Neues VRR-Sozialticket: Leistungsempfänger fühlen sich geoutet und stigmatisiert
„Da können sie uns ja gleich einen Stempel auf die Stirn drücken, auf dem Hartz 4-Empfänger steht“, ärgert sich Stadtanzeiger-Leserin Gabriele (46). Seit dem ersten November gibt es auch in Castrop-Rauxel ein VRR-Sozialticket, mit dem Leistungsempfänger günstiger mit Bus und Bahn fahren können. Eigentlich eine gute Sache, doch viele Betroffene fühlen sich stigmatisiert.
Rund fünfzig Prozent günstiger als ein normales VRR-Monatsticket ist das neue „Sozialticket“. Damit kostet ein Ticket der Preisstufe A im Tarifgebiet 28 (Castrop-Rauxel) nur noch 29,90 Euro im Monat.
„Im Prinzip ist es eine gute Sache, dass man dieses Ticket nun bekommen kann“, findet Gabriele, ärgert sich aber über die Art und Weise, wie die neue Fahrkarte verkauft wird. Denn das neue Ticket gibt es nur in einem gesonderten Infobus, der mehrmals in der Woche am Busbahnhof Münsterplatz hält. An der Vorverkaufsstelle am Busdepot (Bahnhofstraße) kann die Fahrkarte nicht erworben werden.
„Warum diese Sonderbehandlung?“, fragt Gabriele und stört sich zudem daran, dass das Ticket deutlich als „Sozialticket“ gekennzeichnet ist. So könne jeder gleich beim Einsteigen in den Bus erkennen, um welches Ticket es sich handele, und man fühle sich abgestempelt, erklärt sie.
Dass sich auch andere Leistungsempfänger ausgegrenzt und stigmatisiert fühlen, weiß sie von Bekannten, die gemeinsam mit ihr an einer beruflichen Wiedereingliederungsmaßnahme teilnehmen und auf das Ticket angewiesen sind. „Sie bekommen als Fahrgeld nur diese 29,90 Euro erstattet. Eine Bekannte von mir hat die fehlenden 30 Euro für ein normales Ticket sogar freiwillig bezahlt, weil sie sich geschämt hat, das Sozialticket zu kaufen“, erzählt Gabriele und beschwert sich über die „öffentliche Zurschaustellung“.
Warum der Infobus notwendig sei, erklärt Reimund Kreuzberg, Sprecher der Vestischen Herten. „Es gibt außer diesem Bus kein Kundencenter in Castrop-Rauxel“. (Das Kundencenter am Busdepot gehört zum VRR Dortmund - Anmerkung der Redaktion). Somit sei der Bus ein zusätzliches Angebot, das bereitgestellt würde, damit die Kunden nicht nach Recklinghausen fahren müssten, um das Ticket zu erwerben.
Auch bei der Stadt kann das neue Ticket nicht erworben werden. „Es wird von der Stadt nicht mitfinanziert. Wir sind da völlig raus“, so Ekaterini Hellfeier vom Bereich Soziales. „Wir versuchen nur, die Öffentlichkeit zu informieren“. Deshalb gebe es bei der Stadt Informationsflyer und man könne sich dort beraten lassen.
Was es mit dem Begriff „Sozialticket“ auf sich hat, erläutert VRR-Sprecher Johannes Bachteler: „Der Begriff stammt aus der Historie und wurde so entwickelt, um dem Kind einen Namen zu geben. Das Wort ‚Sozialhilfe‘ ist ja auch keine Erfindung von uns, sondern ein stehender Begriff. Es ist nicht so gedacht, dass sich jemand mit dem Ticket outen muss.“
Verlässliche Zahlen darüber, wie das neue Ticket von den Verbrauchern angenommen wird, gebe es laut Bachteler bisher noch nicht, die Resonanz sei jedoch „nicht allzu hoch“.
Ferner bestehe eine Diskrepanz zwischen der Menge an ausgestellten Berechtigungsausweisen (diese sind für den Erwerb der Fahrkarte notwendig und werden von den jeweiligen Sozialleistungsträgern vergeben) und den tatsächlich verkauften Tickets. Grund dafür könne eine bislang noch nicht ausreichende Informationspolitik sein, mutmaßt der Pressesprecher.
Autor:Verena Wengorz aus Castrop-Rauxel |
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