchen auch ganz konkret kleinen Unternehmern zu helfen Lösungen zu finden ihr Geschäft trotz Corona zu betreiben. So haben wir sofort bei Krisenausbruch begonnen eine Liste der Geschäfte zusammenzustellen, die ihr Angebot auf Lieferung umgestellt haben und auf unsere Internetseite gestellt. Gerade viele kleine Geschäfte hatten zu Beginn der Krise erhebliche Probleme, mit den Auflagen klar zu kommen oder aktuell die Hygienekonzepte umzusetzen. Auch hier helfen wir ganz konkret und beraten die Unternehmer vor Ort. Dazu haben wir auf unserer Internetseite Informationen für Gewerbetreibende mit entsprechenden Links veröffentlicht und eine Hotline für Gewerbetreibende eingerichtet über die wir Rat und Unterstützung anbieten. Ich versuche aber auch die Bevölkerung ganz aktiv zu animieren, gerade jetzt die heimische Wirtschaft zu unterstützen, vor Ort zu kaufen, wo das möglich ist und auch die heimische Gastronomie zu unterstützen, wenn das im Rahmen der eigenen finanziellen Möglichkeiten ist.

Halten Sie die bisherigen Maßnahmen, die von Land und Bund getroffen wurden, für ausreichend?
HEYMANN:
Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob die eine oder andere Maßnahme früher hätte kommen müssen oder ob alle Maßnahmen oder Ausnahmen sinnvoll waren. Ich glaube man muss berücksichtigen, dass die Lage, mit der wir es zu tun haben, für kaum jemanden so vorstellbar war. Es gibt auch ständig neue Erkenntnisse und dann muss man seinen Standpunkt überdenken und es muss dann erlaubt sein, dass man Entscheidungen wieder revidiert. Wichtig ist aber, wie die Entscheidungen kommuniziert werden, denn die Menschen müssen sie verstehen, um sie akzeptieren zu können. Dass viele Dinge intensiv diskutiert werden und man auch unterschiedliche Meinungen vertritt, ist ungeheuer wichtig und muss auch sein - am Ende muss aber eine klare Linie für das ganze Land bestehen. Das Vertrauen der Menschen setzt Verlässlichkeit des Staates voraus - wenn man hart um Absprachen gerungen hat und die dann feststehen, müssen sie auch einheitlich kommuniziert und eingehalten werden. Bei der Kommunikation der Maßnahmen gibt es meiner Ansicht nach noch Luft nach oben.

Wie nehmen Sie die Einhaltung der bisherigen Maßnahmen in der Corona-Krise wahr? Halten sich die Ennepetaler überwiegend daran?
HEYMANN:
Überwiegend schon. Wir haben wenige Probleme mit Verstößen. Ausnahmen gibt es natürlich immer wieder, aber wir versuchen, dann nicht nur die Maßnahmen zu ahnden, sondern vor allem auch zu erklären, warum die Einhaltung wichtig ist. Die Ennepetaler machen das aber bisher wirklich gut und sehr diszipliniert - dafür auch ein ganz großer Dank. Was von den Menschen aktuell verlangt wird, hätten wir uns vor ein paar Monaten niemals vorstellen können und was wir erleben, ist ein hoher Grad an Verständnis, Selbstdisziplin und vor allem Solidarität mit den Mitmenschen. Das ist großartig.

Wie gehen Sie privat mit den Einschränkungen um und was fällt Ihnen besonders schwer?
HEYMANN:
Mir fehlt der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Gerade jetzt beginnt die Zeit mit zahlreichen Festen, wo man sich wieder trifft und austauschen kann. Ich merke, dass mir Menschen fehlen, die ich sonst immer wieder auf der einen oder anderen Veranstaltung treffe und die ich jetzt lange nicht gesehen habe. Ich mag den Kontakt und den Austausch und zu sehen, dass es den Leuten gut geht. Treffen mit Freunden fehlen mir auch - die Grillsaison beginnt und diesmal wird es wohl keine größeren Feiern mit Freunden und Kollegen geben. Eine Begrüßung mit zwei Metern Abstand finde ich auch nach wie vor schwierig. Persönlich fehlen mir meine Eltern. Normalerweise besuchen sie mich um diese Zeit und ich fahre zum Geburtstag meines Vaters nach Leipzig - das fällt alles aus. Meine Eltern gehören natürlich auch zur Risikogruppe und ich mache mir Sorgen.

Ein Wort zu Ihren Gegenkandidaten Cornelia Born-Maijer und Sotirios Kostas…
HEYMANN:
Bisher haben sich zwei Gegenkandidaten gemeldet, die bei der anstehenden Wahl antreten möchten Cornelia Born-Maijer und Sotirios Kostas. Sie haben mir die Fragen hier als Bürgermeisterin gestellt und aus dem Amt als Bürgermeisterin möchte ich mich nicht zur Qualifikation oder zur Person einzelner Gegenkandidaten äußern - ich fände das auch nicht anständig. Grundsätzlich werden die anstehenden Landrats- und Bürgermeisterwahlen in ganz NRW dazu führen, dass es in dem einen oder anderen Kreis- oder Rathaus des Landes zu Wechseln kommen wird - sei es auch nur, weil die bisherigen Amtsinhaber nicht mehr antreten. Wenn wir davon ausgehen, dass die Krise im September noch nicht überstanden ist, werden die Kommunen und Kreise vor Herausforderungen stehen, die ohne ein tiefes Verständnis der Verwaltungen, Erfahrung und Führungsstärke in meinen Augen nicht zu bewältigen sind. Egal wer in dieser Zeit ein solches Amt übernehmen will, sollte die Fähigkeiten, Erfahrung, Persönlichkeit und den Willen haben, sich einer solchen Aufgabe zu stellen.

Zu guter Letzt: Ein paar aufmunternde Worte an die Ennepetaler
HEYMANN:
Ich habe selten so viel Solidarität und Miteinander zwischen den Menschen erlebt, wie in dieser Zeit. Es ist unglaublich, wie viele Menschen über sich hinauswachsen, um sich für andere einzusetzen, zu helfen und zu unterstützen - jeder so, wie er es kann. Dieser Krise wird viel zum Opfer fallen, wofür wir alle lange Zeit gekämpft und gearbeitet haben, aber wenn wir diesen Zusammenhalt zwischen den Menschen mitnehmen und uns mehr darauf besinnen, was wirklich wichtig ist, dann werden wir in einigen Jahren zurückblicken und feststellen, dass es uns als Gesellschaft und als Mitmenschen weiter gebracht hat. Ich bin sehr stolz auf unsere Stadt und die Menschen, die hier leben und möchte einfach allen danken, die jetzt Zusammenstehen. Wir sind alle zusammen in diese Krise geraten und jetzt arbeiten wir uns alle zusammen wieder heraus.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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