ZEITZEICHEN STICHTAG HEUTE: 9.11.1918 - 95 Jahre Novemberrevolution - SPD läßt auf Arbeiter schießen - Scheidemann ruft die bürgerliche, Karl Liebknecht die sozialistische Republik in Deutschland aus
Der 9. November wird in Deutschland mit den Mauerfall 1989 oder der Reichspogromnacht 1938 in Verbindung gebracht. Nicht aber mit der Novemberrevolution 1918. Die Novemberrevolution ist der Teil der deutschen Geschichte, der leider bei vielen Menschen in Vergessenheit geraten oder gänzlich unbekannt ist. Dabei war diese Revolution ein herausragendes Ereignis deutscher Geschichte.
1918 war der Erste Weltkrieg der Ausgangspunkt für Massenbewegungen der Soldaten, Matrosen und Arbeiterinnen, die für die Beendigungen des Krieges in den Hafenstädten auf die Straße gingen. In Bremen, Hamburg und München wurden sogar Räterepubliken ausgerufen. Im Januar gab es einen Generalstreik, bei den 100.000 Arbeiter auf die Straße gingen. Als dann im November 1918 die Oberste Heeresleitung ihre Kriegsschiffe in ein aussichtsloses Seegefecht führen wollte, meuterten die Matrosen, nahmen die Offiziere gefangen und übernahmen die Befehlsgewalt und riefen die ersten Räte aus. Der Kaiser und seine Fürsten wurden damit entmachtet. Es entstanden in vielen Orten in Deutschland Arbeiter&Soldaten-Räte.
Gustav Noske (SPD): "Einer muss der Bluthund sein!"
Die Frage war nun, ob der politischen auch die soziale Revolution (Umwälzung der Eigentumsverhältnisse) folgen würde. Sie blieb aus. Die SPD nahm eine verräterische Rolle ein, indem sie der Bewegung der Arbeiterinnen und Soldaten in den Rücken fiel und mit den alten Machthabern und korrupten Eliten zusammenarbeitete, um eine bürgerliche Demokratie samt Erhalt der alten Eigentums- und Produktionsverhältnisse durchzusetzen und diese alten Mächte dafür zu gewinnen. Letztlich dankte es die Reaktion den Sozialdemokraten nicht. Der Verrat der SPD sollte die Spaltung der Arbeiterbewegung für die nächsten 100 Jahre zementieren und war auch ein entscheidender Grund dafür, dass die beiden Arbeiterparteien keine gemeinsame Strategie gegen den Nationalsozialismus entwickeln konnten. Die SPD hatte eine bürgerliche Republik errichtet, die soziale Revolution verhindert und damit -sicherlich ungewollt- den Deutschnationalen und den Nazis den Weg geebnet.
Neben der linken SPD-Abspaltung USPD scherten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht aus, gründeten den Spartakusbund (später KPD) und kämpften für die soziale Revolution. Während sie es auf den Bruch mit dem Kapitalismus anlegten, zielte die Taktik der SPD-Führung auf eine Stärkung der Konterrevolution ab und damit eine verbundene Niederschlagung der Massenbewegung. Diese Politik führte dann schließlich zur Niederlage der Revolution und ihren fortschrittlichen Ansätze für eine neue Gesellschaft, die nicht auf Klassengegensätze beruhte.
Revolutionärer Ursprung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland
Die Zurückhaltung und Distanz, mit der die meisten Parteien der Bundesrepublik seit Jahren dieses historische Ereignis behandeln, spricht Bände. Obwohl sich die Bundesrepublik gern auf die Traditionen der Weimarer Republik als der ersten deutschen Demokratie beruft, gehört die Erinnerung an die Ereignisse, die diese Demokratie erst ermöglichten, nicht zu den Eckpunkten historischer Erinnerung und staatlichen Selbstverständnisses. Der revolutionäre Ursprung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland bereitet, wie schon 1918 und 1919, offensichtlich manchem Politiker Probleme. Sicherlich müssten sich die Parteien auch Fragen nach der Verantwortung ihrer Vorgänger für den blutigen Kehraus und die politischen Morde stellen, die als Hypothek auf der Republik von Weimar lasteten. Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Kurt Eisner stehen beispielhaft für viele, die unerschrocken gegen Krieg und Monarchie mobilisierten und schon bald den rechten Mordkommandos preisgegeben wurden.
Die revolutionäre Bewegung, deren linker Flügel nach dem Schrecken des durchlebten Krieges eine demokratisch-sozialistische Orientierung anstrebte, erkämpfte die parlamentarische Demokratie mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht, das aktive und passive Wahlrecht für Frauen. Ihre machtvollen Aktionen verhalfen wichtigen sozialen Verbesserungen wie dem Achtstundentag, der Sozialgesetzgebung und den Betriebsräten zum Durchbruch. Es gibt folglich auch aus heutiger Sicht viele Gründe, sich der Ereignisse und Akteure von 1918/19 zu erinnern.
"Wir, die sogenannten einfachen Menschen sind es, die Geschichte schreiben"
Auf einer fröhlichen Gedenkveranstaltung vor fünf Jahren zum 90. Jahrestag der Novemberrevolution sagte Dr. Manfred Sohn, der ehemalige Fraktionsvorsitzende der LINKEN im niedersächsischen Landtag, dass das Wichtigste für ihn „das Bewusstsein (ist), dass wir, die sogenannten einfachen Menschen, es sind, die Geschichte schreiben“. Wolfgang Gehrcke, Bundestagsabgeordneter der Partei DIE LINKE, sah die Ideale der Novemberrevolution als Auftrag auch für die heutige Politik: „Das heißt programmatisch: Nein zu Kriegen, Kampf um soziale Gerechtigkeit und Gleichheit, ein Sozialismus, für den Demokratie konstituierend ist. Kleiner geht die Aufgabe nicht.“
Ein äußerst umfangreiches Manuskript zur Novemberrevolution von Ulla Plener "Für bürgerliche und sozialistische Demokratie - Allgemeine, regionale und biographische Aspekte" finden Sie hier.
Eine sehr faktenreiche Internetseite zur Novemberrevolution von Karena Kalmbach aus Berlin finden Sie hier.
Ausgewogene Novemberrevolution Doku 3sat Kulturzeit extra (November 2008):
Autor:Carsten Klink aus Dortmund-Ost |
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