Schüler geben jüdischen Schicksalen ein Gesicht
Nun schon seit mehreren Jahrzehnten gedenken Kinder und Jugendliche in Wickede der November-Pogrome 1938 – und die Erwachsenen halten sich dabei im Hintergrund: Gestaltet wird die Veranstaltung nur von Wickeder und Husener Schülern.
Nach Wickede eingeladen hatte am Montagabend die Bezirksvertretung Brackel. Rund 170 Kinder der Wickeder Steinbrink- und Bach-Grundschule sowie der Katholischen Hauptschule Husen, Jugendliche und Erwachsene gedachten auf dem Platz am Seniorenhaus Lucia am Wickeder Hellweg der Opfer der Nationalsozialisten.
Die Schüler haben sich auf unterschiedliche Arten mit dem Schicksal der Juden beschäftigt. So erzählten mehrere von ihnen die Geschichte des Platzes und des dortigen stählernen „Denkmal gegen das Vergessen“. – „Das Denkmal haben wir heute morgen geputzt“, merkte dazu Steinbrink-Grundschüler Louis aus der Klasse 4a an.
Die Familien und ihre Schicksale wurden von weiteren Kindern vorgestellt. So erfuhren die Anwesenden etwa das Schicksal Otto Steinwegs, der in der Pogromnacht an einem Herzanfall starb. Seine Familie konnte später in die USA flüchten. Andere Familien wurden aber deportiert und vergast.
Besonders bewegend wurde es, als mehrere Schüler Sätze vortrugen, die auch jüdische Kinder in den 1930er-Jahren gesagt haben könnten. So etwa: „23. August 1941. Eigentlich wollten wir nach Paris flüchten. Jetzt müssen wir hier bleiben. Juden wird die Ausreise verweigert.“ Ein Schüler sagte: „Der 9. November war nicht der Anfang, und auch nicht das Ende.“
„Wie haben uns im Unterricht viel mit der Judenverfolgung beschäftigt“, erklärte Stefanie Denk, Schulleiterin der Wickeder Steinbrink-Grundschule, die auch „Schule ohne Rassismus“ ist. Als Klassenlehrerin der 4 a hat sie mit ihren Schülern unter anderem über „Papa Weidt“, gesprochen, der sich während des Nazi-Regimes für etliche Juden eingesetzt hatte. Otto Weidt gehörte eine Bürstenwerkstatt, in der er heimlich Juden und Blinde arbeiten ließ.
„Die Kinder geben den Schicksalen ein Gesicht“, ergänzte Brackels Bezirksbürgermeister Karl-Heinz Czierpka, selbst Wickeder. „So sind die Opfer nicht anonym, sondern die Nachbarn der damaligen Wickeder.“
„Wir haben viel über die Situation der Juden gelesen“, beschrieb Carla (9 Jahre). „Im Sitzkreis haben wir uns über Mahn- und Denkmäler unterhalten“, so die Schülerin der 4 a der Steinbrink-Grundschule. „Über Hitler haben wir auch gesprochen“, erklärte Ezin. „Es ist wichtig, dass das nicht vergessen wird, sonst könnte es nochmal passieren“, sagte ihre Klassenkameradin Sara.
Nach der Gedenkfeier im Ortskern gingen alle Teilnehmer mit Kerzen hoch zum ehemaligen jüdischen Friedhofsgelände am Fränkischen Friedhof, um dort einen Kranz niederzulegen. Danach ging es ins evangelische Begegnungszentrum an der Johanneskirche am Hellweg, wo es eine kleine Ausstellung zum Thema gab.
Autor:Tobias Weskamp aus Dortmund-Ost |
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