Mein Weg in die Selbstständigkeit

Monika Plaeßmann wird unterstützt von einem Integrationshelfer. | Foto: privat
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In der letzten Zeit ist im Zusammenhang mit der UN-Behindertenkonvention viel von Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderung sowie deren Recht auf Teilhabe und eigenverantwortlichem Leben die Rede. Aber wie sieht so etwas eigentlich praktisch aus? Und wie sieht das eine Person mit einer schwerst-mehrfach Beeinträchtigung, die zwar einen erheblichen Bedarf an Unterstützung benötigt, aber dennoch auf ein eigenständiges Leben nicht verzichten will?
Die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) der Lebenshilfe Ambulante Dienste gGmbH betreut seit Mitte des vergangenen Jahres eine Wohngemeinschaft, in der zwei Frauen gemeinsam das eigenständige Leben erfahren. Wie sich das erste Jahr in so einer neuen Lebensform für eine der Bewohnerinnen anfühlt und wie es überhaupt dazu gekommen ist, schreibt eine Bewohnerin.

Von Melanie Plaeßmann

Ich hatte schon lange den Wunsch selbstständig zu leben, vielleicht sogar in einer eigenen Wohnung. Dies lag nicht an den Betreuern in der Wohnstätte. Die waren alle nett und haben sich prima um uns gekümmert, aber ich habe mich dort nicht dazugehörig gefühlt.
An einem Tag, an dem ich eigentlich zur Körperbehinderten-Gruppe gehen sollte, bin ich ausgebüchst und wollte beweisen, dass ich mich auch selbstständig bewegen kann. Ich habe dann einfach die Zeit in der Innenstadt verbracht und war wieder pünktlich zur Abholung am richtigen Ort.
Anschließend hat ein Gespräch mit den Betreuern statt gefunden, da ich natürlich vermisst wurde. Dort habe ich meinen Wunsch geäußert. Sie haben Rücksprache mit einer Mitarbeiterin des Bereichs der Individuellen Schwerstbehinderten Betreuung (ISB) der Lebenshilfe Ambulante Dienste gehalten und sich nach Möglichkeiten außerhalb der Wohnstätte für mich erkundigt. Schnell war klar, es sollte eine WG gegründet werden.
Kurz drauf fand ein Treffen in der Wohnstätte Hostedde mit meiner Betreuerin, einer Leitung der Wohnstätte, meinen Eltern und zwei Mitarbeiterinnen des ISB-Bereichs statt. Meine Mutter war sehr skeptisch und eher gegen das WG-Projekt. Sie konnte aber ihre Fragen und Sorgen äußern und hat dann schließlich ihre Zustimmung gegeben (was auch notwendig war, denn sie ist meine gesetzliche Betreuerin).

Mir kam die Zeit unendlich lange vor, bis wir endlich die Bestätigung hatten, dass ich einziehen kann. Meine WG-Mitbewohnerin war inzwischen schon eingezogen. Übrigens haben wir schnell heraus bekommen, dass wir uns schon von der Arbeit her kannten, somit waren wir uns doch nicht so unbekannt, wie wir erst dachten.
Am 25. Juli 2011 war es dann endlich soweit, ich bin auch in die WG eingezogen. Ich hatte anfangs große Angst, ob auch alles klappt und ich dieser Herausforderung gewachsen bin. Ich habe die Wohnstätte mit einem weinenden und einem lachenden Auge verlassen.
Diese neue Situation war schon sehr aufregend, die vielen neuen Gesichter und Charaktere im Team und das Zusammenleben mit meiner Mitbewohnerin.
Was ich richtig gut finde am selbstständigen Leben? Die Einkäufe, die Planung von Unternehmungen und der Wohnungseinrichtung. In der Wohnstätte gab es eine klare Tagesstruktur. Wenn ich jetzt von der Arbeit komme, bestimme ich selber wie ich meinen Abend gestalte.

Was ich nicht so gut finde? Ich habe mir vorher keine Gedanken gemacht an was man alles denken muss, wenn man selbstständig lebt. Die Organisation meines Alltags wurde mir ja immer abgenommen. Jetzt merke ich meine Defizite.
Die Organisation eines eigenen Haushaltes und des Alltags ist zum Einen positive Herausforderung, zum Anderen aber auch Belastung mit der man lernen muss umzugehen. Hierbei habe ich zum Glück Unterstützung durch Assistenten und Betreuer aus dem Bereich der ISB und dem Bereich Wohnen.
Ich bin ein Mensch, der viel Zeit benötigt um sich an neue Menschen zu gewöhnen und da ist es schon anstrengend sich auf ein Team von Assistenten einzulassen. Aber auch das habe ich gemeistert.
Wir haben in den neun Monaten schon viel unternommen: Shoppingtouren, Kino, Disco, Spaziergänge im Park, Eisdiele, Essen gehen und das tollste Erlebnis war der Besuch beim Starlight Express (Geschenk meiner Mitbewohnerin). Zur Zeit habe ich mit einem Assistenten ein neues Projekt, einen eigenen PC mit Internetanschluss. Wieder ein Stück mehr Selbstständigkeit!

Ich kann nur allen Menschen Mut machen diesen Schritt zu gehen. Trotz aller Herausforderungen, die ich tagtäglich bestehen muss, habe ich diesen Weg in die Selbstständigkeit nie bereut. Und allen Zweiflern habe ich gezeigt, dass ich so leben kann.

(aufgezeichnet mit Assistenz von A. Wisniewski)

Monika Plaeßmann wird unterstützt von einem Integrationshelfer. | Foto: privat
Monikas Mitbewohnerin N. Bertich beim Abwasch in der gemeinsamen Küche. | Foto: privat
Autor:

Lokalkompass Dortmund-Nord aus Dortmund-Nord

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