Nach PCB-Immissionen in Körne legt Landesumweltamt Bericht zu Grünkohl-Untersuchungen vor:
Noch leicht erhöhte PCB-Werte in der Gartenanlage "Nord-Ost": Blattgemüse-Verzehr einschränken

Der Haupteingang der Körner Gartenanlage "Nord-Ost" an der Hannöverschen Straße (Archivfoto). | Foto: Ralf K. Braun
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  • Der Haupteingang der Körner Gartenanlage "Nord-Ost" an der Hannöverschen Straße (Archivfoto).
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Bereits im vergangenen Jahr haben die PCB-Immissionen im Umfeld der Firma M+S Silicon an der Hannöverschen Straße die Bevölkerung nicht nur in Körne beschäftigt.

Die Löwenzahn-Untersuchungen des Landesumweltamtes (LANUV), die wie in Dortmund auch an Standorten weiterer silikonherstellender Betriebe in NRW durchgeführt wurden, hatten Hinweise geliefert auf ein bis dahin unbekanntes Problem: Durch den Einsatz eines chlorhaltigen Zuschlagstoffs entstanden im Produktionsprozess spezielle, gesundheitsschädliche polychlorierte Biphenyle, kurz: PCB. Diese staub- und gasförmigen Emissionen hatten Auswirkungen auf das unmittelbare Umfeld.

Nicht-Verzehrempfehlungen im Umfeld ausgesprochen

Die Stadt Dortmund hatte daraufhin für den Anbau und Verzehr einiger Nutzpflanzen vorsorgliche Nicht-Verzehrempfehlungen ausgesprochen. Diese Empfehlungen richteten sich zum einen an die Mitglieder*innen vier betroffener Gartenvereine im Umfeld, in den Anlagen "Schwarzer Kamp", "Zur Lenteninsel", "Nord-Ost" und, "Frohes Schaffen", sowie an die Nutzer*innen der privaten Hausgärten in einem definierten Bereich rund um den Unternehmensstandort im Gewerbegebiet an der Hannöverschen Straße 28 im Körner Norden.

Weitere Untersuchungen wurden durchgeführt. Zum einen betraf das die Entnahme und Analyse von Bodenproben. Zum anderen sind vom LANUV Container mit Grünkohlpflanzen aufgestellt worden, um die Immissionsbelastung für Nutzpflanzen besser abschätzen zu können.

Keine Einschränkungen für Kinderspielflächen

Die Ergebnisse der im Auftrag des Umweltamtes erfolgten Bodenuntersuchungen lieferten die wichtige Erkenntnis: In keiner der Bodenproben waren die produktionstypischen Einzelsubstanzen (PCB Nr. 47, 51 und 68) enthalten. Auch der gesetzliche Prüfwert der Bundes-Bodenschutzverordnung für die besonders sensiblen Kinderspielflächen wurde im Hinblick auf den
Gesamtgehalt der PCB in allen Proben unterschritten. Bezogen auf die untersuchte Schadstoffgruppe bestehen also keine Einschränkungen für Kinderspielaktivitäten. Diese Erkenntnisse hatte das Umweltamt bereits Anfang November 2020 veröffentlicht.

Für eine abschließende Bewertung des Obst- und Gemüseanbaus in den mehr als 500 Gartenparzellen galt es, die Ergebnisse der Grünkohluntersuchungen des Landesamtes abzuwarten. Dieser Untersuchungsbericht des LANUV liegt jetzt vor.

In allen vier Kleingartenanlagen ist Grünkohl in Containern mit Einheitserde in der Zeit vom 4. August bis zum 9. November 2020 angepflanzt worden. Grünkohl ist aufgrund der krausen und damit sehr großen Oberfläche gut geeignet, partikelgebundene Luftschadstoffe an der Blattoberfläche anzulagern. Über kleinste Blattspalten können auch gasförmige PCB aufgenommen werden. Aus diesem Grund bietet sich diese Kohlart als Indikatorpflanze an, um repräsentativ für Blattgemüse die Bewertung einer Schadstoffimmission vornehmen zu können. Nach dem Ernten sind die Grünkohlproben gebrauchsfertig aufbereitet und anschließend auf die Gesamt-PCB-Gehalte sowie Dioxine und Furane (PCDD/F) analysiert worden.

Das LANUV stellt im Ergebnis fest, dass in allen untersuchten Proben die Gehalte an Dioxinen und Furanen unterhalb der landesweiten Hintergrundbelastung („Orientierungswert für den maximalen
Hintergrundgehalt“ – kurz OmH) sowie deutlich unterhalb des sogenannten „EU-Auslösewertes“ liegen. An vier von fünf Messpunkten liegen die „PCB-gesamt“-Gehalte ebenfalls unterhalb der Hintergrundbelastung (OmH).

