„Wir hätten Sie gern gehalten“: ASG-Lehrer Sebastian Lieske über die Unsicherheit von Vertretungsstellen
Die einen sind als Beamte gut abgesichert und müssen sich um ihre Zukunft kaum Sorgen machen, die anderen kämpfen sich von einer befristeten Anstellung zur nächsten und füllen flexibel die Lücken. Die Zahl der ausgebildeten Lehrer, die sich mit befristeten Vertretungsstellen über Wasser halten, hat sich nach Einschätzung der Bildungsgewerkschaft GEW seit den 90er Jahren bundesweit verfünffacht. Einer von ihnen ist Sebastian Lieske, der seit einem Dreivierteljahr am Adalbert-Stifter-Gymnasium Sport und evangelische Religion unterrichtet.
Zumindest auf den ersten Blick unterscheidet sich die Arbeit von Sebastian Lieske kaum von der seiner Kollegen. „Man ist als Vertretungslehrer ja kein Lehrer zweiter Klasse, sondern macht einen ganz normalen Job und ist vollwertiger Ersatz für einen Kollegen in Elternzeit“, erklärt er. Der 34-Jährige arbeitet gern am ASG, fühlt sich im Kollegium wohl und anerkannt. Als einer von derzeit fünf Vertretungslehrern bekleidet er mit 24 Stunden Unterrichtszeit pro Woche fast eine volle Stelle. Ob er diese allerdings auch nach den Sommerferien noch haben wird, steht in den Sternen.
„Diese Unsicherheit ist es, die unzufrieden macht“, so Lieske. „Existenzangst ist ein böses Wort, aber man macht sich natürlich schon Sorgen.“ Ein weiteres Problem liege darin, dass man sich nie in dem Maße engagieren könne, in dem man es gerne tun würde. „Rein rechtlich darf man als Vertretungslehrer keine Mehrarbeit leisten“, weiß der Pädagoge. „Das ist eigentlich auch gut so, weil es vor Ausbeutung schützt, hat aber die Folge, dass bestimmte Dinge, zum Beispiel die Organisation von Klassenfahrten, nicht möglich sind.“
Mit der Unsicherheit wechselnder Vertretungsstellen hat Lieske inzwischen einige Erfahrung. „Rückblickend würde ich sagen, ich hätte ein halbes Jahr früher mit dem ersten Staatsexamen fertig werden sollen“, ist er überzeugt. Denn während es in den Jahren zuvor üblich gewesen sei, dass Absolventen direkt ins Referendariat wechselten, seien 2010 deutlich weniger Plätze angeboten worden. „Ich habe dann zunächst ein halbes Jahr als Vertretungslehrer an einer Realschule in Oelde gearbeitet“, erzählt er.
Es folgte das Referendariat an einem Gymnasium in Rheine und das damit verbundene zweite Staatsexamen. „Damals gab es die Umstellung von G9 auf G8, und es wurde bereits deutlich, dass weniger Lehrer an den Gymnasien gebraucht werden“, so Lieske. Nach dem Referendariat trat er seine zweite – nun auf sechs Wochen begrenzte – Vertretungsstelle an einem Gymnasium in Unna an.
Und auch hier hätte es eine Option auf Weiterbeschäftigung gegeben, hätte nicht das NRW-Schulministerium zeitgleich eine Kürzung der flexiblen Mittel für Vertretungsunterricht um 25 Millionen Euro (50 Prozent) beschlossen. „‚Wir hätten Sie gern gehalten‘, wurde mir damals gesagt“, erinnert sich der 34-Jährige.
Inzwischen hat sich Lieske ein zweites berufliches Standbein aufgebaut und arbeitet neben seiner Lehrtätigkeit als Projektleiter beim Stadtsportbund Gelsenkirchen. Ganz dorthin zu wechseln, kann er sich allerdings nicht vorstellen. „Unterrichten macht mir Spaß und ist das, was ich will“, weiß er. „Meine Hoffnung ist, dass ich erstmal bleiben kann, und dass irgendwann am ASG eine feste Stelle frei wird.“
Autor:Verena Wengorz aus Castrop-Rauxel |
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