Mann missbrauchte Mädchen: "Er war unser Nachbar"

Jahrelang missbrauchte ein ehemaliger Turnlehrer des Castroper TV seine Schülerinnen (wir berichteten). Und nicht nur sie. Eines der betroffenen Mädchen ist die Tochter von Martina (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt). Erst vor drei Jahren brach die heute 26-Jährige ihr Schweigen. „Als 2011 ans Licht kam, was der Mann getan hat, kam meine Tochter zu mir und sagte: ‚Ich war auch betroffen.‘ Jetzt wird dem 59-Jährigen vor dem Dortmunder Landgericht der Prozess gemacht.

„Er war unser Nachbar“, sagt Martina. Ihre Tochter, damals acht Jahre alt, sei nicht im CTV gewesen, war jedoch mit der Tochter des Mannes befreundet – und habe sie daher Mitte der 90er Jahre auch zu Hause besucht. Auf dem Dachboden des Hauses, in einem ausgebauten Zimmer, sei es zu den sexuellen Übergriffen gekommen.
„Als ich davon erfuhr, war ich geschockt und entsetzt. Es war der Horror. Ich fragte mich, wie jemand zu so etwas fähig sein kann. Man denkt doch nicht an sowas“, blickt Martina zurück. Und natürlich habe sie ihre Tochter gefragt, warum sie nichts gesagt habe. „Sie meinte, dass es damals eine andere Zeit gewesen sei. Was ein Erwachsener sagte und machte, habe man als Kind für richtig gehalten. Zudem hatte sie Angst, nicht mehr mit ihrer Freundin spielen zu können, wenn sie etwas verrät.“

Auch andere Mädchen schwiegen. Bis eines von ihnen im Jahr 2011 sein Schweigen brach. Und das brachte den Stein ins Rollen. Auch Martinas Tochter und andere Betroffene gingen nun zur Polizei. Bei einer Hausdurchsuchung wurde der Computer des Trainers beschlagnahmt – man fand mehr als 12.000 Fotos und rund 400 Videos (Stadtanzeiger berichtete). „Das Ausmaß ist einfach unfassbar“, schüttelt Martina den Kopf. „Er hat akribisch festgehalten, was er alles gemacht hat. In der Turnhalle, im Auto, im Urlaub oder in dem Dachgeschosszimmer“, hat Martina erfahren. Ihre Tochter sei jedoch weder gefilmt noch fotografiert worden.

Die Anklage stimme in weiten Teilen, sagte der Beschuldigte zu Prozessbeginn. Dies könnte den Prozess verkürzen. Und wenn ihre Tochter Glück habe, müsse sie nicht aussagen, erzählt Martina. „Wir sind froh, wenn es endlich vorbei ist und wir einen Schlussstrich ziehen können.“ Denn natürlich sei mit dem Prozessbeginn wieder alles hochgekommen.
Sie wünscht sich, dass der Mann für seine Taten bestraft wird. Dass die Ehefrau des Angeklagten jahrelang nichts mitbekommen haben will, kann Martina nicht glauben. „Auch das macht mich wütend“, sagt sie.

Wenn am 29. Januar der nächste Verhandlungstag ansteht, werden Martina und ihre Tochter dabei sein. Martinas Tochter, mittlerweile verheiratet, „steht mit beiden Beinen fest im Leben. Es hätte auch anders laufen können“, weiß ihre Mutter.

Autor:

Nina Möhlmeier aus Castrop-Rauxel

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