Ausstellung in der Steinwache Dortmund
Ausgewiesen: Die Geschichte der "Polenaktion"
Die Steinwache als Ort gegen das Vergessen:
Der Ort für die Wanderausstellung Ausgewiesen! 28. Oktober 1938 – Die Geschichte der »Polenaktion« ist gut gewählt, denn schon das Gebäude lässt erahnen, dass Menschen hier gelitten haben, zudem hat auch sie (die Steinwache) bei der Polenaktion eine Rolle gespielt, doch davon später.
Die Wanderausstellung ist schlicht, ohne viel TamTam und ohne "Animation" wie mir der nette Herr am Eingang zu verstehen gibt. In der heutigen Zeit muss alles interaktiv sein, lesen fällt vielen schwer. Ob es diesem Thema besser zu Gesicht stehen würde? Ich glaube nicht.
Es geht in der Wanderausstellung um ein Ereignis, bei dem in einer Massenaktion rund 17.000 Menschen aus dem Deutschen Reich innerhalb kürzester Zeit nach Polen ausgewiesen wurden. Verfolgt wurden sie als Jüdinnen und Juden polnischer Staatsangehörigkeit. Diese sogenannte Polenaktion ist bis heute in der Erinnerung wenig präsent, da sie schon nach kurzer Zeit von den Novemberprogromen überschattet wurde. Die Ausstellung erzählt erstmals die Geschichte der Ausweisungen im Oktober 1938.
Auf der einen Seite erfährt man einiges über die Hintergründe der plötzlich durchgeführten Aktion, die darauf zurückgeführt wird, dass das polnische Parlament beschlossen hatte, polnischen Staatsangehörigen, die länger als 5 Jahre dauerhaft im Ausland waren, ihre polnische Staatsangehörigkeit abzuerkennen. Ins Detail zu gehen würde hier ein bisschen zu weit führen, es gibt weiter unten eine Quellenangabe für die, die mehr wissen wollen.
Die Steinwache als Handlungsort:
Auf der anderen Seite werden Schicksale von Familien vorgestellt, die die plötzliche Ausweisung am eigenen Leib erfahren mussten. Es geht um Familien aus ganz Deutschland, aber so weit muss man gar nicht gehen.
Und hier kommen Dortmund und die Steinwache ins Spiel, ganz um die Ecke, in Lünen-Brambauer war auch eine Familie betroffen, die Familie von Herbert Haberberg. Zunächst wurde ohne Vorwarnung der Vater abgeholt, ein paar Stunden später die gesamte Familie, sie mussten Koffer packen und durften 10 Mark mitnehmen. Als sie das Haus verließen, standen Leute auf dem Bürgersteig und schrien: "Raus mit den Juden!". Für Herbert Haberberg endet an diesem Tag seine Kindheit - genau ein Tag nach seinem 14. Geburtstag. Die Familie wurde zur Steinwache gebracht, wo sie warten musste, bis der Zug, der sie zur polnischen Grenze brachte, bereitstand. Die Fahrt dauerte 19 Stunden und es gab weder zu essen, noch zu trinken.
An der Grenze wurde die Familie getrennt. Während Herbert zu seinem Onkel nach Kattowitz durfte, mussten die Eltern und der jüngere Bruder im Lager in Bentschen bleiben. "Es gab danach kein zu Hause mehr für mich," fasst Herbert Haberberg zusammen.
Wanderausstellung: Ausgewiesen! 28. Oktober 1938 – Die Geschichte der "Polenaktion"
Wo:
Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Steinstr. 50
44147 Dortmund
Wann:
06.06.2023 - 30.09.2023
täglich außer montags von 10 - 17 Uhr
Eintritt frei
Als ich die Steinwache verlasse, scheint die Sonne und alles sieht so friedlich aus. Mir kommen die Worte einer jungen Frau in den Sinn, die es bei ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager völlig fassungslos machte, "dass das Leben draußen einfach weiterging."
Quellen:
- "Verwischte Spuren" - Jüdisches Leben an der Lippe
- "Mein Onkel Herbert Haberberg" - Jerusalem Post
- Bothe / Pickhahn (Hrsg): Ausgewiesen! Berlin, 28.10.1938
- "Polenaktion" - Jüdisches Museum Berlin
Wen das Schicksal der Familie Haberberg interessiert, findet das Interview mit Herbert Haberberg bei den verwischten Spuren und eine Zusammenfassung - anlässlich seines 1. Todestages 2022 - hier:
Autor:Martina Seeliger aus Lünen |
7 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.