Oppositionsführer Gregor Gysi: "Unter Kohl war die Marktwirtschaft noch sozialer als heute"

Oppositionsführer Gregor Gysi (DIE LINKE) zur Regierungserklärung: "Ich glaube, dass die Große Koalition zunächst hektisch das eine oder andere beschließen wird, aber viel zu wenig verändern wird. Die Politik von Schwarz-Gelb wird im Kern fortgesetzt. Wir werden später Stillstand und dann Herumwurstelei erleben. Man soll ja nicht wetten, aber ich könnte mit Ihnen wetten, dass die Bevölkerung nach der Regierungszeit der Großen Koalition tief enttäuscht sein wird." | Foto: Ralf Roletschek - Fahrradtechnik und Fotografie,  GNU-Lizenz für freie Dokumentation
  • Oppositionsführer Gregor Gysi (DIE LINKE) zur Regierungserklärung: "Ich glaube, dass die Große Koalition zunächst hektisch das eine oder andere beschließen wird, aber viel zu wenig verändern wird. Die Politik von Schwarz-Gelb wird im Kern fortgesetzt. Wir werden später Stillstand und dann Herumwurstelei erleben. Man soll ja nicht wetten, aber ich könnte mit Ihnen wetten, dass die Bevölkerung nach der Regierungszeit der Großen Koalition tief enttäuscht sein wird."
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Nach der mäßigen Regierungserklärung der Kanzlerin Angela Merkel lief Gregor Gysi (DIE LINKE), dessen bereits im November 2013 im Bundestag gehaltene "Nobelpreis für Snowden"-Rede von den Rhetorik-Fachleuten der Universität Tübingen zur Rede des Jahres gewählt wurde, zur Hochform auf. Er bestätigte eindrucksvoll, dass er der neue, unumstrittene Oppositionsführer ist. Dies nicht nur weil DIE LINKE die drittstärkste Kraft im neuen Deutschen Bundestag ist.

Chamant wie üblich eröffnete er seine Rede mit einer kleinern Heiterkeit, die ihm aber bitte nicht von der Redezeit abgezogen werden soll.

Dann legte Gysi los: "Aber nun zum Ernst der Lage und damit zu Ihrer Regierungserklärung: Sie haben eine Erklärung abgegeben, die in weiten Teilen mit der Realität nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte."

Angesichts des hundersten Jahrestag des Beginns des ersten Weltkrieg und des fünfundsiebzigsten Jahrestages des Beginn des zweiten Weltkriegs kritisierte er die Kriegslüsternheit von CDU und SPD: "Das militärische Vorgehen, der Krieg, ist der falsche Weg. Die Probleme der Menschheit müssen wir gänzlich anders lösen."

Ende der Unterwürfigkeit

Als nächstes widmete Gysi sich dem NSA-Skandal und forderte ein Ende der Unterwürfigkeit gegenüber den USA, das Ausweisen von Spionen sowie den Schutz von deutschen Unternehmen vor dem Diebstahl von Wirtschaftsgeheimnissen. "Jetzt ist es die Linke, die allein die Unternehmen schützen muss. So weit ist es inzwischen in dieser Gesellschaft gekommen.", erklärte ein sichtlich amüsierter Gregor Gysi.

"CSU ist europafeindlich und nicht DIE LINKE"

Auf der europäischen Ebene kritisierte der Fraktionsvorsitzende der LINKEN die wahnsinnige Jugendarbeitslosigkeit in Europa. SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der auf dem Arbeitgebertag am 19.11.2013 die Großindustrie schon weinerlich daran erinnerte, dass die SPD es war, die ihr mittels der Agenda2010 den größten Niedriglohnsektor Europas, Steuersenkungen und eine effektive Leiharbeitssklaverei beschert hatte, fuhr Gysi frontal an: "Jetzt fahren Sie als Außenminister nach Griechenland und sagen, sie müssten so weitermachen wie bisher. Das heißt, es soll bei diesem Sozialabbau bleiben. Das ist antieuropäisch, aber es ist nicht antieuropäisch, wenn man soziale Gerechtigkeit für Europa fordert."

Sozialist gibt Wirtschaftskurs

Einen kleiner Wirtschaftskurs gab Gysi auch: "Wir stellen in Deutschland doppelt so viel her, wie wir benötigen. Also sind wir auf den Export angewiesen. Aber das bedeutet, dass andere Länder weniger herstellen müssen, als sie benötigen. Um unsere Waren zu kaufen, brauchen diese Länder Geld. Dafür machen sie Schulden. Nun werfen wir ihnen die Schulden vor, nachdem wir an unseren Waren so viel verdient haben." Des Weiteren müsse mittels höherer Renten, höherer Löhne und höherer Sozialleistungenein ein Ausgleich im Außenhandel hergestellt werden. Es können schlicht und einfach nicht alle Exportweltmeister sein, da ja sonst keiner mehr importiert. Die Exporte der einen sind nun mal die Importe der anderen.

Als nächstes zerreisst Gysi die Gurkerei der Bunderegierung beim Mindestlohn, der Mütterrente und der Rentenungerechtigkeit.

"Wir müssen die Strompreisaufsicht wieder einführen."

Bei der Energiewende spricht Gysi den Nachfolger von Philip Rösler, Sigmar Gabriel, direkt an: "Sie wollen die gesetzlich zugesicherte Förderung reduzieren, und zwar gerade bei der Windenergie. Und wen trifft’s? Die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Denn im Offshorebereich kürzen Sie natürlich nicht - da geht es um die berühmten Windenergieanlagen im Meer, die von den vier großen Konzernen betrieben werden. Oh Gott, oh Gott, es wäre ja so mutig gewesen, denen einen halben Euro wegzunehmen, aber das trauen Sie sich nicht. Nein, Sie treffen damit wiederum die kleinen und mittleren Unternehmen und damit natürlich auch die Beschäftigten dieser Unternehmen. Und wer schützt wieder die kleinen und mittleren Unternehmen? Ich sage es: die Linke."

Nach gut 20 Minuten trat Gregor Gysi dann vom Rednerpult. Diese Rede dürfte wieder, auch ungeachtet der politischen Positionen, für Rhetorikfans ein Genuss gewesen sein.

Den vollständigen Redetext finden Sie hier.

Das Video der Rede finden Sie hier:

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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