PCB-Werte in 2020 deutlich gesunken - Emission durch medizinische Produktion
biw fordert neue Messungen
![Ralf Stoffels in der Produktion. Foto: Pielorz](https://media04.lokalkompass.de/article/2021/03/01/8/11669288_L.jpg?1614620540)
- Ralf Stoffels in der Produktion. Foto: Pielorz
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Der PCB-Skandal in Ennepetal geht in die nächste Runde. Just zu dem Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsführung von biw zu einer Pressekonferenz geladen hatte, erreichte die versammelten Medienvertreter zeitgleich die nächste Pressemitteilung aus dem Kreishaus. Landrat Olaf Schade erklärte nach den jüngsten Messungen der Grünkohl-Beprobung: „Aus Sicht der Experten des LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) hätten es die Ergebnisse des aktuellen Grünkohlberichts möglich gemacht, die bestehenden Verzehrhinweise für Obst und Gemüse räumlich und inhaltlich großzügiger zu gestalten. Voraussetzung hierfür wäre aber gewesen, dass biw den Einsatz des chlorhaltigen Vernetzers, der die PCB-Emissionen verursacht, weiter reduziert oder PCB wirksam herausfiltert.“ Da dies angesichts der derzeitigen Rechtslage aber nicht angeordnet werden könne und seitens des Unternehmens biw freiwillig erfolgen müsste, bleibe es vorsorglich bei der bestehenden Verzehrempfehlung, Blattgemüse im unmittelbaren Umfeld der Firma gar nicht und in Büttenberg höchstens ein- bis zweimal pro Woche zu verzehren. Biw selbst sagt: „Der mit dem Ministerium vereinbarte Zielpfad für 2020 konnte in Summe eingehalten werden.“ Schwankungen innerhalb des Jahres seien der aktuellen Situation in der Corona-Pandemie geschuldet.
Ralf Stoffels, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, erklärt. „Die Schwankungen in 2020 in den Messergebnissen erklären sich durch höhere Kundennachfrage medizinischer Geräte in der Corona-Pandemie im zweiten Halbjahr. BIW ist als Lieferant systemrelevanter Artikel, darunter medizinische Schläuche für Dialyse- und Beatmungsgeräte, verpflichtet, bestehende Verträge zu erfüllen, damit Lieferketten nicht abreißen. Aus Sicherheitsgründen ist weder ein Lieferanten- noch ein Standort-Wechsel zulässig. Wir haben aber zum Jahresende 2020 alle nicht auf einen chlorfreien Vernetzer umzustellenden Artikel wie versprochen abgekündigt. Diese abgekündigten Medizinprodukte werden maximal bis zum erfolgreichen Abschluss des vom Land NRW geförderten Projektes oder dem aktuellen Kundenumstellungstermin 2022 mit der bisherigen Technologie noch gefertigt.“ Alternativen seien bereits im Test- und Freigabeverfahren. Allerdings: Diese Alternativen können künftig nicht mehr nur aus Ennepetal kommen. „Der Großkunde hat uns unmissverständlich mitgeteilt, dass man auch internationale Wettbewerber und andere Standorte ins Kalkül zieht. Unter Umständen bedeutet das den Verlust des Kunden für den Ennepetaler Standort von biw.“ Ob das auch einen Arbeitsplatzverlust nach sich ziehen könnte, lässt Stoffels offen.
Keine Gesundheitsgefahr
Stoffels gibt weiter an, eine gesundheitliche Gefährdung bestehe nicht, bisherige Blutuntersuchungen an der RWTH Aachen konnten PCB 47 nicht nachweisen. „Die zugesagte Null PCB Emission ist Stand heute mit Einsatz der Filtertechnik auf die Produktion systemrelevanter Medizinprodukte zu mehr als 99 Prozent erreicht worden.“ 2019 habe man pro Woche 924 Kilogramm des chlorhaltigen Vernetzers eingesetzt. Ab Juli letzten Jahres sei es bereits zu einer Reduzierung von siebzig Prozent gekommen. Aktuell läge man bei 30 Kilogramm pro Woche. Das entspräche drei Prozent der Verwendung eines chlorhaltigen Vernetzers und unter der Verwendung der neuesten Filtertechnik einem Prozent Emission. „Aus unserer Sicht sind bei den Messergebnissen nicht die Schwankungen aus 2020 relevant, sondern der tatsächliche Einsatz des chlorhaltigen Vernetzers im ganzen Jahr. Es müssen Messergebnisse aus 2019 mit den Werten ab heute verglichen werden. Die Schwankungen aus 2020 enthalten prozessbedingte Auslaufwerte, Umstellungen und sehr unterschiedliche Kundennachfragen aufgrund der Corona-Pandemie und sind nicht geeignet. Neue Grünkohlproben wären aus unserer Sicht absolut wünschenswert.“
Eine vollständige PCB-freie Produktion ab 1. April 2021 will biw durch die Auslagerung einer Pilotanlage erreichen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz nimmt ab dem 1. April 2021 die Silikon verarbeitenden Betriebe, die mit einem chlorhaltigen Vernetzer arbeiten, in eine gesetzliche Anzeige- und Überwachungspflicht. „Die Anlagen, auf denen die betroffenen medizintechnischen Artikel verarbeitet werden, arbeiten mit einer besonders effizienten Filtertechnik. Das Projekt wird vom LANUV überwacht und wenn der Kreis unseren Anträgen auf Nutzungsänderung zustimmt, kann der EN-Kreis diese Anlagen getrennt von der biw überwachen.“
Bürgerinitiative sieht Rechtbeugung
Laut biw ist dem EN-Kreis seit 1986 bekannt, dass in der Silikon Verarbeitung nicht-dioxin ähnliche PCB wie PCB 47 entstehen. Eine belegte gesundheitliche Beeinträchtigung wurde noch nicht nachgewiesen. Gesetzliche Grenzwerte oder Beschränkungen gibt es bis heute nicht. Landrat Olaf Schade betont daher auch: „Das Unternehmen hält sich an Recht und Gesetz. Wir können daher nicht, wie vielfach gefordert, die Produktion stilllegen.“
Die Bürgerinitiative verlangt indes deutliche Worte. In einem Schreiben an Landrat Olaf Schade spricht sie von einer „Rechtbeugung zum Vorteil von biw“. Insbesondere in der Person von Ralf Stoffels sieht man einen „Einfluss nachweislich über die IHK bis zur Gesetzgebung.“ Ralf Stoffels ist Präsident der SIHK und seit Januar auch Präsident der IHK NRW. Für die Bürgerinitiative erklärt Melanie Rütter in dem Schreiben, man erwarte einen sofortigen PCB-Stopp und verweist auf starke Geruchsbelästigungen, die mit übelriechenden Wolken in Verbindung gebracht werden und sich genau an den Stellen aufhielten, wo auch die Messwerte der Proben wieder höher seien.
Mehr Informationen will auch die Kreistagsfraktion Linke/Piraten im Umweltausschuss des Kreises erhalten. Sie erwartet einen konkreten Handlungsplan.
Ralf Stoffels abschließend auf der Pressekonferenz: „Ich kann nur sagen: Wenn ab heute hier noch überdurchschnittliche Werte gemessen werden, dann sind sie nicht von biw.“
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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