Die Erzählung von Trudi 14
Trudi erzählte nun dem Bach die Geschichte von ihrem Herbstzauber.
Kartoffelfeuer
"K a r t o f f e l n ! Einkellerungskartoffeln. Erdäpfel! Frisch vom Bauern!" So rief Bauer Grossmann eines Tages auf der Strasse und schwang eine laute Glocke hin und her. Durch den Krach und das Geschrei, kamen alle Bewohner der Häuser auf die Strasse gelaufen. Sie wollten wissen, was hier los war. Die Frauen hatten schon ihre Geldtaschen dabei, denn sie wussten, dass der Bauer jedes Jahr um diese Zeit seine Kartoffeln, direkt in den Keller verkauft.
Auch meine Mutter ging zum Kartoffelwagen und bestellte für den kommenden Winter die braunen Knollen. Bauer Grossmann nahm die schweren Säcke auf eine Schulter und brachte sie in den Keller, wo er sie in die dafür vorgesehene Kiste kippte. Mutter bezahlte und ging ins Haus zurück. Ich blieb noch etwas bei dem Wagen stehen und beobachtete die Leute. Als alle ihre Kartoffeln im Keller hatten, wischte sich der Bauer den Schweiß von der Stirn mit einem blau kartiertem Tuch.
"Buh;" sagte er zu mir, "jedes Jahr der gleiche Stress. Aber das war die letzte Fuhre. Jetzt habe ich frei. Trudi, ich möchtest dich für heute Abend zum Kartoffelfeuer einladen? Da werden viele Kinder und Erwachsene sein, die haben alle beim Ausmachen der Knollen geholfen und zur Belohnung feiern wir jetzt ein Fest. In der Asche vom Kartoffellaub legen wir die frischen Kartoffeln und essen sie dann mit der Schale. Das wird ein Spaß, alle werden versuchen ohne schwarze Schnuten die Knollen zu verspeisen, doch das ist fast unmöglich. Hinterher wählen wir alle die originellste Schnute zum Kartoffelkönig des Jahrs. Na was ist? Frag deine Mutter ob du kommen darfst. Ich bringe dich dann später wieder zurück."
"Warte einen Moment, ich frage sie gleich", und mit wehenden Röcken rannte ich über den Hof und fand die Mutter in der Küche. Ich erzählte ihr was der Bauer vorhatte und bat sie: "Bitte! Mutti ! Lass uns mitmachen. Ich wünsche mir das doch so sehr." Meine Mutti ging mit hinaus und fragte den Bauer ob alles stimmte, was ihre Tochter ihr erzählt hatte und wann er Trudi nach Hause bringen würde. Herr Grossmann nickte und antwortete:" Es stimmt, sie sind auch herzlich eingeladen, wenn sie Lust haben." Meine Mutter versprach mit mir pünktlich am Feuerplatz zu sein und verabschiedete sich noch einmal vom Bauern. Dann gingen wir ins Haus zurück.
An Abendd, als wir auf dem abgeerntetem Feld ankamen, brannte schon das trockene Kartoffelkraut und die ersten Erdäpfel lagen in der Glut. Wir Kinder tanzten um den Feuerschein. Ein junger Bursche hatte seine Gitarre und ein alter Mann sein Akkordeon mitgebracht. Sie spielten wunderbare Lieder zum mitsingen. Auch meine Mutter setzte bald mit ihrer wunderschönen Stimme in den Gesang mit ein.
Es wurde ein herrlicher Abend, Mutti und ich gingen spät am Abend, nur die Sterne leuchteten am klaren Himmel, als wir singend den Weg über die Felder heimwärts gingen. Wir hatten beide rußgeschwärzte Ränder um die Lippen, doch die Kartoffeln hatten wunderbar geschmeckt. Und das tollste war, dass meine Mutti die Kartoffelkönigin wurde. Als Preis überreichte ihr der Bauer einen hand geflochtenen Henkelkorb, der mit frischen Feldfrüchten gefüllt war. Ich war hundemüde und weiß nicht mehr wie ich ins Bett gekommen bin. Mutti stecke mich, nach einer kurzen Wäsche, ins Bett, wo ich gleich einschlief. Ich nahm mir fest vor, dir bei nächster Gelegenheit von diesem Erlebnis zu erzählen. Im Traum dachte ich noch an meinen Freund, dem ich endlich einmal auch eine Geschichte erzählen konnte. Dann vielen mir die Augen zu".
