Gas aus Wind und Sonne ?

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Quelle: Welt der Physik

Im Gegensatz zu fossilen oder nuklearen Kraftwerken speisen Solar- und Windkraftanlagen sehr unregelmäßig Strom ein. Diese Fluktuationen müssen ausgeglichen werden, wenn jedoch der Anteil an erneuerbaren Energien weiter zunimmt, fehlen ausreichende Speicher. Eine neue Idee ist, aus erneuerbarem Strom synthetisches Erdgas herzustellen, das sich auch langfristig in den bestehenden Gasspeichern lagern lässt und in Gaskraftwerken rückverstromt werden kann.

Wenn in Zukunft mehr Strom aus erneuerbaren Quellen ins Netz eingespeist wird, steigt vor allem der Bedarf an Spitzenlastleistung, während der Bedarf an Grundlastkraftwerken sinkt. Erneuerbare Energien übernehmen immer größere Teile der Stromversorgung und auch der Grundlastbänder, weshalb konventionelle Kraftwerke geringere Auslastungen haben werden. Gleichzeitig fallen Energie-Überschüsse an, wenn Windenergie- und Solaranlagen bei guter Wetterlage mehr Strom produzieren, als gebraucht wird. Deshalb müssen nicht nur die Netze sondern auch die Speichermöglichkeiten ausgebaut werden, um Überschüsse zu speichern und für Spitzenlastzeiten nutzen zu können.

Bei Speichern wird zwischen Kurzzeitspeicher für Stunden und Tage und Langzeitspeicher für Wochen und Monate unterschieden. Der steigende Spitzenlastbedarf schwankt vorwiegend über mehrere Wochen, während die Leistungsüberschüsse aus erneuerbaren Energien vor allem täglich auftreten. Im Idealfall wird also stündlich oder täglich eingespeichert aber nur wöchentlich oder saisonal ausgespeichert.

Für den Ausgleich von Fluktuationen innerhalb eines Tages sind Pumpspeicherwerke und zukünftig adiabate (wärmedichte) Druckluftspeicher geeignet. In den Verteilnetzen könnten dezentrale Speichertechnologien wie stationäre oder mobile Batterien die Engpässe ausgleichen. Auch steuerbare Verbraucher wie Elektroautos, Wärmepumpen und Klimaanlagen – die im Zuge der Umsetzung von Smart Grids erschlossen werden – tragen dazu bei, kurzfristige Schwankungen abzufangen.

Erneuerbares Methan: ein möglicher Langzeitspeicher

Eine Herausforderung bleibt der Ausgleich von Langzeitfluktuationen. Dieser ist mit Kurzzeitspeichern wie den derzeitigen Pumpspeichern nicht wirtschaftlich. Theoretisch könnte der Ausgleich über einen europäischen Stromverbund erfolgen. Allerdings müssten die Transportkapazitäten dafür extrem groß sein und der Ausbau wäre sehr kostspielig. Trotz idealem Netzausbau bliebe daher ein Speicherbedarf. Eine weitere Option ist die Speicherung von Wasserstoff, wofür geeignete Transportnetze und Rückverstromungsanlagen wie Wasserstoffkraftwerke erst noch gebaut werden müssten.

Der größte Energiespeicher in Deutschland ist das Erdgasnetz samt seinen Gasspeichern. Während das Stromnetz in Deutschland mit allen Pumpspeichern nur 0,04 Terawattstunden (TWh) elektrische Energie aufnehmen kann, haben die Erdgasspeicher eine Kapazität von 220 TWh thermischer Energie in Form von Gas. In flexiblen Gaskraftwerken lassen sich daraus wiederum etwa 120 TWh Strom gewinnen, was knapp einem Fünftel des jährlichen Bruttostrombedarfs entspricht. Deshalb entwickelte unsere Gruppe vom Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel zusammen mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Stuttgart eine Methode, Strom aus erneuerbaren Energien in synthetisches Erdgas (auch erneuerbares Methan, Windgas oder Solargas genannt) umzuwandeln. Dazu spalten wir mit regenerativem Strom Wasser über eine Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff wird mit CO2 in einer thermochemischen Synthese (Methanisierung) zu Methan umgewandelt. Das erneuerbare Methan (EE-Methan) kann anschließend gespeichert, transportiert und je nach Bedarf als Regel- und Reserveenergie in Gas- oder Gas- und Dampf-Kraftwerken sowie Blockheizkraftwerken in Privathaushalten rückverstromt werden. Darüber hinaus ist EE-Methan wie natürliches Erdgas vielseitig einsetzbar: zur Bereitstellung von Hochtemperatur-Prozesswärme oder als Kraftstoff für Erdgasautos, LKWs oder Schiffe.

