Mit der Vielfalt umgehen: Schuldezernentin Petra Glöß im Interview
Welche Herausforderungen kommen auf Castrop-Rauxeler Regelschulen zu, wenn mit dem kommenden Schuljahr der Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung in Kraft tritt? Wie sind die Schulen für mögliche Schwierigkeiten gerüstet? Im Rahmen unserer Serie zur „Inklusion“ haben sich viele Fragen ergeben, die wir nun abschließend an Schuldezernentin Petra Glöß richten.
Stadtanzeiger: Frau Glöß, wo sehen Sie im Moment noch die größten Schwierigkeiten, die im Sommer auf die Schulen in Castrop-Rauxel zukommen werden?
Petra Glöß: Ich denke, das Wichtigste ist, dass die Schulgemeinschaften lernen müssen, mit der Vielfalt zurecht zu kommen. Sie müssen mit der äußeren und inneren Differenzierung umgehen können. Außerdem muss man, um differenzieren zu können, natürlich auch die entsprechenden Räume haben. Einige Schulen sind da besser, andere schlechter ausgerüstet. Auch wissen wir noch nicht recht, wie wir mit dem Ganztag umgehen sollen. Auf der anderen Seite gibt es aber bereits Modelle, die zeigen, dass Inklusion sehr gut gelingen kann – beispielsweise die Marktschule Ickern.
Stadtanzeiger: Wobei ein Grund für das Gelingen dort ja offenbar darin liegt, dass man ganz bewusst nur einzelne Klassen mit inklusiver Beschulung anbietet. Diese sind wesentlich kleiner als Regelklassen und werden meist von zwei Pädagogen betreut. Wie sieht es im Vergleich an Regelschulen aus, bei denen die Klassen deutlicher größer sein werden und jedem Kind mit besonderem Förderbedarf nur zweieinhalb Stunden sonderpädagogische Betreuung pro Woche zustehen?
Petra Glöß: Zunächst einmal muss sich bei den weiterführenden Schulen die Größe der jeweiligen Klassen an den Klassenrichtwerten orientieren. Die Klassen müssen also auch klein sein, und dazu gibt es noch den Förderanspruch. Die Kunst bei der inklusiven Beschulung wird aus meiner Sicht darin liegen, ein Klima zu schaffen, in dem sich die Kinder gegenseitig unterstützen. Auf die Stunden sonderpädagogischer Betreuung kommt es gar nicht so sehr an, denn es ist nicht die Aufgabe des Sonderpädagogen, für das Kind da zu sein, sondern die des Pädagogen. Der Sonderpädagoge hat vielmehr eine unterstützende Rolle.
Stadtanzeiger: Wie werden die Lehrer ohne sonderpädagogische Ausbildung denn auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet?
Petra Glöß: Es gibt eine Fortbildungsakademie, die spezialisiert ist auf diese Art von Fortbildungen. Dort haben Teams aller betroffenen Schulen Fortbildungen durchlaufen oder sind noch dabei. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit einer längeren universitären Zusatzqualifikation in der Sonderpädagogik.
Stadtanzeiger: Wie viele Schüler mit besonderem Förderbedarf wurden denn an Regelschulen angemeldet und wie verteilen sie sich?
Petra Glöß: Acht Kinder werden die Fridtjof-Nansen-Realschule besuchen, fünf oder sechs die Sekundarschule und vier die Gesamtschule. Ihre Förderbedarfe liegen in den Bereichen Lernen, Sprache oder emotionale und soziale Entwicklung.
Stadtanzeiger: Welche Unterstützung erhoffen Sie sich vom Land? Wo konkret hapert es noch?
Petra Glöß: Ich halte es für ein Problem, dass den betroffenen Eltern für ihr Kind jeweils nur ein Platz an einer Regelschule angeboten wird. Wenn sie ihn nicht nehmen, bleibt nur die Förderschule als Alternative. Dieses Verfahren entspricht aus meiner Sicht nicht den Vorgaben, die wir haben. Außerdem muss das Land festlegen, in welcher Qualität die Möglichkeiten vor Ort zur Verfügung stehen müssen, wie die Finanzierung – beispielsweise von Inklusionshelfern – aussehen soll, und ich halte es für sehr wichtig, dass Evaluation stattfindet.
Autor:Verena Wengorz aus Castrop-Rauxel |
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