Der Herr der Bücher
„Was uns immer fehlt, sind Kinderbücher! Viele Kinder haben ja heute gar keinen Zugang mehr zu Büchern.“
Jörg Hennig weiß, wovon er redet. Er ist Pate des Bücherschrankes auf der Lange Straße. „Der wird sehr gut angenommen. Es gibt viele positive Reaktionen. Wenn ich dort Bücher einräume, bleiben die Leute sogar stehen, um sich zu informieren. Je besser die Bücher sind, die im Schrank stehen, desto schneller sind sie auch wieder weg – oft schon nach 24 Stunden“, hat Hennig beob- achtet.
Professioneller Blick
Da er ein Online-Antiquariat betreibt und eine Ausbildung zum Bibliotheks-Assistenten im kirchlichen Dienst absolviert hat, blickt er sozusagen professionell auf den Bücherschrank.
Der war ursprünglich Mitte des Jahres 2012 von der Mercator-Stiftung finanziert und auf der Lange Straße aufgestellt worden. Wegen des Umbaus der Lange Straße musste er vorübergehend weichen. Ende August kehrte er zurück und steht nun im Kreuzungsbereich Lange Straße/Hugostraße.
„Ich habe sofort ja gesagt, als ich gefragt wurde, ob ich Pate werden möchte“, berichtet Jörg Hennig im Gespräch mit dem Stadtanzeiger. „Ich finde es persönlich wichtig, dass die Leute an Literatur kommen, auch wenn sie kein Geld haben.“
Und genau da setzt die Philosophie des Mercator- Bücherschrankes an: Durch den freien Zugang und die Platzierung an einem belebten Ort macht der Bücherschrank kulturelle Bildung für jeden Menschen zugänglich. Nicht nur Anwohner, auch Menschen, die nur zufällig am Bücherschrank vorbeikommen, können ein Buch oder mehrere kostenlos herausnehmen oder hineinlegen. Der Schrank ist somit sozusagen eine öffentliche Büchertauschbörse.
Zudem bietet der Bücherschrank auch Menschen Zugang zu Literatur, die nicht in Bibliotheken oder Buchhandlungen gehen und vielfach keinen Zugang zu Büchern haben.
Einmal in der Woche, meistens am Wochenende, schaut Bücherschrank-Pate Jörg Hennig, ob alles in Ordnung ist. Er kann unterscheiden zwischen Schund und Schätzen. Er sortiert und mistet aus. Und das leider nicht nur bei den Büchern. „Manche legen quasi Altpapier in den Schrank. Auch Pommesschalen, Getränkedosen und Flaschen räume ich weg.“ Allerdings halte die Ordnung, zumindest was die Sortierung des Lesestoffes nach Sach- und Fachgebieten angeht, nicht lange vor.
Die Mehrzahl der Bücher, etwa 70 bis 80 Prozent, sind Romane und Fachbücher. Und so erlauben die durchsichtigen Klappen des Bücherschrankes einen guten Blick auf das Angebot: Da liegt „Haie an Bord“ von Konsalik neben „Es muss nicht immer Kaviar sein“ von Johannes Mario Simmel, Ephraim Kishons „In Sachen Kain & Abel“ neben B. Travens „Der Schatz der Sierra Madre“ und „Ganz entspannt im Hier und Jetzt – Tagebuch über mein Leben mit Bhagwan in Poona“.
Aus einem Nachlass
Damit der Inhalt des Bücherschrankes für die interessierten Leser möglichst attraktiv ist, kommen immer mal wieder neue Bücher hinzu. „Neulich habe ich ganz viele aus einem Nachlass erhalten.“
Aber Kinderbücher fehlen halt. Wer Literatur für die Kleinen abgeben möchte, kann sich – so Jörg Hennig – mit dem Stadtteilbüro in Verbindung setzen oder die Bücher gleich in den Schrank legen.
Autor:Peter Mering aus Castrop-Rauxel |
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