32. Dortmunder Filmtag
Dortmunder Filmtag 2017
Seit 32 Jahren brennt im Oktober das Feuer filmischer Leidenschaft beim Dortmunder Filmtag. Alfred Lengert und Klaus Werner Voß hockten damals beim Bier zusammen und heckten den Plan aus: „Laß` uns ein Filmfestival der besten „20“ aus Nordrheinwestfalen ins Leben rufen. Wir sind der größte Landesverband, hier wohnen die meisten BDFA Mitglieder“; die Idee zündelte auch bei den Klubkameraden, schon ratterten die Projektoren und die Filmer schnatterten bei guter Laune, Wurstbrötchen und Kaffee über Filme und Freundschaft und wie schön es doch sei, sich jetzt einmal mehr im Jahr zu treffen. Der Rahmen hat sich nicht geändert, nur Beamer ersetzten Projektoren und Lachs die Wurst auf den Brötchen, alles andere war und blieb heiter bis heute.
Am 7. Oktober 2017 loderte es schon im ersten Film: „Am Anfang war das Feuer“ von Marc Eggers vom Siegburger Filmklub. Buschbrände in Australien verheeren nicht nur sondern sind sogar nützlich im Kreislauf der Natur. Sie machen Platz für neues Grün und eine Pflanze hat da ihre besondere Methode: Sie kann ohne Feuer gar nicht leben, verbirgt sie doch ihre Pollen und Samen in dicken Kapseln die zwar das Feuer auch nicht überstehen die aber die unversehrten Samen erst, wenn sie vollständig verbrannt sind, frei geben. Und schon im nächsten Jahr strebt es grün aus der Erde.
Bernhard Zimmermann und Werner Poelchau stimmten uns nachdenklich mit der Geschichte des historischen Stadthauses in Düsseldorf. In filmhandwerklich klarem Stil erzählten sie die Geschichte dieses Hauses und machten uns die Wichtigkeit des „Immer wieder Erinnerns“ an die Opfer des Nationalsozialismus deutlich. Herr Dr. Sebastian Flehmann, Leiter der Gedenkstätte, erzählte umfassend aus tragischen Zeiten die wir manchmal zu leicht auf die lange Bank der „Geschichte“ schieben.
Holger Hendricks entführte uns mit „District 6“ in ein multikulturelles Stadtviertel von Kapstadt. Vor über 100 Jahren hausten hier die Ärmsten in Baracken ohne Frischwasser zwischen Maden und Seuchen; Krankheit, Hunger und früher Tod bestimmten den Alltag. Dann begann eine Zwangsumsiedlung in die Townships mit Kriminellen und politischen Gefangenen. Heute ist auf dem Gebiet ein neues Stadtviertel geplant. Bagger pflügen die Geschichte glatt, Boulevards und schicke Banken sollen......Kritik kommt auf......
Heidulf Schulze zeigte uns ein kleines Volk zwischen Steinzeit und Abitur.
Die „E´ñepá“ leben zwei Flugstunden von der nächsten Stadt entfernt in Venezuela. Die Männer jagen mit Blasrohr und Pfeil und Bogen nur bekleidet mit einem Lendenschurz, von ihren Frauen aus Frauenhaar geflochten, während die Damen hübsch und auch fast nackt die leichte Hausarbeit erledigen. So 16 Stunden am Tag, die Männer rauchen derweil palavernd in Hängematten und schauen zu, fast wie bei uns.......schon hat einer aber ein Radio, ein junger Mann sogar Abitur und viele Schüler fliegen, wenn Platz beim wöchentlichen Buschpiloten, in die Schule in der fernen Stadt.
Martha Schorn aus Düsseldorf zeigte uns die dramatische Geschichte vom historischen Kampf des General Custer am Little Bighorn gegen die Sioux-Indianer. Der General erlitt eine historische Schlappe an der der Nationalstolz der Amerikaner heute noch leidet. Vielleicht hüten die Amerikaner noch heute ihre Gewehre weil sie immer noch die Indianer hinterm Gartenzaun fürchten (Diese Einschätzung ist von mir und nicht Teil des spannenden Filmes von Martha Schorn. m.r.)
Gisela Plette vom Foto-Film-Club Bayer Uerdingen gewann die Herzen aller mit ihrem
4 Minutenfilm „Hundeleben“! Die Gegenüberstellungen der Aufnahmen des quirligen, jungen, Mäuschen ausbuddelnden Hundes mit den wohl zehn oder mehr Jahre später aufgenommenen Szenen des jetzt alten und gichtigen und von Arthritis geplagten Hausfreundes ließen jedem Hundebesitzer die Tränen kullern. Zweiter Preis der Publikumswertung, eine Herzensangelegenheit die ihre Auszeichnung verdiente.
