Griechenland schließt alle Polikliniken - Rettungspakete für Bankkonzerne erst nach Europawahl
Der griechische Gesundheitsminister Adonis Georgiadis hat nun alle Polikliniken des Landes geschlossen. Damit ist die primäre ärtzliche Grundversorgung Griechenlands faktisch durch die Spardiktate der Troika zusammengebrochen. Auf einen Schlag wurden 8.500 Ärzte und Pfleger entlassen, die allerdings inzwischen die Polikliniken besetzt halten.
Sie wollen dort in den nächsten Tagen ohne Lohn weiterarbeiten und auch Menschen ohne Versicherungsnachweis behandeln.
Mutmaßlich 50 Prozent der Griechen ohne Krankenversicherung
Diese kostenlose Behandlung durch die frisch entlassenen, heldenhaften griechischen Ärztinnen und Ärzte dürfte für viele zumindest ein absolutes Minimum an gesundheitlicher Behandlung garantieren, da offiziell 30 Prozent, inoffiziell sogar 50 Prozent der Griechinnen und Griechen nicht mehr krankenversichert sind. Es gehört zu den Austeritätsbedingungen der Troika (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank-EZB, Internationaler Währungsfond) für Griechenland, dass sämtliche sozialstaatlichen Leistungen, inklusive der Krankenversicherung, nach zwölf Monaten Arbeitslosigkeit nicht mehr bezahlt werden. Wer nicht krankenversichert ist, muss die Behandlung bar bezahlen oder er wird nicht behandelt. Der jahrhunderte alte Spruch "Wer arm ist, stirbt früher!" erfährt im 21. Jahrhundert nach unserer Zeit - mitten in Europa - eine grausame Aktualität.
Vermögensabgabe statt Griechenland-Paket
Für deutsche und französiche Banken sowie für die griechischen Oligarchen ist aber freilich gesorgt. Man muss sich also nicht um alle Griechen sorgen. Das Zentralorgan des deutschen Kapitals, das <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/debatte-um-neue-finanzhilfen-griechenland-ist-bankrott/9503506.html">Handelsblatt</a>, meldete bereits, dass ein weiteres "Rettungspaket" geplant sei. Die Kanzlerin Merkel wünscht dies aber offensichtlich erst nach der Europawahl, um die Wahlchancen der Union zugunsten Euro-kritischer Parteien nicht zu gefährden. Es soll um weitere 20 Milliarden Euro durch neue Kredite bzw. einen Schuldenschnitt gehen, den wir Steuernzahler dann wieder für die griechischen Milliardäre und einige Bank- und Versicherungskonzerne schultern dürfen. Eine europaweite Vermögensabgabe könnte hier gegensteuern. „Griechenland ist bankrott“, betonte Sahra Wagenknecht (DIE LINKE). „Ohne eine Vermögensabgabe für die griechischen Oligarchen geht es nicht.“
Suizidrate um 40 Prozent gestiegen
Bereits 2013 (!) meldete medico international: "Viele Zahlen dokumentieren den Verfall: In Griechenland ist die Suizidrate um 40 Prozent gestiegen, HIV-Infektionen haben um 52 Prozent zugenommen, 26.000 Gesundheitsarbeiter, inklusive 9.100 Ärzten, haben ihre Arbeit verloren, Gelder für psychosoziale Versorgung sind um 45 Prozent gekürzt worden. (...) Mitten in Europa ist die Abwärtsspirale in Armut und Krankheit voll in Gang. Viele Medizinerinnen und Mediziner in Griechenland reagieren auf diese Entwicklung mit zivilgesellschaftlichem Engagement, indem sie protestieren, Dienst in solidarischen Kliniken leisten und Basisinitiativen gründen. Nach Lohneinbußen von bis zu 65 Prozent und angesichts der drohenden Pleite vieler Kliniken wächst gleichzeitig jedoch ihre Bereitschaft auszuwandern. In Zeiten des „Fachkräftemangels“ etwa in Deutschland werden längst gezielt griechische Ärztinnen und Ärzte abgeworben - und damit die medizinische Versorgung in Griechenland weiter geschwächt. „Eigentlich will ich nicht weg“, sagt der junge Mediziner aus Athen. „Aber so geht es nicht mehr weiter. Vielleicht ist Deutschland ja eine Alternative.“
Kürzungsdiktate schon einmal gescheitert
Die Austeritätspolitik der Troika geht auf die erfolglose, aber nicht minder brutale Politik des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in den 1980er und 1990er Jahren in Südamerika und Afrika zurück. Für den letztlich doch nicht durch die Horrormaßnahmen erfolgten wirtschaftlichen Aufschwung gab es furchtbare soziale Verwerfungen auch in den Gesundheitswesen der betroffenen Staaten. Diese Politik tötet.
Es geht auch anders, wenn man will
Eine kleine, unabhängige Insel in der Karibik erlebte in den 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch der pseudosozialistischen Staaten in Osteuropa eine noch verheerendere Wirtschaftskrise als das heutige Griechenland, da quasi über nach Nacht fast 80 Prozent des Außenhandels weggebrochen waren. In dieser Zeit der großen Not schlossen die Kubaner nicht ein einziges Krankenhaus, nicht eine einzige Schule, nicht einen einzigen Kindergarten. Heute schickt diese kleine Insel in über 70 Länder der Welt medizinisches Personal, um die größte Not der Verdammten dieser Erde zu lindern.
Auch Deutschland sollte statt Soldaten in die Welt, lieber Ärzte und Medikamente schicken und als europäische Führungsmacht die Austeritätspolitik sofort beenden. Die Menschen in den Krisenländern brauchen einen Marshallplan und keinen Morgenthauplan.
Autor:Carsten Klink aus Dortmund-Ost |
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