Einfach Valentin
Valentin weiß, was er will. Und was nicht. Der Siebenjährige aus Obercastrop sagt unserer Fotografin, wie er abgelichtet werden möchte. Und Mama Elke sowie Papa Christian schickt er erst einmal weg. Erst beim zweiten Fotomotiv dürfen sie mit aufs Bild. Einfach alles normal in einer Familie. Auch wenn bei den Kinkeldeis manches im Leben anders ist. Valentin hat das Down-Syndrom. Für Elke Kinkeldei und ihren Mann Christian ist ihr Sohn dennoch „einfach Valentin“.
Das Wort „einfach“ spielt für sie besonders in diesen Tagen häufig eine Rolle. Denn „Einfach Valentin“ steht auch auf dem Plakat, mit dem zum 21. März auf den Welt-Down-Syndrom-Tag aufmerksam gemacht werden soll.
Die Kinkeldeis haben schon eine Reihe solcher Plakate. Mit Slogans wie „Ich steh auf Vielfalt! Und Du?“,Einfach mehr drin!“ oder „Don’t Let Me Down!“ hat das Deutsche Down-Syndrom-Infocenter in den vergangenen Jahren den Tag ins Bewusstsein gerückt. Wer wollte, konnte ein Foto einreichen, und bekam ein individuelles Plakat.
„Wie das aussieht, weiß man vorher nicht“, erzählt Valentins Mutter. „Ich war erschrocken. ,Einfach Valentin‘ als Titel und dann noch die Form eines Stempels. Sieht aus wie ,abgestempelt‘. Ich muss zugeben, bevor wir Valentin hatten, dachte ich auch, alle Menschen mit dem Down-Syndrom wären gleich. Aber das sind sie nicht. Äußerlichkeiten führen zu Ähnlichkeiten, aber die Charaktere sind völlig unterschiedlich.“
Gar nicht „abgestempelt“ fühlt sich die Familie im Alltag. Auch nicht bemitleidet, obwohl vieles anders ist als bei anderen. „Mittlerweile finde ich: Ein Kind mit Down-Syndrom großzuziehen, bedeutet, ein Kind länger in seinem Werden zu begleiten. Darauf muss man sich ,einfach‘ einlassen können“, sagt Elke Kindeldei.
Viele ihrer Gedanken hat sie zu Papier gebracht und macht sie öffentlich. Valentin wird nicht versteckt. Er geht zum Schwimmunterricht, zum Selbstbehauptungstraining und zur Musikschule. Eigentlich möchte er Geige spielen lernen, macht er mit einer eindeutigen Geste deutlich, denn verstehen kann ihn ein Außenstehender nicht so leicht. „Für das Geige spielen sind seine Hände noch zu klein. Deshalb versuchen wir es erst einmal mit dem Klavier“, sagt Elke Kinkeldei.
Er wirkt jünger
„Valentin wird in seinem Umfeld überall angenommen. Wir haben bisher nicht die Situation erlebt, dass wir mitleidig angesehen oder angesprochen wurden“, sind sich Elke und Christian Kinkeldei einig. „Die Menschen sehen in Valentin erst einmal den kleinen Jungen.“ Wegen seiner Körpergröße wirkt er jünger als sieben Jahre.
Was sie mehr als ärgert, fasst Elke Kinkeldei in unserem Gespräch in klare Worte: „Die Herausforderung des Down-Syndroms ist nicht die Behinderung, sondern der Umgang mit der Bürokratie. Bei manchem Antrag, den ich stelle, um Leistungen zu erhalten, die uns von Gesetzes wegen zustehen, denke ich mir: Es ist einfacher, eine Abtreibung durchzubekommen, als einen Behindertenausweis oder eine notwendige Reha.“
Selbsthilfegruppen
Nein, verbittert klingt das nicht. Denn Valentins Mutter kämpft gegen die Bürokratie, fühlt sich herausgefordert, hilft in Selbsthilfegruppen mit Tipps weiter. „Denn oft erhält man wichtige Infos nur unter der Hand.“
Valentin hat derweil der Gesprächsrunde den Rücken gekehrt. Keine Lust mehr aufs Reden, schließlich ist er erst kurz vor seinem „Interview“ aus der Förderschule in Bochum nach Hause gekommen. Valentin spielt jetzt lieber. Und lässt sich dabei auch nicht von seiner neunjährigen Schwester Johanna stören.
Autor:Peter Mering aus Castrop-Rauxel |
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