Günter Liedmann und Ann Lou wurden mit einem Willi für den besten Ton ausgezeichnet für ihren Film: „Wo die Uhren langsamer gehen“. Ein Zirkus besonderer Art reist überland, in ein Dorf, eine Stadt, die Kinder einer ganzen Schule werden von den Artisten eine Woche spielerisch trainiert, werden zu kleinen Artisten. Am Ende erleben Lehrer, Eltern und Verwandte eine Vorstellung in einem richtigen Zirkuszelt mit allem Drum und Dran. Menschlich und atmosphärisch wunderbar von einem Artisten und Erzieher aus Leidenschaft kommentiert und von den Autoren liebevoll beobachtet. Ein Highlight, außerdem Sonderpreis der Stadt Dortmund für den besten Dokumentarfilm. (Lesen sie zu diesem Film die Vorgeschichte im Heft „Geschichten und Anekdoten aus 90 Jahren BDFA“ auf Seite 25: „Günters Glück“)
Bernhard von Riel, AV-Dialog, Multimedia Produzent präsentierte uns eine Diaschau die niemand als solche einstufte. Er beobachtete den Zirkus Roncalli mit der Fotokamera in Standbildern und es gelang ihm durch Langzeitbelichtungen eine solch swingende Bewegung in die Bilder zu zaubern, dass es in unseren Köpfen „filmte!“ Ist Roncalli schon seit Jahrzehnten ein visuelles Erlebnis so hat ihn Bernhard von Riel mit träumerischem Blick und perfekter Technik zur Kunst erhoben. Zweiter in der Nominierung die für beste Bildgestaltung, ein Augenabenteuer!
Jürgen Richarz vom Futura Film Club Düsseldorf e.V. stellte uns eine winzige Insel vor der bretonischen Küste in Frankreich vor. General de Gaulle bezeichnete sie einst als „Ein Viertel Frankreichs!“ Als de Gaulle im Krieg von London aus regierte, forderte er die Franzosen auf, nach London zu kommen um von dort aus Frankreich zu verteidigen. Sämtliche Männer der Insel, auf der nur 200 Menschen lebten, schifften sich „in Waffen“ ein und fuhren mit ihren Fischerbooten nach London die Heimat zu verteidigen. Ein kleiner, feiner Film über eine vergessene Geschichte.
Wolfgang Volker vom Foto-Film-Club Bayer-Uerdingen freute sich über die Auszeichnungen „Bester Film des Publikums“ und den Preis der Ruhr Nachrichten für den besten Reisefilm. Er besuchte „Ilulissat-Westgrönland“ und beschrieb in eisigem Blauweiß das immer schnellere Schmelzen der Eisberge und deren gefährlichen Abbrüche die einmal so hohe Wellen erzeugten, dass das Schiff vom Kapitän schnellstens in die Wellen gedreht werden musste. Wunderbare Bilder die aber auch den Ernst der Folgen der Erderwärmung demonstrierten.
Ellen Rudnitzki vom Club Kölner Filmer e.V. hat als Filmerin die Fähigkeit, neben politischer Information die menschlichen Hintergründe des Lebens in der Türkei zu zeigen.
In ihrem Film „Der Putsch“ erreicht sie Erstaunliches bei uns: Natürlich sind wir Deutschen gegen Erdogan, im Film aber wird gezeigt, warum der Putsch gegen ihn am 15.Juli 2016 gescheitert ist: Nicht weil alle Türken für Erdogan sind, sondern weil sie bei jeder politischen Veränderung fürchten, dass es nur noch schlimmer wird. Die türkische Geschichte der letzten Jahrzehnte hat das auch bewiesen. Drum glauben sie, dass sie mit Erdogan das kleinere Übel wählen! - Die etwas andere Sicht eines umstrittenen Themas.
Cedrik Dolassek, 14 jähriger Schüler vom Videofilmkreis Gütersloh e.V. lullte uns ein mit der immer größer werdenden Ruhe eines Schafe zählenden „Endlich – Einschlafen - Wollens“
Gerade als er endlich müde aufhört mit Zählen springt meuchelnd ein Fuchs und reißt scheinbar sogar ihn, das letzte Schaf, aus mit Schlaf!
Alexander Wuttke vom Siegburger Filmclub e.V. arbeitete sich in die architektonischen Wunder von Statik und Baukunst der Kuppel der Kathedrale „Santa maria del Fiori“ in Florenz ein. Was hier schon im Mittelalter von Filippo Brunelleschi erdacht und berechnet und gebaut wurde, grenzt an ein Wunder der Technik, noch heute in Wagnis und Kühnheit kaum nachzuempfinden, ein Bauwerk als Kunst.
Helmut Schilling vom Lippischen Amateur Film- und Videoklub e.V. Detmold reihte uns ein in jene tausende von Terrakottafiguren die der chinesische Kaiser Qin Shi Hunag vor 2000 Jahren in sein Grab stellen ließ. Der Film zeigt die Geschichte und die Restaurierung einiger Soldaten mit den Originalfarben. Ein Ausflug in die größte archäologische Ausgrabung unserer Zeit.