"Vielen Dank, kleine Freundin. Das ist aber eine Überraschung! Du hast mir eine große Freude bereitet mit deiner lustigen Geschichte. Ich darf sie doch weitererzählen, wenn mal ein anderes kleines Kind an meinem Ufer sitzt und traurig ist, " so fragte der Bach und Trudi nickte.
Der Bach bemerkte den Blick, den Trudi auf ihre Armbanduhr warf. "Ich muss leider zum Essen Heim. Ich komme aber bald wieder, da ich gerne noch mehr von dir hören möchte." Sie stand auf und ging über die Wiese nach Haus.
Gewitterangst
Trudi wollte am anderen Morgen gerade aus dem Haus gehen, als der erste Donner grollte. Ihre Mutter rief ihr hinterher:" Liebling! Lauf nicht so weit weg, es wird gleich ein Gewitter geben." Ach du Schreck. Auch das noch. Trudi hatte eine Heidenangst, wenn es vom Himmel grollte und blitzte. Ihr Opa hatte ihr mal gesagt:" Wenn die Erdenkinder den lieben Gott geärgert haben, dann schlägt er mit der Faust auf den goldenen Tisch, der vor seinem Thron steht und auf der Erde donnert es. Weil viele Menschen aber nicht hören wollen, schickt er die grellen und manchmal auch gefährlichen Blitze." Daran mußte Trudi immer denken wenn es donnert und blitzt und der Regen aus den tief hängenden Wolken rauschte. Darum traute sie sich heute nur bis zum Gartenzaun. Mit traurigen Augen schaute sie über das Stoppelfeld und sah von weitem den Weidenzaun, hinter dem die schwarz, weißen Kühe standen.
Die Tiere ahnten wohl das kommende Gewitter, denn sie suchten Schutz unter den weit ausladenden Bäumen am Rande der Weide. Und da fielen auch schon die ersten Tropfen schwer auf Trudis Haar. Schnell lief sie ins Haus zurück und suchte wie die Kühe Schutz und Sicherheit. Beides fand sie bei ihrer Mutter. Zur Beruhigung kochte ihr die Mutter eine Tasse Milch und tat gleich zwei Löffel Honig hinein. Mit vorsichtigen Schlucken trank Trudi die köstlich schmeckende Milch. Zum Abendbrot bekam das Mädchen Eierkuchen. Dabei durfte sie sogar helfen. Sie rührte den Teig und Mutter machte dann die leckeren Pfannkuchen. Dazu gab es Pflaumenmus.
Und es donnerte immer noch. Diese Nacht schlief Trudi bei den Eltern im Bett, denn die Angst war einfach zu groß und Vater und Mutter zeigten Verständnis für die Not ihrer Tochter. Auch die nächsten Tage waren nicht erfreulicher. Die Wolken hangen tief und regneten ununterbrochen. Trudi musste sich im Haus beschäftigen. Sie hatte jetzt auch wieder Zeit für ihre Carmen, ihr erzählte sie die Geschichten, die sie vom Bach gehört hatte. So erlebte Trudi das Gehörte noch einmal und sehnte sich nach neuen Bachgeschichten. Doch es regnete immer noch.
Endlich! Die Wolken zogen weiter. Die Sonne zeigte zögernd ihre ernsten Strahlen. Durch die Wärme stieg weißer Dampf auf und trocknete die Erde. " Morgen, wenn der Feldweg etwas abgetrocknet ist, gehe ich zum Bach;" sagte Trudi und nickte bestätigend mit ihrem Kopf.
Autor:Gertrud Gottschalk aus Datteln |
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