Gegenüber reinem Wasserstoff hat EE-Methan einen entscheidenden Vorteil: Es eignet sich für die bestehenden Gasnetze, Gasspeicher und Endverbrauchergeräte. Des Weiteren hat Methan eine dreifach höhere Energiedichte und verbraucht somit dreimal weniger Speicherplatz als Wasserstoff.

CO2-Quellen und Effizienz

Als CO2-Quellen bieten sich Bioenergieanlagen, darunter Biogasanlagen, Biomassevergasungsanlagen und Bioethanolanlagen, sowie Kläranlagen oder industrielle Quellen an. Das für die Herstellung von EE-Methan notwendige CO2 kann auch aus der Luft absorbiert oder direkt aus industriellen Prozessen wie Kalk- und Zementherstellung abgegriffen werden, bevor es in die Luft gelangt. Bei der Verbrennung von EE-Methan in Gaskraftwerken lässt sich das dabei entstehende CO2 teilweise recyceln, was eine weitere CO2-Quelle darstellt. Die Herkunft des CO2 ist entscheidend für die Klimaschutzwirkung von EE-Methan, weshalb wir auf CO2 aus fossilen Kraftwerken verzichten wollen.

Steht CO2 zur Verfügung, kann der erneuerbare Strom mit einem Wirkungsgrad von 60 Prozent zu EE-Methan umgewandelt und im Erdgasnetz gespeichert werden. Wird das Gas rückverstromt, verbleiben je nach Verfahren zwischen 28 bis 45 Prozent der Primärenergie, die Effizienz ist mit der Wasserstoffspeicherung vergleichbar. Zudem fällt der Wirkungsgrad wenig ins Gewicht, wenn aus überschüssiger, nicht nutzbarer Windenergie ein nutzbarer und speicherbarer Energieträger wie EE-Methan geschaffen wird.

Vor allem bei der Produktion von Kraftstoff ist EE-Methan eine interessante Alternative, weil viel weniger Fläche benötigt wird als beim Anbau von Biomasse. Pflanzen setzen über Fotosynthese etwa ein Prozent der Solarenergie in Rohbiomasse um, nach Vergärung oder Vergasung zu Biomethan ergibt sich ein Gesamtwirkungsgrad von einem halben Prozent. Fangen Photovoltaikanlagen die solare Strahlung ein und erzeugen so Strom für EE-Methan-Anlagen, dann bringt das den 20-fachen Ertrag bei einem Nutzungsgrad der Sonne von 10 Prozent. Bei Windparks liegt der Faktor sogar noch höher, je nach Standort und Flächenverbrauch. Unter Windkraftanlagen kann zudem weiter Land- und Forstwirtschaft betrieben werden. Damit wird eine kombinierte Energie- und Landwirtschaft auf ein und derselben Fläche möglich.

Kosten und erste Anlagen

Für kommerzielle Anlagen mit einer Leistung von zehn bis 20 Megawatt elektrisch schätzen wir die Kosten für EE-Methan auf acht bis zehn Cent pro Kilowattstunde thermischer Energie aus Gas. Das entspricht etwa dem Preis von Biomethan aus Biogasanlagen. Eine erste Pilotanlage in der Leistungsklasse 30 Kilowatt elektrisch entstand bereits im Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Stuttgart im Auftrag der Firma Solar Fuel Technology. Sie beinhaltet Elektrolyse, Methanisierung, Steuer- und Regelelektronik inklusive eines Betankungsmoduls für Erdgasfahrzeuge. Nach Abschluss der Testphase wird sie an eine Biomethananlage angeschlossen, um den aus dem Biogas abgetrennten CO2-Anteil für EE-Methan zu nutzen. Bei der nächsten Anlage mit einer Leistung von sechs Megawatt soll das natürliche Gemisch von Biogas aus Methan und CO2 direkt mit Wasserstoff angereichert werden.

Global gesehen ermöglicht das Konzept, erneuerbare Energien auch in großen abgelegenen, bisher ungenutzten Gegenden verfügbar zu machen, die nicht ans Stromnetz angeschlossen sind. Überall dort, wo Wasser, Luft, Wind oder Sonne verfügbar stehen, kann mit EE-Methan ein speicher- und transportierbarer Energieträger produziert werden. Fast alle Länder wären damit weniger abhängig von ausländischen Strom- und Gasimporten und müssten entsprechend weniger außenpolitische Maßnahmen zur Sicherung ihrer Energieversorgung ergreifen. Insgesamt könnte das EE-Methan-Konzept ein Schlüsselelement für ein Energiesystem sein, das 100 Prozent erneuerbar, stabil und emissionsfrei ist. Eine regenerative Vollversorgung ist dadurch technisch möglich.

Autor:

Sven Hustadt aus Ennepetal

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