Uwe Koslowski vom Filmklub Dortmund e.V. stellte alle bisherigen Filme aus 32 Jahren „Dortmunder Filmtag“ in den Schatten wenn es um die Auszeichnungen geht: Sein Film 123,5 Lünen-Lippeweiden wurde ausgezeichnet mit fünf Willis (von sieben)! Für bestes Bild, bester Ton, bester Text, beste Montage und bester Film aus Sicht der Jury. Wie kam es dazu, denn auch beim Publikumspreis belegte er den zweiten Platz. Hier eine kurze filmische Deutung:
Wie in allen großen Geschichten erzählt der Film einfach, klar, ohne Schnörkel und Ballast. Wir sehen vier Elemente und nicht mehr: Hangar, Segelflugzeug, Pilotin und Segelveteran. Wie ein Cinemascopefilm öffnet die erste Einstellung das Tor zum Hangar eines Flugplatzes, das Bild wird breiter und breiter. Visuell schon ein Tief-Lufthol-Faktor. Dann der Hangar mit einem von Männern herausgeschobenen Segelflugzeug, Kamerastandpunkt aus einer Drohne direkt von oben gefilmt, eine atemberaubende Einstellung. Danach ein 14 Jähriges Mädchen das von ihrer Segelprüfung erzählt( Bestanden, darf allein, ohne Begleitung frei fliegen!) und ihrer Liebe für diesen Sport. Ein nettes Mädchen erzählt frisch, lächelnd und souverän von ihrer Leidenschaft und der Kindheit auf dem Flugplatz. Ihr Vater als Segelfluglehrer erweckte früh die Liebe und schon fliegt die Kleine unter den Wolken frei wie ein Vogel und Uwe als Autor hat die Kameras am Heckruder, an den Flügelspitzen und im Cockpit an verschiedenen Stellen montiert. Wir fliegen mit und unsere Augen staunen über den Wolken. Das Mädchen kommentiert derweil ihre Gefühle beim Fliegen. Nach der Landung erzählt ein weißbärtiger, überaus sympathischer Segelsenior von seinen 10 000 Segelstunden in 40 Jahren über alle Kontinente. „Sicherheit und das Vertrauen in die Kameraden ist bei uns das Wichtigste, in unserem Klub hat seit Bestehen noch nie einer seinen Fallschirm benutzen müssen.“ Uwe hat hier einen Film geschaffen, in dem nichts ablenkt vom Staunen über ein fliegendes Mädchen und das Wunder jener Freiheit die Reinhard Mey als „grenzenlos“ besingt. Ein Film der mit dem Herzen spricht aber doch in Aufbau und filmische Struktur seinen Erfolg begründet. Ein Film, dessen Erfolgsgeheimnisse in jedem Filmklub mal einen ganzen Abend diskutiert werden sollten.
Als Höhepunkt des Tages ein Überraschungsfilm außer Konkurrenz. Die Dortmunder Filmerin Elisabeth Wilms filmte vor dem Krieg, im Krieg und in der Nachkriegszeit Untergang, Leiden und Wiederaufbau der Stadt Dortmund. Klaus Werner Voß restaurierte den Film und wir wurden in dichten Bildern von Elend und Leid und Zerstörung an ein Kapitel der Geschichte erinnert, deren Zeitgenossen immer weniger werden und mit ihnen die Erinnerung. Nachdenklich erlebten nochmal eine Zeit die sich hoffentlich nie wiederholt.
Weitere fünf Filme zeigten uns das weite Spektrum nichtprofessionellen Filme - Schaffens.
Autoren, Juroren und Publikum erlebten einen Tag, in dem es draußen stürmte und Bäume entwurzelte während wir drinnen die Welt der Phantasie bestaunten.
Übrigens, die Jury urteilte klar, entschieden und einhellig. Die Autoren konnten zufrieden sein wenn es auch hie und da andere Meinungen gab. Aber das liegt in der Natur der Sache und ist gut so! Also, an der Jury - Guillotine saßen: Holger Becker (BDFA) aus Breddorf, Christian Beisenherz (WDR), Thomas Blachetzki, freier Filmproduzent in Dortmund, Marin Gubela (BDFA), Bergisch Gladbach und Peter Kremski, Filmjournalist aus Bergheim.
Und zum Schluss des Schlusses: Diesjähriger Ehrenpreisträger des Filmklub Dortmund e.V. wurde Martin Gubela, alle klatschten fröhlich: VERDIENT! Erwähnen muss ich noch den letztjährigen Preisträger, Manfred Krause aus Gütersloh, der eine brillante Laudatio mit philosophischem Tiefgang hielt.
Manfred Riep
Autor:Hans Joachim Hirschfeld aus Dortmund-City |
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