Noch erhöhte PCB-Werte an zwei Messstellen in der Gartenanlage "Nord-Ost"

Leicht erhöht zeigen sich allerdings die produktionstypischen PCB Nr. 47, Nr. 51 und Nr. 68 in den Grünkohlproben an den beiden nordöstlich des Betriebes M+S Silikon und damit in der Hauptwindrichtung gelegenen Messpunkten. Die beiden Messstellen liegen beide in der Kleingartenanlage "Nord-Ost" an der Hannöverschen Straße 50.

Zwar war laut Stadt eine deutlich abnehmende Tendenz der absoluten PCB-Gehalte gegenüber den Konzentrationen der Löwenzahn-Proben vom März 2020 festzustellen, Restanteile an Silikon-PCB wurden dennoch nachgewiesen. Die Werte der im November geernteten Gemüseproben spiegeln
die Bemühungen des Unternehmens wider, den PCB-verursachenden Zuschlagsstoff sukzessive zu ersetzen. Allerdings wurde an der nordöstlichsten Messstelle ein geringfügig erhöhter Anteil an sogenannten Indikator- und dl-PCB analysiert. Dies könnte ein Hinweis sein auf eine
mögliche zusätzliche PCB-Quelle, nach der jetzt gesucht wird.

Für den Verzehr von Blattgemüse und die gesundheitliche Bewertung der ermittelten „PCB-gesamt“-Gehalte zieht das LANUV folgendes Fazit: Bei täglichem Verzehr könnte nach jetzigem Kenntnisstand eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei Verzehr von Grünkohl aus den Nutzgärten der Anlage "Nord-Ost" nicht ausgeschlossen werden.

Andernorts geerntete Nutzpflanzen können wieder verzehrt werden

In Bezug auf den Nutzpflanzenanbau und -verzehr ergeben sich daher folgende angepasste Empfehlungen: Die bisher ausgesprochene vorsorgliche Nicht-Verzehrempfehlung kann für die
Kleingartenanlagen "Zur Lenteninsel", "Schwarzer Kamp" und "Frohes Schaffen" aufgehoben werden. Gleiches gilt auch für die privaten Nutzgärten im ursprünglichen Geltungsbereich der Vorsorgeempfehlung.

Indes wird für die Kleingartenanlage "Nord-Ost" eine differenzierte Verzehrempfehlung ausgesprochen. Dort angebautes Blattgemüse sollte auf Anraten des LANUV nicht häufiger als einmal pro Woche in einer Portionsgröße von 250 g verzehrt werden.

M+S Silikon stellt auf chlorfreie Produktion um

Die Notwendigkeit für eine differenzierte Verzehrempfehlung für Blattgemüse aus der Anlage Nord-Ost besteht laut Stadt nicht mehr, sobald die Silikonproduktion der Firma M+S Silicon – wie angekündigt – komplett auf einen sogenannten chlorfreien Vernetzer umgestellt ist. Aktuell stellt das Unternehmen bereits 96,2 % seiner Produkte chlorfrei und damit PCB-frei her. Die langwierigen Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren für die noch fehlenden Silikonprodukte laufen noch.

Gleichzeitig muss der Ursache für den leicht erhöhten Eintrag von Indikator- und dl-PCB nachgegangen werden. Hierzu haben das LANUV und das städtische Umweltamt bereits weitere Messungen des Staubniederschlages und der Luft veranlasst. Im Auftrag der Stadt sind seit Januar vier Messstellen zur Erfassung der Staubdeposition in Betrieb. Dies mit dem Ziel, den positiven rückläufigen Trend der Gehalte an Silikon-PCB zu dokumentieren. Gleichzeitig können die Staubuntersuchungen ebenso wie die Luftmessungen des Landesamtes die Suche nach der Ursache für die lokal geringfügig erhöhten Indikator-PCB unterstützen.

LANUV plant weitere PCB-Messung für den Herbst

Darüber hinaus hat das Landesamt angekündigt, auch im Herbst 2021 erneut eine Grünkohlmessstelle in der Anlage "Nord-Ost" vorzusehen.

Weitere detaillierte Informationen findet man auf der Seite der Stadt Dortmund unter www.pcb-koerne.dortmund.de, die laufend aktualisiert wird. Dort ist auch der ganze Auswertungsbericht des LANUV zur Grünkohluntersuchung abrufbar.

Autor:

Ralf K. Braun aus Dortmund-Ost

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