"Bereicherung fürs Team"
Kanzlei Kisters & Spielvogel in Brackel ist offen für Menschen mit Behinderung
„Schau mal, Celina“, das könnte doch was sein“. Als Celina Efselmanns Mutter das Stellenangebot der Anwaltskanzlei Kisters & Spielvogel entdeckt, nimmt eine Geschichte ihren Anfang, der viele Nachahmer zu wünschen sind.
Seit Anfang August 2021 absolviert die Martenerin Celina Efselmann in Brackel eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten. Die junge Frau lebt seit ihrer Geburt mit einer Bewegungseinschränkung der linken Körperhälfte, wobei die „Hemiparese links“ sie in ihrer Arbeit in keiner Weise einschränkt.
„Sie schreibt mit einer Hand schneller als ich mit zweien“, erklärt Thomas Kisters, gemeinsam mit Jochen Spielvogel Inhaber der Kanzlei. Spezielles Arbeitsgerät benötigt Celina Efselmann nicht; auch das vereinbarte Probearbeiten verlief so reibungslos, dass einem Ausbildungsvertrag nichts im Wege stand.
Gefördert wird ihre Ausbildung durch die Agentur für Arbeit gefördert – ein Umstand, der mehr Betriebe dazu bringen soll, Menschen mit Behinderung einzustellen. Bei Kisters & Spielvogel in der Schimmelstraße 12 wurde mithilfe der Fördermittel umgehend eine zweite Ausbildungsstelle geschaffen. Jana Lokat hat sie bekommen, eine junge Frau aus Kirchlinde, die auf den Rollstuhl angewiesen ist.
Kanzlei hat schon früher gute Erfahrungen gemacht
„Dass wir mit einem früheren Mitarbeiter, einem teilweise erblindeten jungen Mann, sehr gute Erfahrungen gemacht hatten, hat uns geprägt und ermutigt“, so Jochen Spielvogel. Sein Kompagnon Thomas Kisters stimmt zu und ergänzt, dass sich auch der Blickwinkel auf die eigene Unversehrtheit verändert habe.
Und so sind nicht nur Anfragen von Arbeitsagenturmitarbeiterin Kerstin Artmann stets willkommen, die passende Arbeitsstellen für Menschen mit Behinderung sucht. Die beiden Dortmunder Anwälte zögerten auch nicht, ihre Kanzlei durch Anmietung weiterer ebenerdiger Räume möglichst barrierefrei zu gestalten, als sich die Möglichkeit dazu ergab. Letztlich zählt die Leistung, da sind sie sich einig.
Ziel ist es, die Auszubildenden nach ihrem Abschluss zu übernehmen und ohne Förderung weiterzubeschäftigen. Und das trauen sie Celina Efselmann und Jana Lokat auch zu. „Beide Kolleginnen müssen sich vor dem ersten Arbeitsmarkt nicht verstecken, im Gegenteil: Sie sind eine Bereicherung für unser Team.“
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen (3.12.) wird alljährlich international auf die Situation von Menschen mit Behinderung aufmerksam gemacht. Einen Schwerpunkt in diesem Jahr bilden Infoveranstaltungen für Arbeitgeber*innen. Inklusion soll einerseits Beschäftigten mit Beeinträchtigungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben er-möglichen, kann aber darüber hinaus auch Unternehmen mit Fachkräftebedarf wichtige Chancen eröffnen.
Hintergrund: Schwerbehinderte Menschen auf dem Dortmunder Arbeitsmarkt
- Gesunkene Beschäftigung: Die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Dortmund befindet sich im Jahr 2019 in etwa auf dem Niveau von 2015, wobei sie zwischenzeitlich auch deutlich höher lag. Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass die Tendenz schwächer ausgeprägt ist als das Beschäf-tigungswachstum bei allen Beschäftigten.
- Viele Chancen in der öffentlichen Verwaltung: Die höchste Zahl an schwer-behinderten Menschen war 2019 in der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung beschäftigt, gefolgt vom Gesundheits- und Sozialwesen. Hier sind schon rund ein Drittel aller schwerbehinderten Beschäftigten in Dortmund beschäftigt. Nimmt man die Beschäftigten aus der Verkehrs- und Logistikbranche hinzu, so wird hier annähernd die Hälfte der beschäftigten schwerbehinderten Menschen in Dortmund abgebildet.
- Mehr als 5 % der Arbeitsplätze betroffen: Die Ist-Quote gibt den Anteil der schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen, gemessen an den zu zählenden Arbeitsplätzen an. 2019 waren in Dortmund 8.687 Pflichtar-beitsplätze besetzt. Dies entsprach bei 170.220 zu zählenden Arbeitsplätzen einer Quote von 5,12 %. 1.523 Pflichtarbeitsplätze waren unbesetzt. Bei öffentlichen Arbeitgebern betrug die Quote 6,4 %, bei privaten Arbeitgebern lag sie bei 4,7 %.
- Steigende Dauer der Arbeitslosigkeit: Die Dauer der Arbeitslosigkeit liegt für schwerbehinderte Menschen rund ein Drittel über der von nicht-schwerbehinderten Arbeitslosen. Zwischen 2017 und 2021 sank die Arbeits-losigkeit bei beiden Personengruppen, jedoch konnten schwerbehinderte Menschen deutlich weniger profitieren. Die Corona-Pandemie führte insgesamt wieder zu einer Verlängerung der Arbeitslosenzeiten. Jedoch sind schwerbehinderte Menschen im Jahr 2021 länger arbeitslos als noch 2017.
- Überwiegend Helfertätigkeiten gefragt: Wenn Menschen eine Helfertätigkeit suchen, liegt im Regelfall kein adäquater Berufsabschluss vor, oder der ursprüngliche Beruf kann aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr ausgeübt werden. Für die Suche nach Helfertätigkeiten bestehen schon aufgrund der großen Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt rechnerisch geringere Chancen auf eine Beschäftigungsaufnahme.
- Sinkender Anteil schwerbehinderter Menschen an der Arbeitslosigkeit: Die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen stieg innerhalb der Corona-Pandemie stärker an als zuvor. Von November 2020 bis Oktober 2021 waren in Dortmund durchschnittlich 3.046 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet. Das waren 54 oder 1,8 % mehr als im Jahresdurchschnitt 2020. Jedoch sank der Anteil der schwerbehinderten Menschen an allen Arbeitslosen in den beiden Coronajahren, was bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit der schwerbehinderten Menschen schwächer stieg.
Autor:Ralf K. Braun aus Dortmund-Ost |
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